Donald Trump will die Handelsbeziehungen fundamental verändern. Das trifft die Exportländer und -sektoren unterschiedlich hart und wird für die Amerikaner selbst am schmerzhaftesten. Wir zeigen, wie sehr dies der Fall ist und wieso es die Schweiz besonders unfair trifft.

Einer war schon immer etwas gleicher, nun ist er ganz anders. Während sich rund 200 Länder mehr oder weniger an die seit dem 2. Weltkrieg aufgebauten Regeln der internationalen Welthandelsorganisation (WTO) halten, setzt sich die amerikanische Regierung unter Donald Trump nun radikal darüber hinweg.

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Wichtigstes Welthandelsprinzip verletzt

Das Welthandelssystem funktioniert nach dem zentralen Prinzip, dass Handelserleichterungen, die ein Land einem anderen jenseits von umfassenden bilateralen Freihandelsabkommen gewährt, auch von anderen WTO-Mitgliedern beansprucht werden können. Einzelne Länder willkürlich schlechter zu behandeln, verstösst gegen die Regeln. So gelang es über die Jahrzehnte, Zölle weitgehend abzubauen. 2024 betrug der ungewichtete durchschnittliche Zoll unter Berücksichtigung dieses Meistbegünstigungsprinzips in der EU laut der WTO 5,1 Prozent, in den USA 3,4 Prozent und in der Schweiz, wo es hohe Zölle nur noch für Agrargüter gibt, 3,0 Prozent.

Geopolitische Einordnung im Überblick

Kurz gefasst: Der Effekt von Trumps neuer Zollpolitik trifft die Handelspartner auch wegen der vielen Ausnahmen unterschiedlich heftig und ist abhängig von der Handelsstruktur.

Geopolitische Einschätzung: Ändert Trump seine Meinung nicht wieder, müssen sich die bisher befreundeten exportorientierten Länder in Asien besonders stark umorientieren. Auch die deutsche und die schweizerische Industrie können sich nicht länger auf den US-Markt verlassen.

Blick voraus: Das Vertrauen in die USA ist beschädigt. Entscheidend wird sein, ob es dem Rest der Welt gelingt, das Welthandelssystem und die internationale Arbeitsteilung aufrechtzuerhalten.

Wenn Staaten ihre nationale Sicherheit bedroht sahen, konnten sie schon immer Ausnahmen machen. Die USA haben davon im Rahmen ihrer Rivalität mit China schon mehrfach Gebrauch gemacht. Doch am 2. April dekretierte Donald Trump nicht nur einen (weiteren) nationalen Notstand, um seine radikalen Massnahmen innenpolitisch durchsetzen zu können. Er verabschiedete sich auch vollständig von den Prinzipien der WTO, indem er gegen praktisch alle Handelspartner willkürlich unterschiedlich hohe Zollaufschläge verfügte. Deren Höhe beträgt bereits mindestens 10 Prozent und richtet sich darüber hinaus bloss danach, wie hoch das bilaterale Handelsdefizit im vergangenen Jahr ausgefallen ist. Für China beispielsweise betragen sie 34 Prozent. Weil Trump bereits vorher Zölle von 20 Prozent verfügt hatte, sollen Waren aus China ab dem 9. April nun plötzlich mit über 50 Prozent Zöllen belegt werden.

Ausnahmen mindern effektive Belastung

Allerdings hat die Administration ganze Kategorien von Waren, auf die die amerikanischen Konsumenten angewiesen sind, von den länderspezifischen Zusatzzöllen (welche die USA irreführenderweise «reziprok» nennen) ausgenommen. Dazu zählen nebst Stahl und Aluminium, auf die bereits Sonderzölle verfügt wurden, unter anderem auch Kraft- und Heizstoffe, Dünger, Metalle und Edelmetalle inklusive Gold, seltene Erden, Holz, Bücher, Zeitungen und Pharmazeutika. Deswegen unterscheidet sich aufs Ganze gesehen die handelsgewichtete Zusatzbelastung teilweise deutlich vom offiziellen Ländertarif, wie der Global Trade Alert ausgerechnet hat.

