Samstag, November 30

Mit Shaqiri ist der FCB nach langer Durststrecke zurück an der Tabellenspitze der Super League. Der Klubpräsident scheint aus Fehlern gelernt zu haben. Aber der Trainer weiss: Das Glück ist flüchtig.

Als Xherdan Shaqiri aus der weiten Welt nach Basel zurückkehrte, an einem schönen Tag im vergangenen August, da stellte er sich beim St.-Jakob-Park auf einen Balkon und sprach zum Volk, das sich unter ihm zu seinen Ehren versammelt hatte. Tausende standen da, viele in rot-blauen Leibchen, die Augen leuchtend.

Es dauerte damals nicht lange, bis der Heimkehrer vom «Barfi» sprach, dem Barfüsserplatz, wo der FC Basel einst Jahr für Jahr die Pokale präsentierte, die er gerade gewonnen hatte.

«Barfi», sagte Shaqiri, einmal, zweimal, und dass man dort hoffentlich bald wieder stehen werde. Das klang wie ein Versprechen, und ein ziemlich vermessenes, nach allem, was passiert war mit dem FCB in den letzten Jahren. An jenem Tag im August lag er auf Rang 6 der Super League; die Vorsaison hatte er auf Platz 8 beendet.

Doch dann schauten am letzten Sonntag, nach dem 3:1 gegen Servette, alle im St.-Jakob-Park auf die Anzeigetafel. Und dort stand: 1. FCB. Zum ersten Mal seit drei Jahren. Shaqiris Sätze vom August klangen da plötzlich nicht mehr so vermessen.

Gegen Servette erzielte Shaqiri alle drei Tore für den FC Basel. Fünf Treffer hat er nun schon erzielt und sieben weitere vorbereitet. Das alles gelang ihm in den letzten sieben Spielen. Von diesen hat der FCB sechs gewonnen, er hat in der Super League die meisten Tore erzielt, mit Abstand. Und er hat, zusammen mit dem FC Lugano, die wenigsten kassiert. Es gibt gerade wenig Statistiken, die nicht für die Basler und Shaqiri sprechen.

Shaqiri will geliebt werden

Nach dem Spiel gegen Servette steht Shaqiri vor einer Fernsehkamera. Heimsieg, drei Tore, Tabellenführung, zählt der Reporter auf. Und fragt, ob er schon einmal so viel Positives erlebt habe. Shaqiri antwortet, dass er schon viel Positives erlebt habe in seiner Karriere. Er macht das gerne, darauf hinweisen, wo er überall war auf der Welt, in München, Mailand, Liverpool, und was er alles gewonnen hat.

Aber Shaqiri geniesst es vor allem auch, wieder daheim zu sein. In Kaiseraugst zu wohnen, auf dem gleichen Stockwerk wie die Eltern. Vor den Freunden und der Familie aufzulaufen.

Als er noch in Chicago war, wo er bis im Sommer in der Major League Soccer spielte, setzte sich Shaqiri in ein Starbucks-Café – und niemand behelligte ihn, weil ihn niemand kannte. Als die NZZ ihn kürzlich zu einem längeren Gespräch traf, erzählte Shaqiri, wie anders das jetzt in der Schweiz sei. Dass alle etwas von ihm wollten, überall, immer. Dass die Leute manchmal schreiten, wenn sie ihn sähen. Es sei einfach interessant, dass das hierzulande passiere, sagte Shaqiri irgendwann. Und klang ziemlich zufrieden über seine Wirkung auf die Leute.

So ist Shaqiri: Er will geliebt werden, das gibt ihm Energie, das spornt ihn an. Und natürlich wird er nirgends so sehr geliebt wie in Basel.

Als die Verantwortlichen im FCB entschieden, Shaqiri nach Hause zu holen, gingen sie ein Risiko ein. Hohes Salär, Fragen zum Fitnessstand. Und zu Beginn sah es nicht danach aus, als könnte Shaqiri dem Team wirklich helfen. Zuweilen wirkte es, als funkte er auf einer anderen Frequenz als die Mitspieler.

