Montag, Dezember 30

Wolfgang und Heike Hohlbein können vom Träumen leben: Sie sind das kommerziell erfolgreichste Schriftstellerpaar im deutschsprachigen Raum. Ihr Spezialgebiet: die Phantastik.

Neben einem gelb leuchtenden Rapsfeld steht ein Haus wie ein Wimmelbild. Dunkelroter Klinker, ein Zaun mit Froschkönigs-Kugeln auf den schmiedeisernen Spitzen, dahinter verschwinden Märchenfiguren und Horrorgestalten im Gartengrün. In den Bäumen hängt ein ganzes Quartier selbstgebastelter Vogelhäuschen.

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Hier am Rand einer nebelfarbenen Reihenhaussiedlung trifft deutscher Durchschnitt auf eine unwahrscheinliche Erfolgsgeschichte. Es ist das Haus von Wolfgang und Heike Hohlbein, dem kommerziell erfolgreichsten Schriftstellerpaar im deutschsprachigen Raum.

Viel Glück oder grosses Talent

Das Ehepaar Hohlbein träumte schon immer von Dingen, von denen viele Menschen träumen. Von Kindern und Liebe und einem eigenen Haus zum Beispiel. Keiner langweiligen Arbeit nachgehen müssen, aber auch nicht von Geldsorgen geplagt werden. Den ganzen Tag tun können, was einem die grösste Freude bereitet – und damit so grossen Erfolg haben, dass sogar ein bisschen Berühmtsein drinliegt. Einen Unterschied zu vielen anderen Leuten gibt es allerdings: Die Träume der Hohlbeins werden meistens wahr.

Sechs Kinder haben die beiden, ihre Ehe hält seit fünfzig Jahren, und statt eines Hauses gehört ihnen eine ganze Häuserzeile. Seit vierzig Jahren liefern Hohlbeins im Stakkato Unterhaltungsliteratur für Jugendliche und Erwachsene. Ihr Repertoire reicht von Science-Fiction über Mystery-Thriller, Horror bis zu Märchen, Sagen und Historien.

Ihr Spezialgebiet ist die Phantastik. Oder, wie es Jüngere sagen: Fantasy. In den Feuilletons finden diese Werke kaum Beachtung. Dafür stehen sie in Zehntausenden Bücherregalen: Die Gesamtauflage der Hohlbeins kratzt an der 50-Millionen-Marke. Ihre Romane wurden auf Englisch, Spanisch oder Türkisch übersetzt, manche auch verfilmt.

«Wir hatten ein Leben lang sehr viel Glück», sagt Wolfgang Hohlbein. Er sitzt an seinem Schreibtischchen unter der Treppe, auf dem Sofa ihm gegenüber seine Frau Heike. «Es war aber auch harte Arbeit», sagt sie, «und unser Talent. Das darf man schon auch sagen.»

Die Vogelhäuser hat Wolfgang Hohlbein selbst mit dem 3-D-Drucker gemacht, der Rest des Gartens und der Koi-Teich sind die Domäne von Heike Hohlbein.

Heldengeschichten als Schutzschilde

Als Kind wurde Wolfgang Hohlbein auf dem Pausenplatz verprügelt. Damals waren es die Geschichten in seinem Kopf, die ihn durchhalten liessen. Die Phantasie wurde zum Notausgang. Heldengeschichten als Schutzschilde. Von diesem Moment an wollte er Schriftsteller werden.

Diese kindliche Rüstung gegen den Alltag prägt Hohlbein-Jugendbücher bis heute. Es sind unwahrscheinliche Erfolgsgeschichten in verschiedensten Settings. Vom Märchenland bis zur Metrostation. Sie erzählen von Unterschätzten, von Aussenseitern, die über sich und alle anderen hinauswachsen. Von Belächelten, die zuletzt lachen. Von Ha!-Momenten, die sich in Abwandlungen wohl jeder schon ausgemalt hat. Und immer stehen den Helden Verbündete zur Seite, wahre Freunde.