Das hilft zwar wichtigen Branchen wie der Maschinen- Elektro- und Metall- oder auch der Uhrenindustrie und den Nahrungsmittelexporteuren wenig; deren Produkte profitieren kaum von Ausnahmen. Doch es zeigt, dass die Schweiz mit 31 Prozent zwar einen viel höheren Zusatzzoll verfügt erhalten hat als Deutschland. Doch wegen der grösseren Bedeutung des Pharmasektors in der Schweiz fällt der effektive handelsgewichtete Zollsatz mit 18 Prozent gleich aus wie in Deutschland.

Effektiv am stärksten getroffen von Trumps Furor werden die exportorientierten asiatischen Länder – bis auf weiteres unabhängig davon, ob es sich dabei um befreundete Alliierte wie Japan, Thailand oder Vietnam handelt oder um den Rivalen China.

Schweiz und Irland plötzlich wichtiger

Als wichtigste Handelspartner am verletzlichsten sind Mexiko und Kanada. Gegen sie hat Trump einen Zusatzzoll von 25 Prozent verhängt, dann aber die Waren, die unter das USMCA-Freihandelsabkommen fallen, bis auf weiteres davon ausgenommen. Absolut am härtesten von den länderspezifischen Zöllen getroffen wird somit China.

An Bedeutung gewonnen haben in den vergangenen zehn Jahren Vietnam, Japan, Taiwan und Südkorea; sie profitierten unter anderem davon, dass internationale Konzerne ihre Produktion für die USA aus China entkoppeln wollten und zu ihnen verlagerten. Die neuen Zölle stellen dieses Modell infrage.

Konstant zu den fünf wichtigsten Handelspartnern zählte auch Deutschland. Seit einem Jahr seltsamerweise erheblich an Bedeutung gewonnen haben Einfuhren aus der Schweiz und Irland, wobei wir hier, um neueste Vergleiche ziehen zu können, immer nur die kumulierten Daten für Januar und Februar zu Preisen von 2024 betrachten. Zentral dafür waren viel höhere Pharma- und Goldkäufe.

Insgesamt wurden im Januar/Februar 2025 real für 20,7 Prozent mehr Waren in die USA eingeführt als im Januar/Februar 2024. Weil gleichzeitig die Exporte leicht sanken, erhöhte sich das Handelsbilanzdefizit sogar um 61,0 Prozent.

Das kommt nicht von ungefähr, wie eine Auswertung nach den wichtigsten Produktkategorien zeigt. Als Reaktion auf Trumps Zolldrohungen haben Importeure ihre Bestände aufgestockt und 70 Prozent mehr Computer und Computerteile, ein Drittel mehr Smartphones und 20 Prozent mehr Medikamente und Impfstoffe eingeführt als in der Vorjahresperiode. Interessanterweise gingen die Einfuhren ausländischer Autos und Autoteile jedoch um 9 Prozent zurück. Auf das 55-Fache gestiegen und zum grössten Posten überhaupt geworden sind die Einfuhren von Edelmetallprodukten. Dabei scheint es sich vor allem um Gold zu handeln, das wohl Anleger kauften, die – zu Recht, wie wir heute wissen – am Potenzial der amerikanischen Märkte und des Dollars zweifelten.

Paradoxer Schweizer Zollaufschlag

Betrachtet man die Einfuhren aus der Schweiz genauer, so zeigt sich, dass die Zunahme in den ersten beiden Monaten dieses Jahres hauptsächlich auf Einfuhren von Edelmetallen, sprich Gold und Pharmaprodukte, zurückzuführen ist. Die Edelmetallimporte aus den schweizerischen Goldraffinerien sind wie die Gesamtimporte der USA in dem Bereich auf das 55-Fache gestiegen. Auch die Einfuhren von Medikamenten aus der Schweiz sind um 71 Prozent gestiegen. Der Anstieg hat – wohl als Reaktion auf die Wahl von Trump – schon 2024 begonnen. Paradoxerweise ist das deutlich angestiegene Defizit im Handel mit den USA, welches der Schweiz einen anderthalbmal so hohen Strafzoll beschert hat wie Deutschland, primär auf Importe von Gold und Pharmaprodukten zurückzuführen, die von dem Strafzoll ausgenommen sind.

