Mittwoch, Oktober 9

Zwölf Jahre nach seinem Abschied spielt der 32-jährige Fussballer wieder für den FC Basel. Eine ganze Stadt kann ihr Glück gerade kaum fassen – und träumt wieder gross.

Wer sich vor einem knappen Jahr nach Basel aufmachte, im Herbst 2023, der traf auf eine Fussballstadt, die versehrt war, mindestens, oder eher: verwundet.

Ihr grosser Stolz, der FC Basel, lag damals in der Super League auf dem letzten Platz. Im ganzen Monat Oktober war dem Klub kein einziges Tor gelungen. Selbst einem Cup-Spiel gegen den unterklassigen SC Kriens blickten die Anhänger damals bang entgegen. Nichts schien in jenen Tagen in der Stadt am Rhein undenkbar.

Zumindest das gilt in Basel auch jetzt, zehn Monate später, noch. Aber die Gedanken fliegen dort nun in ganz andere Richtungen, und ein einziger Fussballer hat das bewerkstelligt: Xherdan Shaqiri, der Basel einst als junger Mann verliess, nach München ging, nach Mailand, nach Liverpool. In die grosse Fussballwelt.

Tausende kommen, um ihn zu begrüssen

Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass Shaqiri zurückkommt in die Heimat, aus Chicago, wo er zuletzt gespielt hatte. Es ist eine der spektakulärsten Rückholaktionen in der Geschichte der Schweizer Super League und für sie deshalb eine hervorragende Nachricht.

Und in Basel, da kriegen sie sich vor Freude seither kaum mehr ein. Am Montagabend versammeln sich Tausende Menschen vor dem St.-Jakob-Park. Sie reden miteinander, nippen an einem Bier, schlecken an einer Glace. Doch immer wieder schweift ihr Blick nach oben, zum Balkon, auf dem Xherdan Shaqiri bald erscheinen soll, um ein paar Worte zu sagen, die ersten als neuer, alter Spieler des FC Basel.

Dann, endlich: Shaqiri.

Zuerst steht er einfach nur da und sagt nichts. Es würde auch nichts bringen, weil man ihn sowieso nicht hören würde. Als er dann spricht, bläst Shaqiri den FC Basel mit ein paar Sätzen wieder zu seiner alten Grösse auf. Ganz so, als habe es die vergangenen Jahre nicht gegeben.

Er spricht ganz schnell vom «Barfi»

Shaqiri landet bald einmal beim «Barfi», dem Barfüsserplatz, wo der FC Basel seine Meistertitel feiert. Er sagt das Wort «Chübel», ein Mal, ein zweites, immer wieder, «Chübel», das steht für den Pokal, für Titel. Und irgendwann: «Dr FCB isch zum Gwünne do.»

Jubel, natürlich, nach jedem Satz von Shaqiri. Gezündete Rauchbomben in Rot und Blau. Sprechgesänge. Gereckte Fäuste. Ein Verein, der wieder ganz bei sich ist. Dank einem Rückkehrer, der, so wird es am nächsten Tag ein Journalist formulieren, «wie ein Messias» begrüsst wird.

Als Shaqiri fertig ist, reihen sich die Menschen in eine Schlange ein. «Triff dr Shaq», so steht es auf einem Schild. Shaqiri sitzt an einem Tischchen, gibt ehrfürchtigen Kindern Autogramme und Vätern, die vor Aufregung schwitzen. Die Schlange will einfach nicht enden, und unten, im Fan-Shop, tragen die Leute stolz ihr neues Trikot nach Hause, Shaqiri, Rückennummer 10. Mehrere tausend gingen bereits über den Ladentisch.

So etwas, sagen sie in Basel, habe es selbst hier noch nie gegeben.

Shaqiri, der Star zum Anfassen, und die Leute greifen nach ihm, sie sind glücklich, dass sie das können: Shaqiri anfassen, auch: den FC Basel anfassen. Denn das war in den letzten Jahren gar nicht so einfach.