Hohlbein selbst hatte als Kind nur zwei Freunde, so erzählt er es. Der eine bog auf dem bereits lang gewordenen Lebensweg bald einmal anders ab. Der andere ist heute sein Agent, Manager und engster Vertrauter. Hohlbein-Bücher sind Phantasiewerke, die auch dem Fehlenden im Leben des Autors entsprungen sind. Vielleicht sprachen und sprechen sie darum so viele junge Menschen an.

Auf dem Absagenstapel

Erst einmal wurde der Junge mit den vielen Geschichten im Kopf, der sogar in die Disco ein Buch mitnahm, zum Industriekaufmann; den Eltern zuliebe – denn die fanden, vom Träumen allein sei noch keiner satt geworden.

Weil Träumen einen zwar nicht satt macht, aber erfüllt, suchte sich Hohlbein Arbeitsstellen, die ihm Luft zum Schreiben liessen. Mit Heftromanen für die Kioskständer fing es an. Horror- und Wildwestgeschichten meistens, weil sich das am besten verkaufte. Später schrieb Hohlbein als Angela Bonella auch Barbie-Romane. Einer davon heisst «Barbie und das Fitness-Studio».

Als der österreichische Ueberreuter-Verlag 1982 einen grossen Wettbewerb für eine Fantasy-Geschichte ausschrieb, war Hohlbein 29 Jahre alt und bereits mehrfacher Familienvater. Vielleicht hat es sich angefühlt wie eine letzte Chance, die es zu packen galt. Jedenfalls war das der Moment, in dem Wolfgang und Heike Hohlbein nicht nur im Leben, sondern auch in der Literatur zu einem Paar wurden.

Die Idee, die alles veränderte, hatte nämlich Heike Hohlbein. Sie erdachte eine Welt namens Märchenmond. Dazu einen Jungen, der auf der Suche nach Rettung für seine im Koma liegende Schwester in diese sagenhafte Märchenwelt gerät; bedroht – natürlich – von dunklen Mächten. Mutig kämpft der unterschätzte, junge Aussenseiter für die Guten, findet Freunde und wird zum grossen Retter.

200 Seiten waren bei der Ausschreibung als Maximum angegeben, Hohlbeins reichten 700 ein. Herr Hohlbein hatte sie in drei, vielleicht vier Wochen, so sicher ist man sich da mittlerweile nicht mehr, heruntergeschrieben. Die mehr als dreimal zu lange Einsendung landete ungelesen auf dem Absagenstapel.

Bestseller und Bausparvertrag

Bevor das Manuskript im Altpapier landete, griff die Verlagsleiterin nach dem dicksten Packen auf dem Stapel. Vielleicht aus Neugier, vielleicht «einer Eingebung folgend», wie Hohlbeins das formulieren. «Märchenmond» erschien noch im gleichen Jahr. Es wurde mit 700 000 verkauften Exemplaren zum Bestseller und zum vom Verlag erhofften Startschuss für deutschsprachige Fantasy.

Preisgeld und Honorar steckten die Hohlbeins in einen Bausparvertrag. In dem Haus am Niederrhein, nahe der Disco, in der sie sich kennengelernt hatten, da, wo die sechs Kinder zur Schule gingen und man Stammgast am Mittelaltermarkt ist, leben Hohlbeins bis heute. «Umziehen?», Frau Hohlbein schüttelt den Kopf. «Nein, den Stress wollten wir uns nicht antun.» Stattdessen haben die beiden nach und nach die gesamte Häuserzeile aufgekauft – hier leben nun die Kinder mit ihren Familien.

Keine «Literatur-Literatur»

Der wilde Garten, das Haus ist ein Refugium, voll mit Blumentöpfen und Puppenhäusern, hinter dem Sofa eine Ritterrüstung, an den Wänden Schwerter und das Treppenhaus ein begehbares Bücherregal. Eine kleine Welt in der grossen. Wolfgang und Heike Hohlbein reicht sie vollkommen aus. Lesungen seien schön, offizielle Anlässe weniger. Im Literaturbetrieb fühlen Hohlbeins sich wie Zwerge im Land der Riesen.

