Montag, Oktober 7

Nach dem 3:2 im Hinspiel erwartet die Berner am Dienstag in der türkischen Metropole gegen Galatasaray Istanbul ein Charaktertest. Das ist nicht erst seit der berüchtigten WM-Barrage 2005 des Schweizer Nationalteams Allgemeinwissen.

Nach der 2:3-Niederlage in Bern lässt sich Okan Buruk über die Nationalität des deutschen Schiedsrichters aus. Der 50-jährige Galatasaray-Trainer weist auf die geografische Nähe von Deutschland und der Schweiz hin und streut Zynismus ein, als er sich für das Rückspiel als Referee einen Aserbaidschaner wünscht, «der Türkisch spricht».

Als Buruk nach dem Hinspiel in der vergangenen Woche spätabends den Medienraum im Wankdorfstadion verlässt, zeigt er auf türkische Personen, «die im Medienraum nichts verloren haben». Was da auch immer ist: Besagte zwei Personen sitzen ruhig da. In der Hitze des Abends ruft ein Mediensprecher von Galatasaray nach dem Sicherheitsdienst: «Where is security?» Der Uefa-Delegierte versucht zu beruhigen.

Eigentlich müsste Okan Buruk abermals gesperrt werden

Die Frage an den Abgesandten der Uefa wäre vielmehr, ob er die Worte Buruks überhaupt mitbekommen hat. Eigentlich müsste Buruk für eine solche Aussage über Schiedsrichter zur Rechenschaft gezogen werden. Für die zwei Spiele gegen YB ist er von der Uefa bereits auf die Tribüne verbannt worden, weil es 2023 nach Galatasarays 1:4 im Europa-League-Spiel in Prag an der Seitenlinie zu Tumulten gekommen war. Buruk wurde in der 98. Minute des Feldes verwiesen und wegen unsportlichen Verhaltens für zwei internationale Spiele gesperrt. Der Spielanalyst von Galatasaray erhielt sogar eine Sperre für drei Partien.

Das ist der emotionale Boden, auf dem Galatasaray und YB um den Einzug in die Champions League spielen. Kein Deutscher und kein Aserbaidschaner wird das Rückspiel leiten, sondern ein Norweger. Zu hoffen ist, dass YB im Ali Sami Yen Spor Kompleksi nicht so empfangen wird wie Manchester United in der Champions League 2023. Da prangte auf der Tribüne in riesigen Buchstaben «Welcome to hell».

Der Hintergrund dafür ist ein Europacup-Spiel von 1993, als Manchester United und der damals 52-jährige Trainer Alex Ferguson in Istanbul schon am Flughafen unerträgliche Zustände über sich ergehen lassen mussten, eingeschüchtert wurden und nach dem 0:0 im Europacup ausschieden. Das war noch im alten Ali-Sami-Yen-Stadion, der früheren Heimstätte von Galatasaray.

Auch der FC St. Gallen hat unschöne Erinnerungen

Beobachter erinnern sich daran, in welch bedrohlicher und hasserfüllter Atmosphäre der Bus mit den Schweizer Medienleuten zum Stadion gefahren worden war, bevor im Jahr 2000 der FC St. Gallen beim 2:2 in Istanbul gegen Galatasaray den Sprung in die Königsklasse verspielte.

«Welcome to hell» – mit solchen Worten wurden auch die Schweizer Fussballer 2005 in der berüchtigten und am Ende ausser Kontrolle geratenen WM-Barrage im Istanbuler Flughafen empfangen. Bereits das Hinspiel in Bern war aufgeladen gewesen. Mit dabei als türkischer Nationalspieler: Okan Buruk. Als er 2024 gefragt wird, welche Erinnerung er an das Wankdorfstadion habe, weicht er aus. Er hoffe auf ein schönes Spiel ohne Verletzungen, sagt der Galatasaray-Trainer. Geraune im Raum. Das Hinspiel ist für das Publikum tatsächlich sehenswert.

Nach dem 3:2 gilt für die Berner vor dem Rückspiel in der Türkei Ähnliches wie am Donnerstag für den FC Lugano in der Europa League (im Hinspiel 3:3 gegen Besiktas Istanbul) und den FC St. Gallen in der Conference League (0:0 gegen Trabzonspor): Womöglich haben die Schweizer Klubs mindestens ein Tor zu wenig erzielt. Es braucht nicht näher erläutert zu werden, weshalb Fussballreisen nach Istanbul zu Charaktertests werden können.

Vor allem bei YB geht es um viel Geld, was der Vergleich der Zahlen der Jahre 2022 und 2023 zeigt. Mit der Champions League stiegen die Einnahmen 2023 vor allem im Ticketing und dank den Uefa-Prämien markant an. Gleichzeitig frappieren die Mehrkosten der Saläre. Das ist der Beleg dafür, dass die Angestellten in Bern vor allem gut verdienen, wenn sie Erfolg haben.

Bei einem Aus gibt’s fast 9 Millionen Euro

Doch von Erfolg kann in den YB-Reihen im Moment nicht gesprochen werden, zu schlecht ist der Saisonbeginn in der Meisterschaft mit 5 Spielen und 2 Punkten. Dennoch ist Matteo Vanetta, der unlängst als Assistenztrainer und Krisenhilfe nach Bern zurückgekehrt ist, überzeugt von der Qualität im Team. «Es gibt immer wieder düstere Momente im Leben», sagte er nach dem Hinspiel gegen Galatasaray, «ich bin mir sicher, dass sich das bei YB schnell wieder ändert.»

Laut Vanetta darf YB in Istanbul mit dem knappen Vorsprung «nicht kalkulieren», sondern muss auf die «eigene Qualität» setzen. Der Stürmer Silvère Ganvoula sagt, dass es là-bas «schwierig» werde. YB müsse die Anstrengungen «verdoppeln». Vor allem müssen die Berner die Emotionen kanalisieren, damit sie im Ali Sami Yen Spor Kompleksi nicht untergehen. Scheiden sie aus, nehmen sie immerhin fast 9 Millionen Euro für das Play-off und für die Qualifikation für die Europa League mit.

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