Auf dem Transfermarkt agierte der Klub da meist ganz kühl, er kaufte Fussballer, um sie weiterzubringen und sie dann weiterzuverkaufen. Das gelang ihm oft ganz gut, Zeki Amdouni ist ein Beispiel dafür, Andy Diouf, Dan Ndoye, Riccardo Calafiori, Renato Veiga.

Sie alle kamen und gingen rasch wieder; mit allen erzielte der FC Basel schöne Transfergewinne, doch das mit dem Anfassen war eine andere Sache. Und wer da noch gewesen wäre zum Anfassen, der hatte es immer schwerer, ein Taulant Xhaka, ein Fabian Frei, ein Michael Lang.

Am Montag spricht Shaqiri zu den Fans. Am Dienstag setzt er sich im St.-Jakob-Park dann vor die Medien. Und plötzlich schleichen sich in seine Sätze kleine Relativierungen ein.

Der Sportchef will die Ziele nicht anpassen

Man müsse am Boden bleiben, sagt Shaqiri. Merkt an, dass der FC Basel im letzten Jahr ja nur Achter geworden sei und schon lange keinen grossen Titel mehr gewonnen habe. Spricht davon, dass er für drei Jahre unterschrieben habe und nicht für eines. Es Zeit brauche. Aber irgendwann müsse für den FC Basel schon wieder um Titel gehen.

Irgendwann, wann ist das? Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen: Diese Frage dürfte in Basel noch zu reden geben, nun, da Shaqiri zurück ist. Noch immer rollt ein Tram in den Farben des Klubs durch die Stadt, auf dem «Maischter-Express» zu lesen ist. Zur Erinnerung: den letzten Meistertitel hat der FC Basel 2017 gewonnen.

Neben Shaqiri sitzt Daniel Stucki, der Sportchef des Klubs. Er freut sich über den Transfercoup, der dem FCB gelungen ist. Sagt, dass es für den FC Basel «ein extrem grosser Erfolg» sei, dass Shaqiri zurück ist. Doch die Saisonziele mag Stucki deswegen nicht öffentlich anpassen. Nennt als erstes Ziel die Finalrunde. Spricht vom Anspruch, international zu spielen.

Als er ging, sassen Frei, Streller und Abraham in der Kabine

Shaqiri selbst betont, was er schon am Tag zuvor den Fans zugerufen hat: Dass es für ihn nur noch den FC Basel gegeben habe, auch wenn er anderswo «definitiv viel mehr» verdient hätte. In Basel will er ein Leader sein, seine Winner-Mentalität einbringen. Er wohnt jetzt vorübergehend wieder zu Hause in Kaiseraugst, in der Wohnung der Eltern, in der noch ein altes Meistertrikot von ihm hängt.

Am Nachmittag gibt es ein öffentliches Training mit Shaqiri, es ist sein erstes als Spieler des FC Basel seit 2012. Als er damals den Klub in Richtung München verliess, standen Spieler wie Alex Frei und Marco Streller im Kader, wie Gilles Yapi und David Abraham, wie Granit Xhaka und Yann Sommer.

Derlei Ausstrahlung fehlt dem FC Basel in dieser Saison, das kann auch Shaqiris Zugang nicht ändern. Zuletzt hat das Team in der Meisterschaft zwei Mal gewonnen, auswärts gegen Servette gar 6:0 – Aufwärtstrend. Doch jetzt ist Shaqiri da und Thierno Barry, der Topskorer, wohl bald weg. Bei aller Euphorie: Ein Stück weit geht damit alles wieder von vorne los, wie so oft in letzter Zeit.

Am Sonntag steht das nächste Spiel an für die Basler, gegen Yverdon-Sport. Für Shaqiri könnte es das erste sein nach seiner Rückkehr. Er hat zwar seit der EM nicht mehr gespielt und sagt, er sei noch nicht bei 100 Prozent. Doch natürlich wolle er der Mannschaft schnellstmöglich helfen.

Er trainiere ja nun zum ersten Mal mit der Mannschaft, sagt Shaqiri noch, und natürlich wolle er sich für einen Einsatz empfehlen. Dann lacht er wie einer, der sich seiner Sache ziemlich sicher ist. Wie Shaqiri eben.

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