Dienstag, Oktober 1

Nach dem miserablen Super-League-Start müssen die Berner ihr Vokabular um den Begriff Kellerduell erweitern. Der YB-Trainer Patrick Rahmen hat bei seiner Rückkehr nach Winterthur keine Geschenke zu verteilen.

Eigentlich haben sie den Begriff in Bern ja schon vor vielen Jahren aus dem Wortschatz verbannt. Aber am späten Dienstagabend, nach der 0:3-Niederlage gegen Aston Villa in der Champions League, führt ihn ein Reporter kurzerhand wieder ein. Das möge komisch klingen, sagte er, aber jetzt stehe ja in der Super League dieses «Kellerduell» an, am Wochenende, gegen Winterthur.

Unter der Woche Champions League, Sterne überall im Wankdorf, dazu ein Gast aus der Premier League, der reichsten Liga der Welt. Und am Wochenende, so komisch es auch klingen mag: Kellerduell, auf der Schützenwiese, gegen den FC Winterthur. Im YB-Universum gibt es in der Spielzeit 2024/25 zwei Planeten, und bis jetzt scheint es, als ob sie von zwei völlig verschiedenen Expeditionen bereist würden.

In der Meisterschaft wartet der Meister nach sechs Spielen immer noch auf einen Sieg, als einziges Team der Liga. Die Berner haben nur drei Punkte gewonnen und liegen auf dem letzten Platz. So schlecht sind sie noch gar nie in eine Super-League-Saison gestartet.

Direkt vor den Young Boys liegt Winterthur, der Aussenseiter, der auch erst vier Punkte gewonnen hat, wie die neuntklassierten Grasshoppers. Und nun sind Winterthur und GC die nächsten Gegner von YB in der Meisterschaft.

Die Young Boys stehen darum nicht nur vor einem, sondern gleich vor zwei Kellerduellen. Es werden wegweisende Spiele für sie, Spiele, die sie gewinnen müssen, es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Die Saison ist zwar noch jung. Doch schon jetzt beträgt der Rückstand auf den Leader Lugano zehn Punkte.

Die Berner Hypothek sollte nicht mehr grösser werden

Eine solche Hypothek abzutragen, wird so oder so eine komplizierte Aufgabe. Grösser sollte sie darum keinesfalls werden. Zumal die Champions League zwar Ruhm, Ehre und Geld bringt, aber im neuen Format auch acht statt wie bisher sechs zusätzliche Spiele, die YB bis in den Januar hinein stark beanspruchen werden.

Als es am Dienstagabend schon um das nächste Wochenende ging, um das Kellerduell gegen Winterthur, da verlor der YB-Trainer Patrick Rahmen nur ein paar Sätze dazu. Doch sie liessen tief blicken.

«Vollen Fokus» auf das Winterthur-Spiel versprach Rahmen. Sagte, dass jeder spüren solle, «dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollen». Das klang erst einmal nach Worthülsen, wie sie Fussballtrainer gerne von sich geben. Doch sie veranschaulichten, woran es den Bernern in dieser Saison auf Schweizer Fussballplätzen zuweilen fehlte. Es waren die elementaren Dinge, eben: Fokus. Siegeswille.

Das Ausland dagegen war für die Young Boys in dieser Saison eine Art Kraftquelle. Als sie Galatasaray Istanbul in den Play-offs zur Champions League besiegten, taten sie das in eindrucksvoller Manier. Als die Berner Expedition dann wieder auf die Schweizer Plätze zurückkehrte, hatte das mit den internationalen Auftritten nur wenig gemein: 1:1 gegen Lausanne, dann, im Cup, ein mühsam errungenes 4:2 in Vevey, inklusive eines preisgegebenen Zwei-Tore-Vorsprungs.

Am Dienstag gegen Aston Villa war YB stark in den Match gestartet. Es war voller Willen, voller Mut auch, und voller Fokus. Doch es brauchte nur einen einzigen Fehler, und das ganze Selbstverständnis stürzte ein. Nach einem Eckball gewährten die Berner Youri Tielemans nicht einmal Geleitschutz – 0:1.

Fragilität und fehlende Führungsspieler

Ein paar Minuten später kam ein YB-Verteidiger auf die Idee, im eigenen Strafraum und in grosser Bedrängnis einen Rückpass zu spielen – 0:2. Der Lapsus unterlief ausgerechnet Mohamed Ali Camara, dem Abwehrchef. Die Szene illustrierte eines der Berner Probleme: Es fehlt an Führungsspielern. Und jenen, die diesen Statuts innehaben, unterlaufen auch noch derartige Missgeschicke.

Nach dem Spiel gegen Aston Villa lobten sich die Berner für ihre starke Startphase, doch am Ende blieb ein anderer Eindruck hängen: dass die Young Boys auch im internationalen Geschäft fragiler geworden sind. Ein Spiel, das sie verlieren dürfen, verlieren sie auf eine Art, wie sie es eigentlich nicht verlieren dürften.

Und jetzt also Winterthur. Für Patrick Rahmen ist das Spiel besonders bedeutsam. In der Vorsaison war er noch der Chef auf der Schützenwiese und empfahl sich dort für den begehrtesten Trainerposten des Landes, jenen in Bern.

In Winterthur wurde Rahmen mit Applaus verabschiedet. Jetzt kehrt er als Trainer von YB zurück, dessen Team in dieser Saison schon Pfiffe zu hören bekam. Er trifft auf Ognjen Zaric, seinen Nachfolger, der in Winterthur zuvor sein Assistent gewesen war. Rahmen sagt am Freitag, es sei ein «spezieller Moment» für ihn, diese Rückkehr, auch, weil man ihm in Winterthur den Wechsel nach Bern gegönnt habe.

Doch für sentimentale Gefühle ist am Sonntag kein Platz. Rahmen braucht dann den Sieg, und er braucht dafür das YB vom Planeten Champions-League-Qualifikation. Er findet zwar, dass es nur ein YB gebe. Und dass dieses eine YB in der Schweiz nicht so schlecht gewesen sei, wie es der Punktestand vermuten lasse. Er sagt, man müsse die einzelnen Spiele anschauen, das «gesamte Bild» betrachten. Aber auch er weiss, dass am Ende nur eines zählt: die Tabelle.

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