Hinter gescheiterten IT-Vorhaben der Behörden steht oft politische Führungslosigkeit. Das zeigt ein Beispiel im Justizvollzug des Kantons Zürich.

Informatik ist eine komplexe Angelegenheit, besonders wenn sie den Staat betrifft. Die Liste der gescheiterten oder verkorksten IT-Projekte bei Bund und Kantonen ist lang. Beim Kanton Zürich hat die Firma Abraxas kürzlich ein Projekt für den Justizvollzug abgeschossen und gleich die gesamte Produktesparte verkauft. Brisant dabei: Abraxas ist kein gewöhnlicher IT-Anbieter, sondern im Besitz von Gemeinden und Kantonen. Zürich stellt sogar zwei Verwaltungsräte.

Der Fall zeigt exemplarisch, woran die IT-Projekte des Staats allzu häufig kranken: an Überforderung und fehlender Führung. Die Behörden überladen ihre Projekte, die Projektleitung kommt an den Anschlag, und richtig verantwortlich ist im unübersichtlichen Organigramm der Verwaltung niemand. Ganz abwesend ist oft auch die Politik.

Grosse IT-Projekte scheitern überall, auch in privaten Firmen. Meist erfährt die Öffentlichkeit einfach nichts davon. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zwischen Staat und Unternehmen: Der Staat steht gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern in der Verantwortung. Er muss die Steuergelder effizient einsetzen, um damit zeitgemässe, sichere und benutzerfreundliche Dienste anbieten zu können.

Der Staat kommt deshalb nicht darum herum, sich das nötige Know-how anzueignen, um IT-Projekte erfolgreich umzusetzen. Er ist es seinen Bürgern schuldig.

Debakel mit Insieme kostete den Bund Millionen

Als Paradebeispiel eines staatlichen IT-Debakels gilt noch immer das Insieme-Projekt. 2012 stoppte die damalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf das Grossprojekt der Eidgenössischen Steuerverwaltung nach zwölf Jahren Laufzeit. Bei Insieme kam es zu Verstössen gegen das Beschaffungsrecht und zu Korruption. Der Bund musste 116 Millionen Franken abschreiben.

Als Gründe für das spektakuläre Scheitern identifizierte ein Kenner der Materie später überforderte Projektleiter, eine ungeeignete Projektorganisation sowie unklare Verantwortlichkeiten. Diese Fehler passieren auch in der Privatwirtschaft.

Bei staatlichen Projekten gibt es aber ein zusätzliches Problem: der Mangel an politischer Führung. IT-Projekte sind keine rein technische Angelegenheit. Sie bewegen sich in einem gesetzlichen Rahmen, sind in organisatorische Abläufe eingebettet und auf politische Akzeptanz angewiesen. Diese Faktoren sind oft entscheidend für das Gelingen. Sie werden aber von der politischen Führung häufig ignoriert. Es fehlt der gesamtheitliche Blick.

Ein Beispiel für diese beschränkte Sichtweise ist das E-Voting. Die Bundesverwaltung behandelte das elektronische Abstimmen lange als rein kryptologische Herausforderung, bis plötzlich die grundlegende Frage nach dem Vertrauen in Volksabstimmungen – einer Grundlage der Schweizer Demokratie – aufkam. Beim elektronischen Patientendossier verschloss der Bund lange die Augen davor, dass es eine gesetzliche Verpflichtung für die Ärzte braucht, damit diese das Angebot auch tatsächlich einsetzen.

Der Staat muss seine privaten IT-Dienstleister führen

Ein weiterer Knackpunkt ist die Aufgabenteilung zwischen dem Staat und den privaten IT-Firmen. Bei der elektronischen Identität (E-ID) wollte der Bund aus Bequemlichkeit ganz auf eine private Lösung setzen – und scheiterte damit kläglich in der Volksabstimmung. Das Verdikt zeigte deutlich, dass den Stimmberechtigten Sicherheit und Privatsphäre nicht egal sind.

Das heisst nicht, dass der Staat alle IT-Lösungen selbst, also «in-house», entwickeln soll. Das kann er gar nicht. Aber die Behörden brauchen genügend IT-Wissen, um die Projekte sinnvoll zu konzipieren und kompetent zu führen. Dazu gehört auch ein Gestaltungswille der Politik.

Im Fall von Abraxas fehlte dieser besonders deutlich. Der Kanton Zürich hält zwar eine strategische Beteiligung an der IT-Firma, aber übt seinen Einfluss nicht aus. Jetzt steht er vor einem Scherbenhaufen – und die Beteiligung hat sich als nutzlos erwiesen. So sieht fehlende politische Führung aus.

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