Auch die Importe von Impfstoffen und Antikörpern aus Deutschland verzeichneten einen starken Anstieg. Deutschland exportiert hingegen vor allem Autos und Autoteile sowie Maschinen in die USA – diese kämpfen bereits mit dem Aufstieg von Elektroauto und Elektronik und werden nun auch noch vom Zollschock voll getroffen.

Am härtesten wird es für die Amerikaner

Nimmt Trump seine Ankündigungen nicht grösstenteils wieder zurück, so werden die Amerikaner selbst mit Abstand am stärksten unter Trumps «Tag der Befreiung» leiden. Die Importe in die USA werden teurer werden und zurückgehen. Wegfallende Einfuhren werden Amerikaner mit teureren und schlechteren einheimischen Produkten ersetzen müssen. Das Preisniveau wird steigen. Zwar wird auch der Rest der Welt in Mitleidenschaft gezogen, aber sofern er nicht selber Gegenzölle verhängt (wie dies nun China angekündigt hat), deutlich weniger. Dass viele Waren nicht mehr in die USA geliefert werden können, wird zudem die Preise in Europa und den übrigen Exportmärkten senken.

Bei den Auswirkungen kann man unterscheiden zwischen den kurzfristigen Handelseffekten und den längerfristigen Auswirkungen, die dadurch entstehen, dass Wertschöpfungsketten gestört und auseinandergerissen werden, der Wettbewerb und damit die Innovation sinken. Die kurzfristigen Effekte lassen sich mit internationalen Gleichgewichtsmodellen schätzen, die Rückkoppelungseffekte berücksichtigen.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft erwartet, dass sich auch die Exporte der USA selbst innerhalb eines Jahres um ganze 19,7 Prozent reduzieren und die Preise um 7,3 Prozent erhöhen werden. Am zweitstärksten getroffen wird China mit einer Reduktion der Exporte um 2,9 Prozent, wobei dort auch die Preise um 2,6 Prozent fallen sollten. Deutschland kommt mit einem Exportrückgang um 1,0 Prozent vergleichsweise glimpflich davon; für die Schweiz liegen keine Daten vor.

Die US-Wirtschaft müsste mit einem Produktionsrückgang von 1,7 Prozent rechnen, was einer ziemlich schweren Rezession und einem Wertschöpfungsverlust von rund 1400 Dollar pro Kopf gleichkäme. Für China wird ein Rückgang von 0,6 Prozent, für Deutschland 0,3 und für die EU insgesamt 0,2 Prozent geschätzt. Für die stärker exportorientierte Schweiz kommt Hans Gersbach von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) an der Uni Zürich in seinem Modell auf einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,2 bis 0,6 Prozent. Das entspricht einer Einbusse von 180 bis 560 Franken pro Kopf. Zweitrundeneffekte würden diese kurzfristigen Folgen noch deutlich akzentuieren, sollte Trumps Zollpolitik anhalten.

Die Anpassung fördern und nicht behindern

Zu hoffen ist, dass Amerika und seine Wähler bald zur Einsicht gelangen, dass die neue Zollpolitik den wirtschaftlichen Erfolg der USA gefährden. Darauf verlassen sollte sich der Rest der Welt jedoch nicht.

Um die wirtschaftlichen Schäden möglichst gering zu halten, gilt es jetzt, die Anpassung an die neuen Verhältnisse nicht zu behindern. Gift sind neue (Gegen-)Zölle und Marktbarrieren, hilfreich Erleichterungen im Zugang zu alternativen Märkten; etwa in Asien und Lateinamerika. Der Rest der Welt sollte nun die WTO und ihren Streitschlichtungsmechanismus retten und erst recht auf neue Liberalisierungsschritte und Freihandelsabkommen setzen.

Den Firmen die Anpassung erleichtern können Regierungen, indem sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern. Wichtige Beiträge dazu leisten können ein exzellenter Forschungsstandort, eine längerfristig gesicherte, wettbewerbsfähige Energieversorgung, Entlastungen von der wuchernden Bürokratie und Gesetzesflut sowie eine sinkende Steuerlast – vor allem bei den Arbeitskosten und Unternehmensgewinnen.

Trump hat mit seiner erratischen, protektionistischen Politik das Vertrauen in die USA schwer beschädigt. Die weltwirtschaftlichen Aussichten sind schwieriger geworden, aber für Europa ist längst nicht alles verloren.

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