Freitag, Dezember 27

Die Zürcher Regierung hat an einer Klausur über die Bewältigung des rasanten Bevölkerungswachstums gesprochen – und wollte dies geheim halten. Es ist der falsche Weg.

Die Bevölkerung der Schweiz wächst in rasantem Tempo. Dass es einmal 10 Millionen Einwohner sein werden, gilt als ausgemacht. Die Frage ist bloss: Wann ist es so weit? Und nachgelagert: Verträgt das Land überhaupt so viele Bewohner?

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Die drängenden Fragen beschäftigen den bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz, Zürich, ganz besonders. Im urban geprägten Wirtschaftsraum erwartet der Bund ein überdurchschnittliches Wachstum von 30 Prozent bis zum Jahr 2050 (Schweizer Durchschnitt: 20 Prozent). Der Kanton soll laut Prognosen von heute 1,6 auf rund 2 Millionen Einwohner zulegen.

Treffen die Annahmen zu, gilt es keine Zeit zu verlieren. Denn das Wachstum hat handfeste Auswirkungen auf die Infrastruktur des Kantons. Schulen, Strassen, öV, Wohnungen – von allem braucht es mehr, wenn der Bevölkerungsschub adäquat abgefangen werden soll.

Es ist darum richtig, dass sich die Zürcher Kantonsregierung vergangenes Jahr zu einer Klausur getroffen hat: «Die Wachstumsfrage betrifft alle Direktionen», hielten die sieben Regierungsräte damals fest. «Sie sollte direktionsübergreifend diskutiert werden.»

Was die Regierungsräte aber genau diskutierten, wollten sie für sich behalten. Dies, obwohl die Bewältigung des Bevölkerungswachstums ohne Zweifel zu den wichtigsten politischen Aufgaben überhaupt gehört – in Zürich und darüber hinaus. Es brauchte eine Beschwerde der NZZ und ein Urteil des Verwaltungsgerichts, bis sich die Zürcher Regierung bewegte und die Unterlagen der Wachstumsklausur herausrückte.

Nun ist zum Beispiel klar, dass es bis 2050 – laut Prognosen – Platz für 6000 zusätzliche Mittelschüler und 100 000 Spitalpatienten braucht. Damit rechnet der Kanton. Es sind wesentliche Grössen, die hohe Kosten nach sich ziehen. Auch sieht man in den Überlegungen, dass das Ziel, 80 Prozent des Wachstums in den grossen Städten aufzufangen, kaum realistisch ist. Bleibt der Zuwachs so stark wie prognostiziert, erlangen wohl regionale Zentren wie Uster oder Wetzikon grössere Bedeutung. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis.

Die Geheimniskrämerei der Zürcher Regierung ist deshalb unverständlich. Sie reiht sich ein in weitere Fälle, bei denen sich der Kanton Zürich alles andere als transparent zeigte. Trotz Öffentlichkeitsprinzip versucht die grösste Kantonsverwaltung des Landes immer wieder, unter fadenscheinigen Argumenten Einsicht in wichtige Entscheidungen zu verweigern. Das ist ein unhaltbarer Zustand. In anderen Kantonen und auf Bundesebene ist man offener.

Im Falle der Wachstumsklausur ist die Zürcher Zurückhaltung besonders stossend: Viele der Unterlagen beruhen auf bereits bekannten Analysen und Berichten. Man wird den Eindruck nicht los, dass der Regierungsrat mit seinen insgesamt 71 Amtsjahren am liebsten unter sich bleibt; die Öffentlichkeit scheint zu stören – eine Haltung, die schlecht zur direktdemokratischen Schweiz passt.

Es gibt noch eine weitere Vermutung: Zum Zeitpunkt der Klausur, im September 2023, diskutierte die Schweiz besonders eifrig über das Bevölkerungswachstum, das massgeblich durch die Zuwanderung bestimmt ist. Es war damals nur ein Monat hin bis zu den eidgenössischen Wahlen. Gut möglich, dass der Regierungsrat der SVP so kurz vor dem Urnengang keine weitere Munition liefern wollte und die Herausgabe der Unterlagen auch deshalb verweigerte. Das wäre jedoch ein weiterer schlechter Beweggrund. Probleme verschwinden nicht, nur weil man nicht offen darüber spricht.

Gerade jetzt, da die Beziehung der Schweiz zur EU auf ein neues Fundament gestellt werden soll, müsste diese Erkenntnis zentral sein. Das Bevölkerungswachstum allgemein und die Fortführung der Personenfreizügigkeit im Speziellen bringen für das Land Vor-, aber auch Nachteile. Damit die Stimmbürger eine saubere Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen können, gehören alle Argumente auf den Tisch – transparent und ungeschönt.

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