Die FDP-Regierungsrätin warnt vor der Vorkaufsrecht-Initiative. Sie sei teuer und untauglich.

Das Thema Wohnen treibt die Zürcher Politik um. Nicht weniger als fünf Wohn-Initiativen stehen in nächster Zeit zur Abstimmung. Frau Walker Späh, warum diese Flut an Volksbegehren?

Das Thema ist emotional. Es herrscht Wohnungsknappheit, vor allem in den Städten. In den letzten zwei, drei Jahren hat sich die Situation verschärft. Es wurde schlicht zu wenig gebaut, das Angebot hält nicht mit der Nachfrage mit. Dass die Politik Antworten sucht, ist verständlich.

Haupttreiber für die hohe Nachfrage ist die Zuwanderung. Müsste man hier bremsen?

Zürich ist ein Magnet für Zuwanderung aus der Schweiz und dem Ausland. Insgesamt ist das ein gutes Zeichen, wir sind ein attraktiver Standort. Die Zuwanderung bringt uns unter dem Strich Wohlstand. Aber es gibt auch Nachteile, die Wohnungsknappheit zählt dazu. Im Kanton Zürich wollen wir uns darauf konzentrieren, was wir aus eigener Kraft verändern können, die Raumplanung zum Beispiel oder die Wohnraumpolitik. Die Steuerung der Zuwanderung ist Sache des Bundes.

Ein Mitte-links-Komitee promotet mit einer Initiative ein Vorkaufsrecht. Gemeinden sollen bei Verkäufen von grossen Arealen durch Private entscheiden können, ob sie das zum Verkauf stehende Grundstück zum ausgehandelten Preis selbst erwerben möchten. Eine gute Idee?

Überhaupt nicht. Diese Initiative bedeutet einen schweren Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsgarantie und die Vertragsfreiheit. Sie bringt grosse Rechtsunsicherheit. Das ist Gift für Investitionen. Zudem schafft sie keine einzige zusätzliche günstige Wohnung.

Warum nicht?

Zuerst muss die Gemeinde ein Grundstück zum Maximalpreis kaufen. Günstiger für Mieter wird die Wohnung dann aber nur, wenn der Mietpreis mit Subventionen verbilligt wird – nochmals zulasten der Steuerzahler. Das macht die Initiative zu einem teuren und unfairen Instrument. Nicht alle Gemeinden im Kanton können sich solche Deals überhaupt leisten.

Die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran behauptet, Immobilienkäufe seien für Gemeinden eigentlich immer «Bombengeschäfte».

Die Linke will Grund und Boden schleichend verstaatlichen. Das sehe ich als Liberale kritisch und wehre mich dagegen. Die Eigentumsgarantie ist für mich zentral, ein Pfeiler jeder liberalen Staatsordnung. Der Staat profitiert zudem durch die Grundstückgewinnsteuer ganz wesentlich vom freien Immobilienmarkt.

Andere Kantone kennen ein Vorkaufsrecht schon seit längerem, Genf oder Waadt beispielsweise. Die Welt ist dort nicht untergegangen.

Gemäss meinen Informationen wird das Instrument in diesen Kantonen nur sehr selten genutzt. Es scheint in der Praxis nicht das zu halten, was es verspricht.

Der Regierungsrat hat nun einen Gegenvorschlag zur Initiative formuliert. Sie schlagen vor, dass die Mittel der kantonalen Wohnbauförderung markant erhöht werden sollen. Von heute 180 auf 360 Millionen Franken. Aus diesem Geldtopf können Genossenschaften oder andere gemeinnützige Bauträger zinslose Darlehen für Bauprojekte beantragen. Warum wählen Sie diesen Weg?

Die kantonale Wohnbauförderung ist ein effizientes und seit über 100 Jahren bewährtes Instrument. In den letzten 20 Jahren sind damit knapp 1900 Wohnungen entstanden. Im Gegensatz zum Vorkaufsrecht ist die Wohnbauförderung zielgerichtet. Denn die geförderten Wohnungen kommen Personen zugute, die es auch wirklich nötig haben, also Menschen mit geringem Einkommen und Vermögen. Das ist in unseren Auflagen so festgehalten. Indem wir den Rahmenkredit verdoppeln, stärken wir dieses Instrument. Durch die partnerschaftliche und gleich hohe Mitfinanzierung der Gemeinden schaffen wir ein Potenzial von insgesamt 720 Millionen Franken.

Eine gewaltige Summe. Wie kommt Ihr Vorschlag in der Stadt Zürich an, wo die Wohnungsknappheit ja besonders eklatant ist?

