Sonntag, Januar 12

Zum Glück hat die Nationalbank vor zehn Jahren eingesehen, dass der Euro-Mindestkurs ein Fehler war. Für die Schweiz ist die unabhängige Währung ein Segen.

Einen solch traumatischen Tag muss die Schweiz hoffentlich nie mehr erleben. Am Vormittag des 15. Januar 2015, exakt um 10 Uhr 30, sackte der Euro-Kurs wie ein Stein in die Tiefe. Zahlte man zuvor noch 1.20, so fiel der Wert innert Sekunden auf unter einen Franken. Auch die Börse crashte und verlor dramatische 14 Prozent.

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War die Schweiz gerade dabei, ihren ganzen Wohlstand zu verspielen? Verantwortlich für das vermeintliche Desaster war die Schweizerische Nationalbank (SNB). Sie beschloss völlig unerwartet, den Franken vom Euro zu entkoppeln, nachdem sie zuvor über Jahre einen fixen Mindestkurs garantiert hatte.

Über den SNB-Präsidenten Thomas Jordan brach ein Sturm herein. Die Boulevardzeitung «Blick» sprach vom «Job-Killer der Nation» und illustrierte ihn als Monster Godzilla, das eine ganze Stadt verwüstet. Die Gewerkschaftszeitung «Work» zeigte ihn vor einer brennenden Fabrik mit dem Titel: «Jordan, der Zerstörer».

Das Vertrauen in die SNB war angeschlagen. Denn noch in der Vorwoche hatte Thomas Jordan im Schweizer Fernsehen beteuert, man werde eine Aufwertung des Frankens nicht zulassen, weil der Schaden für das Land zu gross sei. «Der Mindestkurs ist absolut zentral, um adäquate monetäre Bedingungen für die Schweiz aufrechtzuerhalten», hielt er fest.

Souveränität fördert den Wohlstand

Noch selten hat eine Notenbank die Märkte derart krass an der Nase herumgeführt. Trotzdem: Der Entscheid, den Mindestkurs aufzuheben, war absolut richtig. So schmerzvoll die Abnabelung vom Euro kurzfristig auch war: Die Schweiz hat dafür ihre Unabhängigkeit in der Währungspolitik zurückgewonnen. Und diese Souveränität ist für den Wohlstand unseres Landes von unschätzbarem Wert.

Dies zeigte sich spätestens beim weltweiten Ausbruch der Inflation. In Deutschland kletterte die Jahresteuerung auf horrende 8,8 Prozent und in Österreich gar auf 11,2 Prozent. In der Schweiz dagegen erreichte sie lediglich 3,5 Prozent. Denn eine starke Währung schützt die Kaufkraft der Konsumenten.

Auch die Unkenrufe, wonach der harte Franken die Exportwirtschaft und den Tourismus ruiniere, haben sich durchs Band als falsch erwiesen. Selbst nach dem Franken-Schock kam es weder zu einer Rezession noch zu einer Entlassungswelle. In der Schweiz ist die Industrieproduktion seit 2011 um stolze 40 Prozent angestiegen. Dagegen war sie in Deutschland rückläufig – obwohl sich der Euro zum Franken um 30 Prozent verbilligt hat.

«Der starke Franken ist kurzfristig unser härtester Feind und langfristig unser grösster Freund», bringt es Martin Hirzel, der Präsident des Industrieverbands Swissmem, auf den Punkt. Die harte Währung wirkt für die Schweizer Firmen wie ein Fitnessprogramm. Sie mussten ihre Produktivität konstant verbessern, während die deutschen Exporteure nun in einer tiefen Krise stecken.

Mindestkurs war ein Fehler

Sosehr sich die Loslösung vom Euro also gelohnt hat: Dass die SNB einen solchen Mindestkurs im Jahre 2011 überhaupt eingeführt hatte, war rückblickend ein Fehler. Das gescheiterte Experiment hat deutlich vor Augen geführt, dass die Schweiz und die Euro-Zone zu verschieden sind, als dass sich ihre Währungen aneinanderketten liessen. Namentlich die Versprechungen der europäischen Politiker, man verfolge eine solide Finanzpolitik, waren schon immer höchst unglaubwürdig. Gegenwärtig leistet sich Frankreich ein Budgetdefizit von 6 Prozent der Wirtschaftsleistung – ohne dass ein Sparprogramm absehbar wäre.

Die hohen Schulden und das geringe Wachstum in der Euro-Zone sorgen dafür, dass wieder vermehrt ausländisches Kapital in den «sicheren Hafen» Schweiz fliesst – und der Aufwertungsdruck auf den Franken erneut zunimmt. Bereits hat die SNB gegengesteuert und den Leitzins auf tiefe 0,5 Prozent reduziert.

Einmal mehr drohen gar Negativzinsen. Diese sind in der Bevölkerung äusserst unbeliebt. Aus gutem Grund: Sie benachteiligen die Sparer und heizen die Immobilienpreise an. Somit bleibt als letzte Waffe, um die Frankenaufwertung zu bremsen, der Kauf von ausländischen Währungen. Weil aber die Devisenreserven schon jetzt hohe 740 Milliarden Franken erreichen, kann die SNB auch hier nur mit angezogener Handbremse agieren.

Trotzdem: Die Schweiz kann gelassen bleiben. Statt gegen die Stärke des Frankens ankämpfen zu wollen, sollten wir sie lieber in Ehren halten. Denn, das hat der Schock vor zehn Jahren gezeigt: Eine harte Währung bedeutet nicht nur Schweiss und Anstrengung für die Wirtschaft. Sie bringt dem Land vor allem Prosperität und Wohlstand.

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