Toller Regisseur, exzellente Besetzung, langweiliger Film: Steven Soderberghs Thriller fehlt der Thrill.
Nach einer Stunde Film bekommen wir die erste überraschende Einstellung zu sehen: das Zürcher Grossmünster in einer nächtlichen Totale. In Zürich soll die Agentin Kathryn (Cate Blanchett) einen Informanten treffen. Und weiss nicht, dass ihr Gatte George (Michael Fassbender) diese Begegnung per Satellit aufzeichnen lassen wird.
Denn ein Mitglied des englischen Geheimdienstes arbeitet mit den Russen und möchte ihnen eine tödliche Malware übergeben. Also jene Sorte Material, die Alfred Hitchcock in seinen Filmen den «McGuffin» nannte. Das Geheimpapier, die Bombe, der falsche Pass, der Geheimbericht. Der Gegenstand, um den sich alles dreht, obwohl er selbst irrelevant bleibt, ein Platzhalter für die Erzeugung von Spannung.
Also wer arbeitet in «Black Bag» als Agent für die Russen? Ist es Kathryn selber, die von allen verdächtigt wird ausser von ihrem loyalen Mann? Oder ist es sonst wer in ihrer Entourage von Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre gemeinsame Arbeit zu Freunden geworden sind?
Er kann es so viel besser
Von der Antwort darauf handelt der neue Thriller des Regisseurs Steven Soderbergh. Der Amerikaner hat mit Filmen wie «Erin Brockovich», dem Drogendrama «Traffic» oder der «Ocean»-Trilogie gezeigt, wie virtuos er starke Charaktere, Spannung und Humor kombinieren kann.
Keine dieser Variablen hat er in seinem neuen Film aktiviert. Symptom dafür ist schon der Umstand, dass die Akteure über zwei Drittel der Zeit damit verbringen, in teuren Wohnungen zu essen, miteinander zu reden, aufeinander einzureden oder aneinander vorbeizureden. Und da die Dialoge weder geistreich noch auch nur ansatzweise humorvoll geraten sind, beginnt man sich bald zu langweilen. Der Plot ist simplistisch und macht dennoch konfus, die gegen Ende genregerecht gesteigerte Aufregung lässt einen kalt, man empfindet kein Interesse für die Figuren, weil man keine Empathie für sie entwickeln konnte.
Steve Soderbergh macht in seinem neuen Film drastisch vor, dass man auch mit so exzellenten Schauspielerinnen und Schauspielern wie Fassbender oder Blanchett einen Film ruinieren kann, weil sein Drehbuch anämisch bleibt und seine Story belanglos.
Die Idee wäre gut
Einen Agentenfilm zu zeigen, ohne dass die Akteure aufeinander schiessen, ohne dass Flugzeuge abstürzen oder Autos miteinander kollidieren, ist ja keine schlechte Idee. Und entspricht eher der täglichen Arbeit von Geheimdienstlern als ihre Darstellung in Actionfilmen.
Nur hat diese Art von beiläufiger, geradezu bürokratischer Inszenierung schon der Thriller «Tinker, Taylor, Soldier, Spy» geleistet, das Remake von Tomas Alfredson nach einer Romanvorlage von John le Carré. Und auch wenn man jenem Plot durch das alkoholisierte Murmeln seiner Protagonisten kaum folgen kann, zeigt der Film eine meisterhafte psychologische Studie alternder Männer mit geheimen Aufträgen, die in der Depression ihrer administrativen Lethargie versteinern. Und die ihren Krieg nicht gegen den Feind im Osten führen, sondern gegen ihre eigene, von Neid, Missgunst, Intrigen und Paranoia beschädigte Person. Im Vergleich zu Alfredsons Inszenierung kommt einem Soderberghs neuer Film vor wie eine Schüleraufführung.
Bleibt, als einziger Schweizer Trost, dass die Zürcher Szenen nicht in Prag gedreht wurden mit einem rot-weissen Tram, das auf Oerlikon zufährt wie bei «The Bourne Identity» mit Matt Damon. Zürich habe «nichts gebracht», sagt die Agentin in Soderberghs Film nach ihrem Rückflug, der Typ dort habe «keine Ahnung», und sie wisse nicht, «warum ich überhaupt dorthin gegangen bin».
Wir wissen nach dem Film genau, wie sie sich fühlt.