Ahmet Schaefer hat mit seinem Unternehmen Fussballklubs aus dem Nichts zum Blühen gebracht. Im Erfolg fliessen Millionen. Jetzt droht in Frankreich und Österreich die Sturmflut. Nur in Biel scheint die Sonne. Was ist da passiert?
Alles gut beim FC Biel. Die Sonne lacht den Erfolg an. Manchmal ist es so einfach. Die Bieler sind in der dritthöchsten Spielklasse Tabellenzweiter und liebäugeln mit der Promotion in die Challenge League. Dazu kegelten sie in den Viertelfinals den FC Lugano aus dem Schweizer Cup. Der Coup beschert ihnen am Samstag den Cup-Halbfinal gegen YB, den Kantonsrivalen aus Bern.
Dank einer Zusatztribüne wird die Kapazität des Stadions um 700 auf 5900 angehoben. Berner Feststimmung. Bieler Fussballherz, was willst du mehr?
Zwei Tage vor dem Halbfinal sitzt Oliver Zesiger im Büro des Klubs, das sich in einem Komplex mit Eishockey- und Fussballstadion befindet. Seit 2023 ist er Sportchef. Er spricht von «Erholung», wenn er auf den YB-Match vorausblickt, «wir dürfen spielen und müssen nicht gewinnen». Der Satz ist Beleg dafür, dass der Kleinklub nicht ohne Ambition ist. Und dies nach dem Konkurs 2016 und einem Absturz ins Bodenlose.
Doch er kam wieder hoch aus der 2. Liga regional und stabilisierte sich – vor allem dank dem Einstieg von Core Sports Capital (CSC) 2022, dem in Zug domizilierten Fussballunternehmen, das vom Schweizer Ahmed Schaefer geführt wird.
Der FC Biel ist ein dankbarer Partner
In Biel gibt’s darüber nichts zu meckern, es werden keine versteckten Vorbehalte geäussert, auch wenn der Klub ein gebranntes Kind ist und sich das Wohlwollen in der Bevölkerung wieder hart erarbeiten musste. Dennoch: Was soll das? Capital wie viel? «Football is our Business», steht auf der Homepage von CSC. Business in Biel? Fragen über Fragen.
Doch die Bieler sind pragmatisch. «Wenn ich ein paar Millionen Spielgeld hätte, könnte ich das allein durchziehen», sagt der Klubpräsident Dietmar Faes, «wenn ich das Geld aber nicht habe, brauche ich jemanden.» So kamen Ahmed Schaefer und CSC zum Handkuss, in Biel, in den Niederungen des Schweizer Klubfussballs. Viel hat das nicht gekostet. Sie halten eine Minderheitsbeteiligung, «wir sind ein kleiner Fisch und haben die Zügel in der Hand», sagt Faes.
Schaefer wirkt im Kleinen, investiert in Manpower, bezahlt die Stelle des Sportchefs und diejenige der Praktikantin, die sich um die sozialen Netzwerke kümmert. Er stellt GPS-Geräte zur Verfügung für die Belastungssteuerung im Training. Er kümmert sich um das Material für die Videoanalyse. Dank ihm ist das Jahresbudget von 0,7 auf 1 Million Franken gestiegen. Das ist etwas, aber nicht alle Welt und ganz sicher keine Phantasterei.
Und ja, für den guten Lauf in Biel sind auch drei Fussballer zuständig, die man leihweise erhalten hat von Clermont Foot 63, dem französischen Klub aus Clermont-Ferrand, der Stadt mit 150 000 Einwohnern, dem Ort mit dem weltweit grössten Reifenhersteller Michelin, zwei Autostunden westlich von Lyon.
Clermont parkiert Spieler im Seeland
Die Spieler aus Clermont sind in Biel, weil Clermont die Lokomotive von Core Sports Capital ist, dessen Kraftwerk, das das Unternehmen in der Mehrheit besitzt. Der dritte im Bund der fussballerisch Namenlosen ist Austria Lustenau, der österreichische Verein aus Vorarlberg. Man fährt dort über den Rhein – und schon ist man in der Schweiz.
Während Biel als Schattengewächs zu definieren ist, dessen höchste Gefühle die Challenge League zum Inhalt haben können, stehen Clermont und Lustenau fast im Gleichschritt für ein Märchen und eine darauffolgende Tragik der Fussballmoderne. Weit weg zwar von den Metropolen und den ganz grossen Flutlichtanlagen, weit entfernt von Katar, Paris Saint-Germain, Verrücktheiten und Hunderten von Millionen, aber nahe genug, um einen Weg zu gehen, der von weit unten nach oben führt – und von dort wieder abfällt. Weit hinunter.