«Diese Künstlerwelt, das ist nicht unsere Welt», sagt Wolfgang Hohlbein. Er mache ja Unterhaltung, «nicht Literatur-Literatur». Es sei okay, für viele zu schreiben, statt für die Feuilletons. Er überlegt. Die Sache mit den Feuilletons und Magazinen, in denen seine Bücher nie besprochen werden, beschäftigt ihn doch. «Manchmal frag ich mich, warum ich nicht auch so einen Unsinn schwafeln kann», sagt er. Dann gäbe es vielleicht doch noch eine Besprechung seiner Bücher in den Feuilletons . «Ach, Wolfgang», sagt seine Frau. «Dann würde ich noch berühmt», sagt er.

Hohlbeins haben Hunde und Katzen. Eine ist besonders frech: «Vornahme Camille, Nachname Katze», sagt Hohlbein. Ausgesprochen: Kamikaze. Er fügt an: «Den nächsten nenne ich Baldrian.»

Wer einige der hohlbeinschen Romane gelesen hat, der weiss: Sie sind austauschbar. Es sind Geschichten voller Stilblüten und Stereotype, sprachlich keine Meisterwerke. Aber es sind auch Geschichten voller Anknüpfungspunkte und Identifikationsmomente. Gerade darum dürften sie Jugendlichen bis heute gut tun. Denn in den sagenhaften oder phantastischen Welten der Hohlbeins sind Grauzonen selten. Die Jugendbücher erzählen von unbesiegbaren Freundschaften und befriedigenden Ha!-Momenten – wenn der Unterschätzte es allen zeigt. Das sei, sagen Frau und Herr Hohlbein, halt nun einmal, was ihnen selber am besten gefalle. Und anscheinend seien sie damit nicht allein.

Zusammen schreiben

Wolfgang Hohlbein ist 71 Jahre alt, Heike Hohlbein ein Jahr jünger. Wie sie über all die Jahre gemeinsam gearbeitet haben? Sie schauen sich an. Er zuckt mit den Schultern. Dann sagt sie: «Ich habe eine Idee und erzähle. Und er schreibt’s halt auf.» Er fügt an: «Wir konnten uns schon auch ein paar Tage darüber streiten, ob ein bestimmter Helm nun golden oder silbern sein soll.» Sind die Rüstungsdetails geklärt und bricht die Nacht herein, stellt Wolfgang Hohlbein beim Fernseher den Ton aus und beginnt zu schreiben.

Dass er zum Nachtschreiber wurde, hatte einst organisatorische Gründe. Er schrieb während der langweiligen Nachtschichten seiner regulären Arbeit. Später, mit sechs Kindern, war tagsüber einfach nicht genug Ruhe. Längst ist ihm die Nacht zur Gewohnheit geworden.

Dafür schläft Herr Hohlbein dann bis am Mittag – «vor 12 Uhr geweckt zu werden, empfinde ich als grobe Körperverletzung», sagte er einst bei einer Hohlbein-Familien-Doku auf RTL. Danach geht das Ideen-Pingpong zwischen dem Ehepaar Hohlbein los, bis die Nacht erneut hereinbricht, Frau Hohlbein auf dem Sofa einnickt und ihr Mann den Ton am Fernseher leiser stellt.

Workaholics in Slow Motion

Seine gut und gerne 1000-seitigen Romane schreibt der Schriftsteller von Hand auf einem Tablet, das die Handschrift sofort in ein Word-Dokument verwandelt. Wie das nächtliche Schreiben war auch das kein bewusster Entscheid, sondern eine Notlösung: «Ich hatte eine üble Augenkrankheit und war zwei Wochen blind. Die Ärzte konnten mir nicht sagen, ob ich je wieder sehen würde.» Rechts kam das Augenlicht zurück, links blieb der Silberblick. Zu lange auf einen Bildschirm starren, das ist für Hohlbein seither kaum noch möglich. «Ich bin langsamer, aber ich denke mehr über Worte und Sätze nach.»