Ich kann hier nur appellieren: Wenn es der Stadt und allen anderen Gemeinden ernst ist mit der Förderung von günstigen Wohnungen, können sie unseren Gegenvorschlag eigentlich nur unterstützen. Denn dieser hilft nicht nur rasch, sondern ist auch noch günstig. Die zinslosen Darlehen, die wir vergeben, fliessen über die Jahre wieder zurück und belasten den öffentlichen Haushalt praktisch nicht. Die Risiken für Ausfälle sind erfahrungsgemäss klein.

Vielen dürfte die kantonale Wohnbauförderung nichts sagen. Ist das Instrument nicht zu unbekannt, um wirklich schlagkräftig zu sein?

Das Mittel ist stark abhängig vom Zinsumfeld. In der Phase von Negativzinsen wurde es natürlich weniger häufig beansprucht. Doch nun sind die Zinsen gestiegen, und unsere Darlehen sind entsprechend begehrter. Bisher konnten Bauherren damit 20 Prozent ihrer Investitionskosten decken. Mit unserem Gegenvorschlag sollen es neu 25 Prozent sein. Das Mittel wird also noch einmal zusätzlich attraktiv. Ich bin überzeugt, damit können wir einen echten Schritt vorwärts machen.

Warum formulieren Sie überhaupt einen Gegenvorschlag? Wenn die Vorkaufsrecht-Initiative so extrem ist, hätten Sie sie getrost einfach ablehnen können.

Der Regierungsrat anerkennt, dass die Wohnungsknappheit ein Problem ist, das namentlich die Bevölkerung mit geringem Einkommen beschäftigt. Wir sehen unbestritten einen Handlungsbedarf.

SVP, FDP und Mitte loben Gegenvorschlag, Grüne sind enttäuscht

dfr. Die Initiative für ein Vorkaufsrecht und der Gegenvorschlag des Regierungsrats kommen voraussichtlich nächstes Jahr vors Volk. Die anderen vier kantonalen Wohn-Initiativen folgen. Alle fallen in die Zuständigkeit von FDP-Regierungsrätin und Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh.

Ihr Gegenvorschlag zur Vorkaufsrechts-Initiative löst bei den Parteien unterschiedliche Reaktionen aus. SVP, FDP und Mitte unterstützen ihn. Man begrüsse die Erhöhung des Rahmenkredits für Darlehen der kantonalen Wohnbauförderung «ausdrücklich», schreiben sie in einer gemeinsamen Stellungnahme. Dies sei ein wichtiger Beitrag, damit im Kanton wieder mehr Wohnungen gebaut würden.

Die Grünen hingegen bezeichnen den Gegenvorschlag als «Nebelpetarde» und «Scheinlösung». Der Rahmenkredit werde schon heute nicht ausgeschöpft; eine Erhöhung ergebe deshalb wenig Sinn.

Von linker Seite sind zwei weitere Initiativen eingereicht worden. Zum einen soll eine kantonale Wohnanstalt geschaffen werden, die auf dem Immobilienmarkt aktiv wird, zum anderen wird ein Mietzinsdeckel wie in Basel oder Genf gefordert. Der Hauseigentümerverband wiederum will mit zwei Initiativen das private Wohneigentum fördern. Was halten Sie von diesen Ideen?

Zu diesen Initiativen hat der Regierungsrat noch keine Stellung bezogen. Wir werden aber rechtzeitig informieren, sobald es so weit ist. Sicher ist, dass es weitere Anstrengungen braucht, um die Wohnungsknappheit zu mindern. Ich finde, das Bauen muss einfacher, schneller und dichter möglich sein als heute. Meine Volkswirtschaftsdirektion und die Baudirektion sind daran, in diesen Bereichen Lösungen zu erarbeiten.

Mit welcher Stossrichtung?

Das Bauen ist heute überreguliert und zum Teil widersprüchlich. Die Verfahren müssen sich dringend beschleunigen. Und namentlich in den Städten muss es möglich sein, endlich richtig zu verdichten.

Die Frage an eine Liberale: Was hat der Staat überhaupt im Wohnungswesen verloren?

Es kommt darauf an, wie man es macht. Natürlich soll die Politik Rahmenbedingungen setzen. Aber solche, die sinnvoll sind und einen echten Markt ermöglichen. Liberale dürfen vor den Problemen nicht die Augen verschliessen. Sonst überlassen sie den Verstaatlichern das Feld.

Die Linke ortet im Immobilienbereich ein «Marktversagen». Hat sie nicht ein bisschen recht?

Gerade linke Politik hat in den vergangenen Jahren das Bauen durch immer neue Auflagen komplizierter gemacht. Nun beklagt die Linke ein Problem, an dessen Ursprung sie beteiligt ist. Das ist etwas zynisch. Was es nun braucht, ist ein Befreiungsschlag. Das Investieren soll im Kanton Zürich wieder leichter möglich sein und sich lohnen. Das ist das wirksamste Mittel, um langfristig genügend Wohnraum für alle zu schaffen.

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