Schaefer steigt vor ein paar Jahren an beiden Orten ein, in Clermont mit ein paar Millionen als Mehrheitsaktionär, in Lustenau mit 25 Prozent. Bald geht es hoch in die oberste Spielklasse, mit Clermont in die Ligue 1, wo 2023 der 8. Rang erreicht wird, was mehr als nur beachtlich ist. Mit Lustenau in die österreichische Bundesliga, wo am Europacup gerochen wird.
Adrian Grbic bringt fast 10 Millionen Euro ein
Die Projekte funktionieren, das Netzwerk greift, Spieler werden hin- und herbeordert, zu anderen Klubs transferiert. Wirken im Kleinen, man bringt sich mit wenigen Millionen ein, dreht nicht am grossen Rad, definiert sich für die Fussballer als feine Zwischenstufe. Der Erfolg hilft. Das Sprungbrett wird unter der Sonne der Ligue 1 so richtig durchgebogen.
Einige Fussballer verlassen Clermont für um die 10 Millionen Euro, unter ihnen schon vor dem Aufstieg Adrian Grbic (nach Lorient); mit ihm ging es aber nicht weiter nach oben, er ist unterdessen beim FC Luzern angekommen.
Plötzlich ist Clermont oben in der Ligue 1, ganz nahe der Sonne. Das TV- und Transfergeld fliesst; über einen Investmentfonds, an den der französische Fussball teilweise seine Zukunft verkauft, erhält Clermont 33 Millionen. Der Zuschauerschnitt erhöht sich von 3500 auf über 11 000.
Auch in Lustenau geht’s ab. Die Vorarlberger haben 22 Jahre lang auf den Aufstieg gewartet, der 2022 mit dem neuen Teilhaber aus der Schweiz Tatsache wird. Leihspieler aus Clermont, Scouting-System, Dynamik, das Projekt hebt ab. Die Österreicher vergessen ihre Skepsis gegenüber ausländischen Fussball-Geldgebern. Wie in Biel bezahlen Schaefer und CSC auch in Lustenau Stellen.
Als würden die Flüsse alles mitreissen
Doch dann, wir schreiben die Saison 2023/24, geht alles den Fluss runter, in Österreich den Rhein, in Clermont den später in die Loire mündenden Allier. Clermont und Lustenau kommen parallel ins Trudeln, stürzen in die zweitoberste Spielklasse ab und sind 2025 tatsächlich bedroht, gleich noch eine Klasse tiefer zu fallen. Als wäre das Hochwasser nicht aufzuhalten. Die Panik steigt, mehrfach werden Trainer und Steuerleute gewechselt, auch sonst wird Personal ausgetauscht – alles kehrt sich ins Gegenteil.
Von der Ligue 1 in die Ligue 2 – und direkt noch eine Liga tiefer: So etwas gibt’s in Frankreich fast nie.
Das Whatsapp-Profilbild von Ahmed Schaefer ist nur noch eine Fata Morgana. Dort ist Jubel zu sehen, das Emblem des Klubs Clermont Foot 63 und «En Ligue 1!». Das war einmal. Jetzt brandet ihm im Stadion von Clermont-Ferrand Abneigung entgegen, auf einer Banderole waren in den letzten Wochen in grossen Lettern die Worte zu sehen: «Schaefer, ton portemonnaie dans le vert. Le club aux portes de l’enfer». («Schaefer, deinem Portemonnaie geht’s gut, der Klub ist aber am Eingang zur Hölle.»)
Zu viel Business?
Ahmed Schaefer, der Spross einer reichen Bankiersfamilie von der Zürcher Goldküste, will erst reden, wenn in Frankreich feststeht, ob der Ligaerhalt gelungen ist. Denn mit Clermont steht und fällt alles. Clermont finanziert Lustenau und Biel. Und Clermont wirft Geld für Core Sports Capital ab. Letzthin sollen 6 Millionen Euro Dividenden geflossen sein. Geld nehmen, zu wenig geben. So lautet die Pauschalkritik an Schaefer in Frankreich. Er habe das Team schlichtweg kaputtgespart.
