Stadträtin Simone Brander (SP) erhält den «Rostigen Paragrafen».
Die amtliche Kompostkontrolle in der Stadt Zürich hat der Tiefbauvorsteherin Simone Brander (SP) eine unrühmliche Trophäe eingebracht: Sie wurde am Dienstagabend mit dem Rostigen Paragrafen 2024 ausgezeichnet. Der Preis für das «überflüssigste Gesetz» oder den «unnötigsten Vorstoss» des Jahres wird seit 2007 von der bürgerlichen IG Freiheit verliehen.
Der Sieger wird jeweils in einem öffentlichen Online-Voting ermittelt. Das Verdikt war eindeutig, wie die IG Freiheit mitteilte: Die Kompostkontrolle, über die die NZZ im November berichtete, erhielt 43 Prozent der Stimmen.
In der Stadt Zürich ist seit letztem Jahr eine «Kompostpolizei» unterwegs. Hintergrund ist die neue Containerpflicht für Bioabfall in sämtlichen Liegenschaften. Die Container werden von der Stadt als Leihgabe zur Verfügung gestellt, die jährliche Mengengebühr beträgt 113 Franken und 10 Rappen für einen 140-Liter-Container.
Städtische Mitarbeitende begutachten Kompost
Wer nachweisen kann, dass er seinen Bioabfall einem eigenen Kompost zuführt, kann sich von der Gebührenpflicht befreien lassen und muss dafür das Formular «Nachweis Kompostierung» ausfüllen. Doch damit allein ist es nicht getan: Um zu überprüfen, ob tatsächlich ordnungsgemäss kompostiert wird, schickt die Stadt Zürich Mitarbeitende von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) bei den Antragstellern vorbei.
Und das sind einige Liegenschaftsbesitzer. Wie ein ERZ-Sprecher gegenüber der NZZ erklärte, wurde bei 700 von 7500 potenziellen Container-Standorten eine Befreiung von der Mengengebühr beantragt. In 70 Prozent der Fälle handelt es sich laut dem Sprecher um Einfamilienhäuser, 30 Prozent betreffen kleinere bis grössere Mehrfamilienhaus-Siedlungen. Wer schummelt, erhält eine Frist, um doch noch einen Kompost anzulegen – oder muss einen Bioabfall-Container beantragen.
Ebenfalls für einen Rostigen Paragrafen nominiert war die Zürcher Stadträtin Karin Rykart für das Bussensystem an der Langstrasse. Auf einer Länge von 50 Metern hatte die Stadt entlang von Zürichs Ausgehmeile ein Fahrverbot errichtet. Der Abschnitt zwischen Brauerstrasse und der Dienerstrasse ist seit Ende September des letzten Jahres tagsüber für Auto- und Motorradfahrer gesperrt.
Weil das Fahrverbot missachtet wurde, führte die Stadt am 8. Januar eine «automatische Durchgangskontrolle» ein. Seither erfasst eine Kamera sämtliche Nummernschilder; wer das Verbot missachtet, erhält eine Busse. Innert kürzester Zeit wurde die gesperrte Langstrasse zur Goldgrube: Im ersten Monat wurden 17 310 Bussen à 100 Franken ausgestellt – macht 1,7 Millionen Franken an Bussgeldern. Die SVP ärgerte sich über den «Kontroll- und Bussenwahn».
Schmähpreis für Hundezonen
Karin Rykart wurde schon einmal mit dem Rostigen Paragrafen ausgezeichnet. Im Jahr 2021 erhielt sie den Preis für die Einführung sogenannter Hundezonen in der Stadt: In einem 72-seitigen Dokument regelte die Stadt, wo sich Hunde aufhalten dürfen, und erliess ein Hundeverbot am Seeufer. Der Protest aus der Bevölkerung war riesig gross, über 400 Rekurse gingen bei der Stadt ein. Schliesslich hob die Stadt das Verbot wieder auf. Die Hundezonen hingegen sind geblieben.
Dieses Mal ging der Schmähpreis an Rykart vorbei. Das Bussensystem an der Langstrasse erreichte im Online-Voting für den Rostigen Paragrafen 20 Prozent der Stimmen und somit Platz zwei. Platz drei geht an den Luzerner Nationalrat Michael Töngi (Grüne), der die Verkehrsmeldungen auf Radio SRF abschaffen will, weil dies kein Service public sei. Er erhielt 19 Prozent der Stimmen.
Die nächste Preisverleihung findet im Mai 2025 statt. Gut möglich, dass die Stadt Zürich auch dann wieder unter den Nominierten sein wird: Gemäss der IG ist Zürich «Meister im Erlass bürokratischer Reglemente».