Donnerstag, März 6

Natürlich geht Chinas Wirtschaftsschwäche auch auf die geopolitischen Spannungen zurück. Doch ein Grossteil der Probleme ist hausgemacht.

Der Arbeitsbericht, den der chinesische Ministerpräsident Li Qiang am Dienstag den knapp 3000 Delegierten des Nationalen Volkskongresses vorlegte, liest sich in weiten Teilen wie ein Krisenreaktionsplan, und das aus gutem Grund.

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Auch wenn Chinas Bruttoinlandprodukt nach offiziellen Angaben im vergangenen Jahr um 5 Prozent gewachsen ist, zeigt die Wirtschaft quer durch alle Sektoren deutliche Krisensymptome. So fielen die Investitionen privater Firmen im vergangenen Jahr um 0,1 Prozent. Viele Unternehmen müssen Mitarbeiter entlassen oder können die Löhne nicht mehr zahlen, das Verbrauchervertrauen ist schwach.

Um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen, muss Peking jetzt viel Geld ausgeben. Das Haushaltsdefizit soll in diesem Jahr auf ein Rekordhoch von 4 Prozent klettern.

Neue Schulden in Höhe von 690 Milliarden Franken

China wird neue Schulden im Umfang von umgerechnet 690 Milliarden Franken machen. Das sind fast 200 Milliarden Franken mehr als im vergangenen Jahr. Mit mehr als 61 Milliarden Franken will die Regierung angeschlagene Staatsbanken rekapitalisieren. Zusätzlich will Peking den teilweise hoch verschuldeten Lokalregierungen umgerechnet rund 540 Milliarden Franken zur Verfügung stellen.

Natürlich haben auch die geopolitischen Spannungen, vor allem die Sanktionen der USA, zu der jetzigen Konjunkturflaute geführt. Doch die Hauptverantwortung trägt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Mit seinen politischen Entscheidungen hat er zu der jetzigen Krise beigetragen. Die Zeche zahlt am Ende der einfache Chinese.

Im Jahr 2021 machte sich Xi daran, den boomenden Sektor mit privaten Bildungseinrichtungen zu zerschlagen. Chinas starker Mann wollte die Familien von finanziellem Druck entlasten und für eine Reduzierung des Lernpensums bei Schülern sorgen.

Gut gemeint, schlecht gemacht

Doch was zunächst gut gemeint war, führte zur Vernichtung von Millionen von Arbeitsplätzen. Bis Oktober 2022 war die Zahl der privaten Schulen, in denen Schüler nach dem regulären Unterricht lernen, von 124 000 auf 4932 gesunken. Die Zahl der Anbieter von Online-Nachhilfe sank von 263 auf 34.

Bereits ein Jahr zuvor hatte Xi dem ebenfalls boomenden Tech-Sektor einen schweren Schlag versetzt. Die Regierung überzog die Branche mit einer Vielzahl neuer Gesetze und Vorschriften. In vielen Firmen hatten auf einmal Parteikader und nicht mehr die Manager das Sagen.

Die Folge: Während der ersten drei Monate 2022 schrumpften die Investitionen chinesischer Tech-Firmen im Vergleich zum Vorquartal um 42,6 Prozent. Im Vergleich zum ersten Quartal 2021 betrug das Minus sogar 76,7 Prozent. Allein zwischen Juli 2021 und März 2022 verloren 218 600 Menschen ihre Jobs.

Konzerne missbrauchten ihre marktbeherrschende Stellung

Natürlich gab es auch in der Technologiebranche Handlungsbedarf. Grosse Konzerne wie der Lieferdienst Meituan oder die E-Commerce-Plattformen von Alibaba hatten ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht.

Doch auch hier schoss Xi übers Ziel hinaus. Statt mit behutsamen und überlegten Eingriffen für eine Beseitigung vorhandener Missstände zu sorgen, bevorzugt Xi viel zu oft die Shock-and-Awe-Methode.

Ähnliches gilt für den Angriff 2021 auf den ohne Zweifel überhitzten Immobiliensektor. Mit seiner Politik der drei roten Linien zur Kapitalausstattung der Immobilienentwickler zwang Xi den Markt innerhalb von Monaten in die Knie.

Da rund 70 Prozent der privaten Vermögen in Häusern und Wohnungen gebunden sind, erstaunt es kaum, dass sich Chinesinnen und Chinesen jetzt mit grösseren Anschaffungen zurückhalten.

Xi dreht das Rad wieder zurück

Inzwischen hat Xi bei einigen seiner Entscheidungen eine Kehrtwende vollzogen. So wurden die strengen Auflagen für den Bildungssektor wieder gelockert; Online-Anbieter dürfen wieder operieren. Am 17. Februar lud Xi ausserdem die Chefs der wichtigsten Tech-Firmen zu einem Symposium und versicherte ihnen, die Regierung stehe hinter ihnen.

Nicht mehr rückgängig machen kann Xi seine Null-Covid-Politik, an der er viel zu lange festhielt. Nach Schätzungen von Goldman Sachs verschlangen im Jahr 2021 allein die Covid-Tests 370 Milliarden Dollar. Zahlen mussten dafür die lokalen Regierungen Chinas. Kein Wunder, dass Peking diesen jetzt mit viel Geld wieder auf die Beine helfen muss.

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