Längst gäbe es allerdings auch eine Alternative: der Ruhestand. «Manchmal sage ich: Ich habe Zeit, ich bin in Rente», sagt Frau Hohlbein. «Die müsste man dann erst einmal noch beantragen, die Rente», antwortet er trocken. Nötig sei das aber nicht. Geld hätten sie genug und sowieso: «Rente ist doch die Zeit, in der die Leute dann endlich machen können, was sie schon immer tun wollten. Bei uns ist das seit fünfzig Jahren so.»

Wolfgang Hohlbein nennt seine Frau Heike das «magische Element» – in der Arbeit und im Leben sowieso.

Fallen sie aus dem Takt, etwa weil Herr Hohlbein eine Lesung hat und seine Frau zu Hause bleibt, vermissen sie einander. Rückzugsorte gibt es wenn, dann bloss in der traditionellen Rollenverteilung. Sie gärtnert und kocht, er brütet und schreibt. Sie kümmerte sich früher um die Kinder und heute um die Tiere, er um den vollen Kühlschrank. Sie ist direkt, er hört oft zu. Er beschwichtigt, sie setzt sich ein.

In beinahe perfekter Gegenteiligkeit walzern die beiden durch ihr Leben. Beide gönnen sich, so scheint es, alles und neiden einander nichts. Dass Heike Hohlbein mit auf den Büchern steht, obwohl sie keinen einzigen Satz geschrieben hat, findet Wolfgang Hohlbein nur recht. Dass er als Autor öfter genannt und interviewt wird als sie, findet sie logisch: Er sei ja nun einmal auch der Schriftsteller, nicht sie.

Hinter dem goldenen Gartenzaun

Wer die Dynamik zwischen Wolfgang und Heike Hohlbein verstehen will, muss einen Blick in Heike Hohlbeins Autogrammbuch werfen. Viele Autoren von Rang und Namen stehen darin, auch Musiker und Schauspieler. Sie alle haben die Hohlbeins im Laufe ihrer Karriere kennengelernt. Frau Hohlbein hat dann nach den Autogrammen gefragt. Pierre Brice etwa oder «diesen Asterix-Zeichner», Albert Uderzo.

Bei Wolfgang Hohlbein ist es anders. Nachdem die Hohlbeins ihren ersten Bestseller geschrieben hatten, wurden sie den anderen Autoren im Verlag vorgestellt. Dazu gehörte auch Michael Ende, Herrn Hohlbeins grosses Vorbild. Ende setzte sich zu dem Jüngeren an den Tisch – «und ich brachte kein Wort heraus». Als Hohlbeins bei einer Reise durch die USA viele Jahre später Stephen King sahen, getraute Herr Hohlbein sich nicht, sein zweites grosses Vorbild zu grüssen. «Da war die Ehrfurcht dann doch zu gross», sagt er.

Seine Frau setzt sich im Sofa auf und schüttelt den Kopf. «Ich versteh dich nicht», sagt sie, «ich wäre einfach zu dem hin. Du freust dich doch auch, wenn die Fans zu dir kommen.» Wolfgang Hohlbein hebt die Schultern. Dann putzt er mit dem Finger einen Ring weg, den die Kaffeetasse auf dem frisch gestrichenen Tisch hinterlassen hat.

Der gelbe Lotus

Während das Paar erzählt, geht die Tür zum Garten auf, und der älteste Sohn kommt mit einer Tüte voll Bücher herein. Hohlbein-Bücher, natürlich. «Zum Unterschreiben?», fragt sein Vater. «Ja, kannst du denn überhaupt schreiben?», fragt der Sohn trocken zurück.

