Sonntag, September 29

Die wichtigste Steuervorlage der letzten Jahre kommt am Montag ins Zürcher Kantonsparlament. So richtig zufrieden mit dem Stück ist niemand.

Der Kanton Zürich hat ein Problem: Bei den Unternehmenssteuern kommt er ausgesprochen schlecht weg. Je nach Ranking ist er der teuerste oder, ganz knapp nach Bern, der zweitteuerste Kanton der Schweiz.

International gesehen ist Zürich mit seinen Tarifen zwar immer noch sehr konkurrenzfähig, doch das ist ein schwacher Trost für all die lokal verwurzelten Firmen, die im grössten Kanton der Schweiz vergleichsweise hohe Steuern zahlen.

Am Montag könnte sich an dieser Ausgangslage nun etwas ändern. Das Kantonsparlament berät dann eine der wichtigsten Zürcher Steuervorlagen der letzten Jahre.

Konkret geht es um den 2. Schritt einer Steuersenkungsserie, die auf die Staf (Steuerreform und AHV-Finanzierung) des Bundes zurückgeht.

Mit der Umsetzung der Staf mussten die Kantone vor einigen Jahren ihre Steuersysteme für die juristischen Personen umbauen. Der besonders vorteilhafte kantonale Steuerstatus für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften wurde abgeschafft. Im Gegenzug konnten die Kantone dafür neue Abzüge einführen.

Zürich senkte per 2021 zudem seinen Gewinnsteuertarif moderat von 8 auf 7 Prozent. Bereits damals kündigte die Kantonsregierung an, dass dies nicht das Ende der Fahnenstange darstelle und ein weiterer Prozentpunkt abgezwackt werden würde.

Genau um diesen zweiten Prozentpunkt geht es nun im Kantonsparlament. Der Gewinnsteuersatz soll von 7 auf 6 Prozent gesenkt werden, und zwar per 1. Januar 2025.

KMU werden zur Kasse gebeten

Während Unternehmenskreise und wirtschaftsfreundliche Parteien diese Kürzung erwartungsgemäss begrüssen, ist eine weitere Massnahme des Regierungsrats gar nicht auf Begeisterung gestossen. Er hat als Ausgleichsmassnahme zur Gewinnsteuersenkung eine Steuererhöhung vorgeschlagen: Ein Steuerrabatt für Inhaber von Unternehmen soll reduziert werden.

Heute muss jemand, der mindestens ein Zehntel eines Unternehmens besitzt, die Erträge aus dieser Firma nur zu 50 Prozent versteuern. Die Regierung hat vorgeschlagen, diesen Satz auf 60 Prozent anzuheben.

Das kam in der vorberatenden Kommission gar nicht gut an. FDP, SVP, Mitte und GLP sprachen sich dort zwar für die Senkung der Gewinnsteuern aus, aber gegen die Anhebung der Dividendenbesteuerung.

Dass der Zürcher Regierungsrat überhaupt an Steuererhöhungen dachte, war für die bürgerlichen Parteien ein Affront. Sie argumentieren, dass vor allem die Inhaber von KMU von einer höheren Belastung der Dividenden betroffen wären. Ausserdem entspreche eine Erhöhung dieses Satzes nicht dem Volkswillen.

Tatsächlich kam 2022 eine Initiative der Alternativen Liste an die Urne, welche die Anhebung des Satzes von 50 auf 70 Prozent forderte. Die Initiative scheiterte, allerdings denkbar knapp: Es fehlten ihr nur etwa 4000 Stimmen.

Referendum angekündigt

Gar nichts anfangen mit dem Steuerpaket können SP, Grüne und AL. Sie erwarten Steuerausfälle und damit negative Folgen etwa für die Bildung oder die Infrastruktur. Aus ihrer Sicht würden nur wenige Grosskonzerne von den tieferen Steuern profitieren. Viele KMU hingegen bezahlten ohnehin keine Gewinnsteuern.

Selma L’Orange Seigo (Zürich) ist Grünen-Kantonsrätin und Präsidentin der Zürcher Grünen. «Bei der Vorstellung des Budgets 2025 hat sich der Finanzdirektor Ernst Stocker beklagt, dass der Kanton sich wieder verschulden müsse, um alle Investitionen stemmen zu können», sagt sie. «Ich finde es inkonsequent, wenn man dann gleichzeitig die Einnahmen senkt.» Die Investitionen seien dringend nötig auf dem Weg zu Netto-Null.

Auch die zwei grössten Gemeinden im Kanton, die Städte Zürich und Winterthur, lehnen die Steuersenkungspläne ab, weil sie tiefere Einnahmen befürchten. Für besonders betroffene Gemeinden hat der Kanton allerdings ein Kompensationsprogramm vorgesehen. Ab welcher Schwelle die Gemeinden in den Genuss von kantonalen Zahlungen kommen sollen, muss am Montag im Kantonsrat ebenfalls diskutiert werden.

Der Regierungsrat rechnet damit, dass die Gewinnsteuersenkung dem Kanton im Jahr 2025 Mindereinnahmen von 70 Millionen Franken bringen wird – dies bei rund 1,3 Milliarden Franken an direkten Einnahmen von juristischen Personen.

Mittelfristig aber soll der Schritt kein Steuerminus zur Folge haben. Der Regierungsrat beruft sich bei dieser Einschätzung auf eine Untersuchung von BAK Economics. Demnach soll die Massnahme für den Kanton einnahmenneutral sein. Zwischen den tieferen Steuereinnahmen und der gesteigerten Attraktivität des Standorts entstehe ein Gleichgewicht, sagt BAK.

Selma L’Orange Seigo von den Grünen zweifelt diese Prognose an. «Die Studie stützt sich auf eine Simulation mit zahlreichen Parametern, die allesamt mit grossen Unsicherheiten behaftet sind», sagt sie. «Wer an einer so wenig belastbaren Datengrundlage seine Steuerpolitik ausrichtet, folgt vor allem der Ideologie und nicht den Daten.»

Die Zürcher Handelskammer wiederum sieht an einem anderen Ort Verbesserungspotenzial: Aus ihrer Sicht müsste der Kanton Zürich die Unternehmenssteuern noch viel stärker reduzieren, als jetzt vorgeschlagen ist. «Zürich sollte wieder wie früher im kantonalen Ranking einen Platz im Mittelfeld anstreben», sagt der Handelskammer-Direktor Raphaël Tschanz.

Dass die Regierung die Gewinnsteuern nur moderat senken will und im Gegenzug bei der Versteuerung von Dividenden sogar eine Steuererhöhung vorgeschlagen hat, ist für die Handelskammer ein ganz falscher Weg. «Das würde den Effekt der Steuersenkung für gewisse Firmen gleich wieder vernichten. Vor allem für inhabergeführte KMU wäre die Erhöhung schädlich.»

Auch finanziell gesehen sei diese Kompensation unnötig. Dies hätten gerade die Erfahrungen mit dem ersten Schritt der Gewinnsteuersenkung gezeigt. «Als der Satz von 8 auf 7 Prozent gesenkt wurde, warnten Städte wie Zürich vor grossen Ausfällen, tatsächlich sind die Einnahmen sogar gestiegen», sagt Tschanz.

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Zürcher Kantonsrat dürften die Bürgerlichen und die GLP ihre Forderungen durchbringen können. Das letzte Wort ist damit aber noch nicht gesprochen. SP, Grüne und AL hatten bereits im Frühling angekündigt, gegen die Steuersenkung das Referendum zu ergreifen. Am Ende wird also voraussichtlich das Volk entscheiden müssen.

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