Schaefer steht dazu, Geld verdienen zu wollen
Gegenüber dem französischen Lokalmedium «La Montagne» sagte Schaefer Anfang März: «Es ist nicht verboten, Geld zu verdienen – weder in der Schweiz noch in Frankreich.» Er sei kein Philanthrop, er nehme Risiko und stehe dazu. «Wie ich zur Art unseres Klubmanagements stehe: Ja, ich verdiene Geld. Ja, ich zahle Steuern. Und ja, ich schaffe Arbeitsplätze.»
Die Gründe des Absturzes sind personelle Fehleinschätzungen, vielleicht war die Sonne zu nahe gekommen – bis es anfing zu brennen. Klein anfangen, immer näher zur Sonne hin, es wird wohlig warm und immer wärmer, alles wird so hell, dass der Weg zur Blendung nicht mehr weit ist. In Lustenau kursiert die Vermutung, dass der Erfolg zu schnell und zu unerwartet gekommen ist.
In Clermont endete die siebenjährige Ära des Trainers Pascal Gastien mit dem Abstieg 2024. In der laufenden Saison des Niedergangs beschäftigt der Klub mittlerweile den dritten Trainer. Kommt hinzu, dass im französischen Fussball die tiefgehende Krise im Verkauf der Medienrechte kein Ende nimmt und den Klubs zusetzt, weil Planungssicherheit fehlt.
Derweil in Biel die Infrastruktur steht, werden in Clermont und Lustenau im Zuge der Aufstiegseuphorie die Stadien modernisiert. Diese Euphorie bot sich für Druckversuche auf die Politik an. Hier wie dort finanziert grösstenteils die öffentliche Hand. Die Schaefer-Organisation stand für die Millionenkosten des neuen Trainingszentrums in Clermont gerade.
Während des Stadionumbaus in Lustenau weicht der Verein bis zum Sommer 2025 für die Heimspiele nach Bregenz aus. Der temporäre Transfer hat den Niedergang zumindest nicht gestoppt. Jetzt ist nicht ausgeschlossen, dass das neue Heim eine Liga tiefer bezogen wird.
Der Klub in Clermont-Ferrand ist die Bank
Was auch immer in Lustenau und Biel geschieht: Bei Core Sports Capital richten sich alle Augen auf das Projekt in Clermont-Ferrand, denn das ist die Bank. Und auf Schaefer. Denn er ist der Chef. Und als Präsident von Clermont Foot 63 das Gesicht des Unternehmens. Vor allem er weiss über Geldflüsse Bescheid, darüber, was vor allem in den Jahren nahe der französischen Ligue-1-Sonne von woher wohin geflossen ist. Und wie viel.
Schaefer ist ein gewiefter, smarter und eloquenter Geschäftsmann, eine gewinnende Person, die sich in mehreren Sprachen zu verkaufen weiss. Er findet schnell Vertrauen, zumal im Fussballgeschäft, in dem vor allem Misstrauen umgeht. Da die Familie Schaefer seinerzeit an der Zürcher Goldküste praktisch neben Robert Louis-Dreyfus gewohnt hat, dem früheren und 2009 verstorbenen Adidas-Chef, kam der Kontakt zum Weltfussballverband Fifa zustande.
Dort arbeitete Schaefer eine Zeitlang an der Seite des Präsidenten Joseph Blatter. In der Fifa lernte er auch den früheren Funktionär und Präsidentschaftskandidaten Jérôme Champagne kennen.
Schaefer und Champagne sind Feinde geworden
Schaefer und Champagne brachten Seite an Seite Clermont auf die Karte des französischen Fussballs, bis sie sich überwarfen, bis sie zu erbitterten Feinden wurden. Auch das ist ein Grund für aufgeheizte Stimmung in Clermont. Champagne ist auf dem diplomatischen Parkett beschlagen und weiss, wie die Atmosphäre zu beeinflussen ist. Er wirft Schaefer vor, Versprechungen für in Aussicht gestellte Beteiligungen nicht eingehalten zu haben. Schaefer sagt gegenüber «La Montagne» nur so viel: Da seien Kompetenzen überschritten worden.
Auf jeden Fall geht’s ohne Champagne für Schaefer rasant den Fluss hinunter. Nicht in Biel an der Aare, aber in Lustenau am Rhein und vor allem mit Clermont am Allier. Die Sonne lacht nicht (mehr). Schaefer muss schauen, dass er vom Wasser nicht mitgerissen wird.
Denn eines ist gewiss: Fällt Clermont aus der Ligue 2, ist die Sturmflut komplett. Und fertig mit Dividenden.