Mittwoch, Dezember 25

Karam al-Masri / Reuters

Nach dem Sturz von Bashar al-Asad werden Syrer zunehmend dazu aufgerufen, in ihre Heimat zurückzukehren. Doch nach Jahren des Bürgerkriegs liegen grosse Teile des Landes in Trümmern. Eine visuelle Analyse.

Fast 14 Jahre lang herrschte Bürgerkrieg in Syrien. Hunderttausende Menschen verloren ihr Leben, Millionen wurden vertrieben oder verliessen ihr Land, Dörfer und Städte wurden zerstört. Die Bilder von zerbombten Häusern und notleidenden Menschen gingen um die Welt. Nun ist Syriens langjähriger Machthaber Bashar al-Asad gestürzt, und immer mehr Syrer kehren in ihre Heimat zurück. Viele möchten wissen, was von ihrer Wohnung, ihrem Haus, ihrer Nachbarschaft noch übrig ist.

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Der Krieg hat im ganzen Land seine Spuren hinterlassen. Doch nicht alle Orte sind gleich stark beschädigt. Auch innerhalb einzelner Städte gibt es grosse Unterschiede: Manche Stadtteile wurden so stark bombardiert, dass sie nur noch aus Trümmern bestehen. In anderen sind die Kriegsfolgen kaum sichtbar.

Der Fokus dieser Analyse liegt auf den Städten Duma, Aleppo und Idlib. Sie zeigen exemplarisch das Ausmass der Zerstörung, einzelne Versuche des Wiederaufbaus sowie die Lebensbedingungen vieler Menschen in Syrien.

Die für die Karten verwendeten Daten stammen aus dem Jahr 2016. Die Situation hat sich seither jedoch kaum verbessert: Zerstörte Strassen und Gebäude wurden nur in Ausnahmefällen wieder aufgebaut.


Duma: Ein Vorort von Damaskus liegt in Trümmern

Die Stadt Duma in der Nähe von Damaskus erlangte während des Bürgerkriegs traurige Berühmtheit: Am 7. April 2018 soll die syrische Staatsführung international geächtete Chemiewaffen gegen Bewohner der Stadt eingesetzt haben. Mindestens 40 Menschen wurden getötet, mehrere hundert verletzt.

Schon zuvor war der Vorort von Damaskus mit ehemals 100 000 Einwohnern zum Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Aufständischen und Einheiten der syrischen Regierung geworden. Bomben zerstörten den Grossteil der Stadt und machten sie so gut wie unbewohnbar.

Die meisten Einwohner flohen aus Duma. Wer blieb, wohnte in Ruinen ohne Strom und fliessendes Wasser, ohne Schutz vor Hitze und Kälte, in erbärmlichen Zuständen. In ganz Syrien leben infolge des Krieges etwa 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Von den zerstörten Gebäuden wurde bis heute kaum etwas wieder aufgebaut.


Aleppo: sehr zaghafter Wiederaufbau

Die Metropole Aleppo im Norden Syriens war jahrelang umkämpft. Während des Bürgerkriegs wurde sie stark zerstört. Unzählige Menschen starben, Hunderttausende flohen aus der Stadt. Manche von ihnen kehrten in den vergangenen Jahren wieder in ihre zerbombten Häuser zurück.

Bei den Kämpfen wurden auch die Wahrzeichen von Aleppo schwer beschädigt. Im Jahr 2013 stürzte das 900 Jahre alte Minarett der Umayyaden-Moschee ein. Auch der berühmte jahrhundertealte Suk (Markt) der Stadt wurde bei einem Brand weitgehend ruiniert. Die immense Zerstörung prägt das Stadtbild bis heute.

Nur vereinzelt wurden beschädigte Gebäude renoviert oder wieder aufgebaut. Denn dem syrischen Regime mangelte es an Geld – auch, weil westliche Staaten weitreichende Sanktionen gegen Asad und seine Unterstützer verhängten.

Für einzelne Projekte gab es Hilfe aus dem Ausland: So zahlte der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow einen Millionenbetrag, um die Umayyaden-Moschee in Aleppo wieder in altem Glanz erstrahlen zu lassen. Der sunnitische Herrscher regiert die islamisch geprägten Teilrepublik Tschetschenien diktatorisch.

Im Suk von Aleppo legten die Händler teilweise selbst Hand an und reparierten in mühevoller Handarbeit ihre zerstörten Geschäfte – sofern sie dazu die Mittel hatten. Heute werden auf dem überdachten Markt wieder Lorbeerseife, Stoffe und Teppiche verkauft. Die Spuren der Zerstörung sind aber immer noch sichtbar.


Idlib: Vertriebene in Zeltlagern

Vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs hatte die Provinz Idlib im äussersten Nordwesten Syriens etwa zwei Millionen Einwohner. Mittlerweile sind es ungefähr doppelt so viele. Immer mehr Menschen aus anderen Landesteilen haben in den vergangenen Jahren hier Zuflucht gesucht – oder sind bei dem Versuch, in die benachbarte Türkei zu fliehen, auf der syrischen Seite der Grenze in einem Flüchtlingslager gestrandet.

Die Provinz Idlib und Teile der angrenzenden Provinz Aleppo waren die einzigen Rebellengebiete, die nicht von den Einheiten der Regierung unter Bashar al-Asad zurückerobert wurden. Sie waren abgeschnitten vom Rest des Landes und standen unter Kontrolle der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS).

Im Februar 2023 wurde Idlib stark vom Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet getroffen. Auch in der bereits vom Krieg gezeichneten Provinzhauptstadt stürzten Gebäude ein. Es dauerte mehrere Tage, bis Hilfe eintraf. Weil die syrische Regierung die HTS als Feinde betrachtete, gelangten Hilfslieferungen vor allem von der Türkei aus in die syrische Provinz.

Viele Menschen in der Provinz Idlib lebten bis zuletzt unter schwierigsten Bedingungen. In den Flüchtlingslagern in der Nähe des Dorfes Atmeh etwa 50 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Idlib gibt es keine Schulen, kein fliessendes Wasser, kaum medizinische Versorgung und kaum Strom. Seit 2013 sind die Lager enorm gewachsen: Während zunächst 20 000 Menschen dort Zuflucht suchten, lebten 2019 mehr als 800 000 ohne festes Dach über dem Kopf.


Hoffnung auf Wiederaufbau

Mitte Dezember hat der neu ernannte Ministerpräsident der syrischen Übergangsregierung, Mohammed al-Bashir, seine Landsleute dazu aufgerufen, in ihre Heimat zurückzukehren. Er hoffe, dass sie beim Wiederaufbau des Landes hälfen, sagte er.

Ohne Unterstützung aus dem Ausland wird das jedoch kaum möglich sein. Die Rückkehr von Hunderttausenden syrischen Flüchtlingen ist angesichts der apokalyptischen Zustände in zahlreichen Gegenden wenig realistisch.

Solange Asad an der Macht war, weigerten sich westliche Staaten, Syrien beim Wiederaufbau zu helfen. Seine wichtigsten Verbündeten, Iran und Russland, konnten oder wollten den Wiederaufbau nicht finanzieren. Laut Schätzungen werden dafür zwischen 250 Milliarden und einer Billion Dollar benötigt. Wer sich daran beteiligen wird, ist noch nicht klar.

Exit mobile version