Später, im Garten neben dem Koi-Teich, sagt der Sohn, allzu besonders sei das Aufwachsen als Hohlbein-Kind nicht gewesen. «Als wären wir die Kinder vom Bäcker Schmitt», sagt er und zuckt die Schultern. Statt Bücher wären ihm Brötchen vielleicht sogar lieber gewesen. Er, der den gleichen Namen trägt wie der Protagonist aus «Märchenmond», Kim, liest nicht gern. So geht es den meisten seiner Geschwister. Und sowieso: «Wir sind ja bescheiden.»

Gegönnt hat man sich aber trotzdem immer wieder einmal etwas. Wenn Hohlbeins darüber sprechen, was sie sich alles leisten können, tun sie das mit dem freudigen Unglauben eines Lottomillionärs. In der hohlbeinschen Garage steht neben einem schwarzen Alltagsauto auch ein rapsgelber Sportwagen von Lotus.

Damit wurde Wolfgang Hohlbein – langer Bart, zum Zopf gebundenes Haar, meist in dunklen Jeans und abgewetzter Lederjacke anzutreffen – einmal von der Polizei angehalten. Fahrzeugpapiere, Führerschein, Atemtest – die Beamten spulten das ganze Programm ab. Als sich herausstellte, dass alles in Ordnung war, habe der eine Polizist erstaunt zum anderen gesagt: «Du, der Lotus gehört ihm wirklich.»

Die Unterschätzten

Wie die Helden in ihren Büchern wurden auch Hohlbeins oft unterschätzt oder übergangen. Ein Autohändler ignorierte die älteren Leute in ihren bequemen Jeans und abgewetzten Lederjacken so lange, bis sie das Geschäft resigniert verliessen und zum Händler gegenüber gingen. Dort nahm man sich Zeit für die beiden, ohne zu wissen, dass sie sich locker den halben Laden hätten leisten können. Einfach aus Anstand. «Und darum fahren wir seither BMW», sagt Herr Hohlbein.

Auch im Literaturbetrieb nahm man Hohlbeins selten auf den ersten Blick ernst. «Einmal habe ich einen bekannten Autor, der beim gleichen Verlag war wie wir, um ein Autogramm gebeten», sagt Heike Hohlbein. Er habe sie grob weggeschickt – die Autogrammstunde sei um. Später, als sie beim Galadinner auf dem Ehrenplatz neben dem Verlagsleiter gesessen sei, habe der gleiche Autor von unten am Tisch erstaunt hochgeschaut. «Was macht denn die dumme Alte beim Chef, hat er sich wohl gefragt», sagt sie.

Es sei zwar verletzend, wie mit ihnen umgegangen werde, aber auch eine Genugtuung, die Leute eines Besseren zu belehren. Dafür steht der gelbe Lotus in der Garage. Er hebt Hohlbeins ab von den einfachen Leuten, die sie auch sein könnten.

«Früher gab es einen Dünkel», sagt Wolfgang Hohlbein, «im Literaturbetrieb und ganz grundsätzlich in der Gesellschaft. Aber heute muss man auch bei Leuten, die aussehen wie wir, damit rechnen, dass sie sich ein teures Auto leisten können. Oder eben wer sind.» Herr Hohlbein nimmt einen Schluck Kaffee. Winkt noch während des Trinkens ab: «Aber jetzt ist genug angegeben.»

Die Sache mit den Geschlechtern

Irgendwann begannen die Fans sich darüber zu beklagen, dass Hohlbeins Helden immer Jungs sind. Manchmal Männer. Nie Mädchen oder Frauen. Das habe er sich zu Herzen genommen. «Dann habe ich mal eine Geschichte geschrieben mit einer Protagonistin – und gemerkt, dass es bei meinen Geschichten wirklich nicht darauf ankommt. Buben und Mädchen sind bei mir komplett austauschbar.»

Darum habe er es dann bei dem Versuch belassen und fortan wieder männliche Protagonisten durch verwunschene Wüsten und vergeisterte Metrostationen gejagt. Aber, sagt er, es würde ihm absolut nichts ausmachen, wieder über eine Protagonistin zu schreiben.