Auch dazu hatte Shaqiri einen Shaqiri-Satz bereit: Es sei halt das eine, ihn auf Video zu sehen, und das andere, mit ihm zu spielen. Unterdessen rasen Kevin Carlos, Bénie Traoré und die anderen Basler Offensivspieler in die Tiefe, wenn Shaqiri am Ball ist. Sie wissen, dass dann der Pass kommt. Der Rückkehrer ist längst das Herz seiner Mannschaft.

Der Trainer Fabio Celestini lobte ihn jüngst überschwänglich. «Unglaublich» sei er, mit seiner Winner-Mentalität auch in der Kabine wichtig. Celestini hat das System auf Shaqiri zugeschnitten und nimmt es in Kauf, dass der Altmeister öfter einmal stehen bleibt, wenn er den Ball verloren hat. Und dieser Shaqiri dankt es, indem er den FCB wiederbelebt.

Vor einem Jahr lag der FC Basel hinter Stade Lausanne-Ouchy

Es ist noch nicht lange her, dass dieser FCB ein Verein in Trümmern war. Im Oktober 2023 lag er auf dem letzten Platz der Super League, noch hinter dem Aussenseiter Stade Lausanne-Ouchy; in einem Monat gelang ihm kein einziges Tor. Eine Demütigung für Basel, die stolze Fussballstadt.

Es war der Tiefpunkt in der Ära von David Degen, dem umtriebigen Präsidenten, der den Klub 2021 übernommen hatte – und ihn führte wie ein Aktienhändler. Degen holte Spieler zuhauf, jung mussten sie sein und talentiert. Kaufen, entwickeln, weiterverkaufen, so ging das, und oft ging es gut, wie im Fall von Riccardo Calafiori, Andy Diouf, Zeki Amdouni, Renato Veiga oder Thierno Barry. Für alle löste der FCB stattliche Millionensummen.

Ein Kommen und Gehen herrschte, auf dem Platz und daneben. Die Verantwortlichen bewiesen zwar ein exzellentes Auge für Talente, doch ein Team konnte nie heranwachsen. Dafür führte der Präsident Degen den Verein zu hektisch. Celestini ist der erste Trainer in der Degen-Ära, der länger als ein Jahr auf seinem Posten ist. Doch was wäre bei einer Niederlage gegen YB passiert, in jenem engen Spiel Anfang Oktober, in dem der FCB seine Erfolgsserie lancierte? Vielleicht wäre er dann weg gewesen, sagte Celestini später selbst. In Basel liegen Glück und Unglück immer noch nahe beieinander.

David Degen gab kürzlich dem «Blick» eines seiner seltenen Interviews – und äusserte sich durchaus selbstkritisch. Man habe vor einem Jahr bei der Kaderzusammenstellung vielleicht ein paar Fehler gemacht, sagte er. Er erkenne vielversprechende Spielerprofile, doch nur mit diesen gewinne man keine Titel. «Der Mix macht es aus», sagte Degen.

Eine revolutionäre Erkenntnis ist das nicht – im FCB anscheinend schon. Im Sommer investierte der Klub zwar wieder in viele junge, vielversprechende Aktien. Aber für einmal auch in eine etwas andere. Sie heisst Shaqiri und hat keinen Wiederverkaufswert, aber ein rot-blaues Herz.

Bis jetzt geht der Plan auf. In der Stadt herrscht Euphorie. Das Stadion ist seit Shaqiris Rückkehr gefüllt wie lange nicht mehr. Im Heimspiel gegen Lausanne vom Samstag ist der FC Basel erstmals seit langem wieder Leader, wobei er dafür beim Sieg gegen Servette zwei Tore in der Nachspielzeit brauchte. Eben: Das Glück ist flüchtig.

Ob der FCB die beste Mannschaft der Liga sei, wurde Celestini am Freitag gefragt. «Heute sind wir die Besten», antwortete er, «aber am Montag? Keine Ahnung.»

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