Sonntag, September 29

Die EU startet gegen sieben Mitglieder Defizitverfahren, darunter ist auch Frankreich. Das Land wird sich die Vorschriften aus Brüssel kaum gefallen lassen. Es hätte nie so weit kommen dürfen.

Ausgerechnet Frankreich, das bedeutendste Gründungsmitglied der EU, wird den Staatenbund in den kommenden Monaten in grosse Schwierigkeiten bringen. Die finanzielle Lage des Landes ist schlecht, und das stellt für die EU sowie die Euro-Zone mittelfristig eine existenzielle Bedrohung dar.

Diese Woche hat die EU-Kommission bekanntgegeben, dass sie gegen sieben Mitgliedsländer ein Defizitverfahren starten werde. Aufsehenerregend daran ist, dass auch Frankreich und Italien betroffen sind: Immerhin handelt es sich bei ihnen nach Deutschland um die grössten Volkswirtschaften der EU.

Frankreichs Ausflüchte

Die Kommission knöpft sich die Staaten vor, weil sie viel zu hohe Budgetdefizite aufweisen. Diese sollten im Prinzip nicht mehr als 3 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) betragen. Frankreich (5,5 Prozent), aber auch Italien (7,4 Prozent) lagen 2023 um einiges darüber. Beide Länder sollten nun grosse Anstrengungen unternehmen, um die sogenannten Maastricht-Kriterien zu erfüllen.

Allerdings scheint Frankreich nicht den Willen aufzubringen, das Problem anzupacken – das Verfahren der EU droht zur Farce zu werden. Frankreichs Ministerpräsident Gabriel Attal hat bereits Ausflüchte gemacht. Er sagte, man habe bei der Fiskalpolitik Fortschritte erzielt, sei dann aber wegen der Pandemie und des Ukraine-Krieges vom Weg abgekommen.

Das ist eine politische Aussage, die den bevorstehenden Wahlen geschuldet ist. Tatsächlich betreibt Frankreich seit vielen Jahren eine nicht nachhaltige Fiskalpolitik. In den vergangenen 15 Jahren hat das Land die Defizitgrenze von 3 Prozent 14 Mal überschritten.

Die fiskalischen Probleme haben also keine konjunkturellen Ursachen, etwa weil die Wirtschaft plötzlich schwach liefe und die Steuereinnahmen dadurch sänken. Vielmehr handelt es sich um schwerwiegende strukturelle Schwierigkeiten. Die Ausgaben waren lange Zeit viel höher als die Einnahmen.

Dadurch ist die Verschuldung Frankreichs schleichend gestiegen, im vergangenen Jahr lag sie bei 111 Prozent des BIP. Erlaubt wären eigentlich 60 Prozent. Und eine Trendwende ist nicht absehbar. Laut den Schätzungen der Kommission wird die Schuldenquote in diesem Jahr bei über 112 Prozent liegen. Zugespitzt hat sich die Lage auch, weil die Zinsen gestiegen sind. Schuldenmachen ist jüngst um einiges teurer geworden.

Zu nachsichtig mit den Budgetsündern

Eigentlich hätten die EU-Kommission und der Rat, also die EU-Finanzminister, schon lange gegen Frankreich und andere Staaten vorgehen müssen. Man hat die Verfahren aber leider ausgesessen. So empfahl die Kommission 2018 dem Rat, das 2009 gegen Frankreich eingeleitete Defizitverfahren einzustellen. Die EU-Finanzminister folgten diesem Vorschlag, obwohl Frankreichs Schuldenquote damals bei fast 100 Prozent lag.

Wahrscheinlich wird es dieses Mal ähnlich laufen. Erstens werden die EU-Finanzminister die grossen Mitglieder Frankreich und Italien kaum blossstellen, zumal einige von ihnen wegen hoher Schulden selbst am Pranger stehen. Zweitens wird sich Frankreich bei der Finanzpolitik nicht dreinreden lassen, schon gar nicht jetzt. Die nötigen Einschnitte wären gross, und die Regierung befindet sich im Wahlkampf: Wie soll sie Budgetkürzungen den Bürgern und Bürgerinnen erklären, ohne noch mehr von ihnen in die Arme des Rassemblement national zu treiben?

Drittens laviert auch die Kommission. Man muss ihr zwar zugutehalten, dass sie nun Defizitverfahren startet. Gleichzeitig schlägt sie aber sanfte Töne an, anstatt den Sündern den Ernst der Lage vor Augen zu führen. Man verlange von den Mitgliedern nicht fiskalische Austerität, also keine strenge Haushaltspolitik, sagte der EU-Kommissar Paolo Gentiloni. Doch genau das brauchte es.

Die finanziellen Turbulenzen, in welche die EU und einige Mitglieder geraten sind, stellen auf jeden Fall ein warnendes Beispiel dar. Der fiskalische Spielraum ist weg – man sollte es nie so weit kommen lassen.

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