Was ihn aber störe, sei diese inklusive Sprache, die alle mitmeinen wolle und doch keinen benenne. «Wenn irgendwann bei einer Veranstaltung jemand alle Autor*innen auf die Bühne bittet, dann steh ich nicht auf. Da bin ich ja nicht gemeint. Das könnten Sie genau so aufschreiben: Man soll sagen ‹Autorinnen und Autoren›. So viel Zeit muss doch sein.»

«Der Greif» wurde von Amazon Prime als Serie verfilmt. 2025 folgt die nächste TV-Serie.

Die KI könnte es auch

Hohlbeins waren schon immer eine Kuriosität im Literaturbetrieb. Langsam werden sie zu Relikten. Eine Karriere wie ihre wäre heute kaum noch denkbar. Hohlbeins leben von der Masse. Etwa 220 Romane hat Wolfgang Hohlbein in seinem Leben publiziert, mal alleine, oft mit seiner Frau, auch einige mit Tochter Rebecca oder dem besten Freund und Manager, Dieter Winkler. Aus dem Stand vermag er nicht alle Titel aufzuzählen. Aber wenn ihm jemand eine Seite vorlese, habe er bisher immer gewusst, aus welchem Buch sie stamme.

Auf den ersten Bestseller folgten zwar viele weitere. Den Kühlschrank gefüllt hätten aber viele Jahre lang Heftromane, Kurzkrimis oder eben die Barbie-Geschichten, die Hohlbein nebenher schrieb. Von einem einzigen Buch im Jahr könne in Deutschland keiner leben, sagt er. «Darum war ich hemmungslos, bin ich heute noch.» Aber die Zeit der Kioskromane ist vorbei, Verbrauchsliteratur, eine Geschichte wie die nächste, wird jetzt schon teilweise von künstlicher Intelligenz geschrieben und als E-Book auf Plattformen wie Amazon angeboten.

Neulich, sagt Herr Hohlbein, der der Technik durchaus zugewandt ist, habe er probehalber die KI eine Szene für sein neustes Buch schreiben lassen, «die war so gut, ich war versucht, sie zu benutzen. Das ist kein schönes Gefühl.» Er hat das Kapitel wieder gelöscht. Ein Hohlbein kommt von Menschenhand geschrieben daher, und das werde auch so bleiben.

Vom Bücherregal ins Bewegtbild

Seit einigen Jahren verdienen Hohlbeins ihr Geld öfter auch auf anderem Weg: Immer wieder schaffen es Hohlbein-Geschichten vom Bücherregal ins Bewegtbild. Letztes Jahr verfilmte Amazon Prime die Fantasy-Serie «Der Greif». Im Herbst lief der teuer aufgemachte Film «Hagen – im Tal der Nibelungen» im Kino, nächstes Jahr folgt die Ausstrahlung der dazugehörigen TV-Serie.

Denn heute sitzen die Kinder von einst an den Schalthebeln von Kultur und Wirtschaft. Wer mit den Hohlbeins aufwuchs, wurde davon geprägt. Was Michael Ende für die Babyboomer war, wurden Wolfgang und Heike Hohlbein für die Generation X. Harry Potter kam erst später.

Hohlbeins sind nicht nur Gegensätze, die ineinandergreifen, sie fallen auch auf. Vor allem Herr Hohlbein mit seinem langen, weissen Haar, Bart und Silberblick. Er werde oft von Fans angesprochen. Und hie und da passiere es, dass sie nicht merken, wann genug sei. Manchmal müsse er dann ein Machtwort sprechen. Einmal ging das so: «Ich spendiere euch jetzt noch ein Eis, und wenn ihr das habt, dann geht.»

Erkannt zu werden, findet Hohlbein trotz wenigen unangenehmen Erfahrungen wie dieser schmeichelhaft. Würde das nie passieren, wäre er enttäuscht. Wenn dann jemand fragt, ob er denn tatsächlich der Wolfgang Hohlbein sei, antwortet Wolfgang Hohlbein manchmal: «Ach nein, aber schön wär’s!»

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