Wegen Sicherheitsbedenken dominiert die Vorsicht – auch wenn dies dem Öffentlichkeitsprinzip zuwiderläuft.
In Zürich mag man es diskret, wenn es um Geld und Besitz geht. Vieles ist zwar öffentlich, aber nur im Prinzip.
Wer verhindern will, dass Fremde die eigenen Steuerdaten zu Gesicht bekommen, kann diese sperren lassen. Mit dem Autokennzeichen verhält es sich gleich: Die Sperrung des eigenen Namens kostet nichts, ausser ein paar Eingaben auf einer Website. Und neuerdings können sich auch Grundeigentümer ebenso einfach davor schützen, dass jeder Neugierige ihre Identität ohne weiteres erfährt.
Damit geht im Kanton Zürich eine kurze Phase vollkommener Transparenz zu Ende. Im Herbst 2023 war hier – mit ordentlichem Rückstand auf diverse andere Kantone – die Online-Grundbuchabfrage eingeführt worden. Ab dann musste man im Geoinformationssystem (GIS) bloss noch auf die Karte klicken, um zu erfahren, wem ein bestimmtes Grundstück gehört.
Nun folgt die Relativierung, wie aus einer Medienmitteilung vom Donnerstag hervorgeht. Seit Dezember kann jeder ohne Angabe von Gründen auf der Website der Grundbuchämter die Sperrung seiner Daten in der Online-Abfrage veranlassen. Diese bleiben zwar öffentlich einsehbar, wie es das Gesetz vorschreibt, sie müssen aber wieder wie früher persönlich beim zuständigen Grundbuchamt verlangt werden.
Getroffen hat diesen Entscheid das Zürcher Obergericht, das nicht näher ausführen will, wie dieser zustande kam. Obwohl es sich dabei um ein Politikum handelt, das links wie rechts Irritation auslöst.
Unverständnis hier wie dort
Walter Angst vom Zürcher Mieterverband hält die Neuerung für «stossend». In mietrechtlichen Auseinandersetzungen sei die Kenntnis des Hauseigentümers und der letzten Handänderung zentral. Die Hürde davor, an diese Informationen zu gelangen, werde nun wieder erhöht, der Prozess unnötig verkompliziert und verteuert.
Auch die FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff, Beirätin im Zürcher Hauseigentümerverband (HEV), kann den Entscheid nicht nachvollziehen: «Ich sehe nicht ein, weshalb man die Online-Abfrage erschweren soll, wenn die gleichen Daten beim Grundbuchamt verfügbar bleiben – es sei denn, es bestünden Sicherheitsbedenken.»
Der HEV hat zwar bei der Einführung der Online-Abfrage kritisiert, dass dadurch der Datenschutz in einem sensiblen Bereich gelockert werde. Ihn störte allerdings primär die Veröffentlichung des Erwerbsdatums, weil dieses Rückschlüsse auf die Geschäftstätigkeit und das Vermögen einer Person zulässt. Eine Sperrung aller Daten hat der HEV nicht verlangt.
Diese Forderung wurde dafür von der Konferenz der Schweizer Datenschutzbeauftragten erhoben, als sich der Bund 2010 mit den gesetzlichen Grundlagen für neue Online-Grundbücher befasste. Die Risiken für die Persönlichkeitsrechte seien zu gross, argumentierten die Datenschützer, es brauche ein Sperrrecht.
Beim Bund drangen sie mit dieser Forderung nicht durch. Aber die Zuständigkeit für die Online-Grundbücher liegt bei den Kantonen, und in Zürich ist es am Obergericht, die Regeln dafür festzulegen. In der vom Gericht erlassenen Verordnung steht nun: «Jede Eigentümerin und jeder Eigentümer kann die Sperrung ihrer oder seiner Eigentümerdaten im Internet verlangen.»
Bis jetzt erst wenige Sperrungen beantragt
Martin Steiger, ein auf Datenschutz spezialisierter Zürcher Rechtsanwalt, setzt an diesem Tag gleich einmal Prioritäten. Noch bevor er die Frage beantwortet, wie er die neue Möglichkeit einschätzt, nutzt er diese selbst und sorgt dafür, dass die Informationen zu seinem eigenen Wohnhaus gesperrt werden.
Steiger findet es erfreulich, dass dies schnell und ohne Angabe von Gründen möglich ist. Online-Datenbanken wie das Grundbuch sollten seiner Ansicht nach nicht frei zugänglich sein. Das Risiko sei zu gross, dass professionelle Datensammler sich dort bedienten.
Solche Parallel-Datenbanken können zur missbräuchlichen Verwendung der Informationen führen. Grundbuchabfragen sind von Gesetzes wegen nur zu einer bestimmten Adresse erlaubt. Also: Wem gehört dieses Haus? Nicht erlaubt ist es, nach einer Person zu suchen. Also: Welche Häuser gehören Herrn Steiger? Wenn jedoch Datensammler das Grundbuch kopieren, können sie auch solche Fragen beantworten.
Die Online-Grundbuchabfragen müssen deshalb so geschützt sein, dass systematische Massenabfragen unmöglich sind. In Zürich hat sich allerdings erwiesen, dass dies nicht trivial ist. Das erste Sicherheitssystem wurde schon nach kurzer Zeit geknackt. Seither ist ein neues in Kraft, das eine Authentifizierung per Mobiltelefon voraussetzt und nur fünf Abfragen pro Tag erlaubt.
Diese Erfahrung hat das Obergericht offensichtlich dazu bewogen, eine Datensperrung zu ermöglichen: Missbrauch soll möglichst verhindert werden – selbst wenn dies dem Öffentlichkeitsprinzip zuwiderläuft. Auch in Nachbarkantonen wie Zug, Schwyz oder dem Thurgau sind Sperrungen möglich. Anfechten lässt sich der Zürcher Entscheid nicht mehr, denn er wurde im Amtsblatt publiziert, und die Beschwerdefrist ist längst verstrichen.
Laut dem zuständigen Notariatsinspektorat sind im ersten Monat nur etwas über hundert Anträge für eine Sperrung eingegangen. Sie kamen nicht von Immobiliengesellschaften, sondern fast ausschliesslich von Privatpersonen und verteilten sich über den ganzen Kanton. Gemessen an den insgesamt 700 000 Grundstücken halten sich die Lücken im Online-Grundbuch bis jetzt also in Grenzen.
Ob das auch so bleibt, wenn sich diese Möglichkeit nun herumspricht, ist eine andere Frage.