Mittwoch, Juli 30

In einem beliebten Ferienort in den Bergen Nordindiens eröffnen Angreifer das Feuer auf eine Menschenmenge. Indische Medien sprechen von fast 30 Toten. Dabei hatte die Gewalt in Kaschmir eigentlich abgenommen.

Sie waren in die Berge von Kaschmir gekommen, um das kühle Wetter, die frische Luft und die grünen Wiesen zu geniessen. Für fast 30 Touristen endete der Ausflug jedoch tödlich, als am Dienstag bewaffnete Angreifer unvermittelt das Feuer eröffneten. Mehrere Terroristen hätten auf eine Menge gefeuert, die sich in der Nähe des Ferienorts Pahalgam auf einer Wiese versammelt habe, berichteten indische Medien. Der Chefminister von Jammu und Kaschmir, Omar Abdullah, sprach vom grössten Anschlag auf Zivilisten seit Jahren.

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Indiens Premierminister Narendra Modi, der sich zu einem Besuch in Saudiarabien befand, verurteilte den Gewaltakt. Innenminister Amit Shah eilte an den Ort des Anschlags in Kaschmir. Die Regierung machte zunächst keine Angaben zu den Opferzahlen. Die Zeitung «The Hindu» berichtete jedoch am Abend unter Berufung auf Regierungsvertreter von 26 Toten, unter ihnen zwei Touristen aus Israel und Italien. Mindestens 13 Verletzte seien im Spital behandelt worden.

Pahalgam ist ein beliebter Touristenort auf 2200 Metern Höhe am Rand des Kaschmirtals. Der Ort liegt rund 40 Kilometer östlich der Gebietshauptstadt Srinagar am Fuss hoher Berge und verfügt über zahlreiche Hotels sowie einen Golfplatz. Viele wohlhabende Inder suchen während der heissen Sommermonate dort der Hitze in der Ebene zu entkommen. Die Landschaft erinnert mit den verschneiten Berggipfeln, grünen Wiesen und Nadelholzwäldern an die Alpen.

Die Gewalt war in den letzten Jahren zurückgegangen

Für den Angriff übernahm die nur wenig bekannte Terrorgruppe The Resistance Front (TRF) die Verantwortung. Die Gruppe war erstmals 2020 in Erscheinung getreten und gibt sich ein betont nichtreligiöses Image. Laut lokalen Medien handelt es sich aber in Wahrheit um eine Abspaltung der islamistischen Terrorgruppe Lashkar-e Toiba (LeT), die nach Überzeugung westlicher Staaten vom pakistanischen Geheimdienst unterstützt wird. Womöglich handelt es sich auch um eine reine Frontorganisation für die LeT und andere Gruppen.

Das Kaschmirtal ist seit Jahrzehnten der Schauplatz eines blutigen Separatistenkonflikts. Nach der Unabhängigkeit 1947 hatten sich Indien und Pakistan einen Krieg um die mehrheitlich muslimische Himalajaregion geliefert. Seither ist die Region zwischen den beiden Staaten geteilt, wird jedoch von beiden in Gänze beansprucht. Seit 1989 kämpfen mehrere Separatistengruppen für den Anschluss Kaschmirs an Pakistan oder die Unabhängigkeit von Indien.

Wegen des Aufstands hat Indien seit Jahren Hunderttausende Soldaten in Kaschmir stationiert. Das Tal ist damit eines der am stärksten militarisierten Regionen der Welt. Viele Einwohner empfinden die Militärpräsenz als Belastung, doch hat der Rückhalt für die Separatisten abgenommen. Auch die Gewalt ist seit längerem rückläufig. So ist die Zahl der Toten laut der Organisation South Asia Terrorism Portal im vergangenen Jahr auf den tiefsten Stand seit 2012 gesunken.

Modi lehnt eine Wiederherstellung des Autonomiestatus ab

Die politische Situation in Kaschmir bleibt allerdings angespannt. Die Hindu-nationalistische Regierung von Premierminister Modi hatte im Jahr 2019 ihr langjähriges Wahlkampfversprechen wahr gemacht und der Region ihren Sonderstatus entzogen. Jammu und Kaschmir, das bis dahin ein eigener Teilstaat mit besonderen Autonomierechten war, wurde damit zu einem Unionsterritorium herabgestuft und direkt der Kontrolle der Zentralregierung in Delhi unterstellt.

Im vergangenen Oktober haben erstmals seit Jahren wieder Wahlen in Kaschmir stattgefunden. Die Befugnisse der Regionalregierung unter Leitung von Omar Abdullah sind aber weiterhin eingeschränkt. Abdullah wertete seinen Wahlsieg zwar als Votum für die Wiederherstellung des Autonomiestatus. Die Regierung Modi macht bis jetzt aber keine Anstalten, den Verfassungsartikel 370 wieder einzusetzen, in dem die Autonomie von Kaschmir festgeschrieben war.

Welche politischen Folgen der Terroranschlag in Pahalgam haben wird, bleibt abzuwarten. Im Februar 2019 hatte ein Selbstmordanschlag auf einen indischen Militärkonvoi mit mehr als 40 Toten Indien und Pakistan an den Rand eines Krieges gebracht, als Modi zur Vergeltung ein mutmassliches Terroristenlager auf der pakistanischen Seite der Grenze bombardieren liess. Seither konnte eine grössere Eskalation zwischen den Nuklearmächten aber vermieden werden.

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