Donnerstag, Juli 4

Der Hauptaktionär und Präsident von Richemont verjüngt die Führung seines Luxusgüterkonzerns. Nach der Ernennung von Nicolas Bos zum Konzernchef wird der 49-jährige Louis Ferla Chef des wichtigsten Umsatz- und Ertragsbringers Cartier.

Im Richemont-Konzern des südafrikanischen Milliardärs Johann Rupert gibt es erneut einen bedeutenden Führungswechsel. Nachdem Mitte Mai mit Nicolas Bos ein neuer CEO der gesamten Gruppe vorgestellt worden ist, geht es nun um die Leitung der mit Abstand wichtigsten Konzernmarke: Cartier.

Wie Richemont mitteilt, wird Louis Ferla neuer Chef der Schmuck- und Uhrenmarke. Ferla, der in den vergangenen sieben Jahren die Konzernmarke Vacheron Constantin führte, folgt Anfang September auf Cyrille Vigneron, der nach acht Jahren die Leitung abgibt.

Richemont wird um Cartier beneidet

Die Führung von Cartier ist für Richemont ähnlich relevant wie die Leitung des ganzen Konzerns. Denn Cartier ist mit einem Umsatz von geschätzt über 10 Milliarden Euro die mit Abstand grösste und wichtigste Marke innerhalb von Richemont – ein «Juwel», um das der Konzern auch von der Konkurrenz beneidet wird.

Insbesondere Bernard Arnault, dem Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH, wird nachgesagt, Ambitionen zu haben, sich Cartier einzuverleiben. Regelmässig kommt es deshalb zu Spekulationen in den Medien. So wurde jüngst kolportiert, dass Arnault sich privat an Richemont beteiligt habe. Rupert, der 51 Prozent der Aktien bei Richemont kontrolliert, hat allerdings wiederholt klargestellt, dass weder Cartier noch Richemont als Ganzes zum Verkauf stehen.

Von aussen betrachtet gibt es keine Gründe für einen Verkauf. Trotz leichter Abkühlung in der Branche laufen die Geschäfte gut: Im vergangenen Geschäftsjahr, das Ende März endete, steigerte Richemont seinen Umsatz um 3 Prozent auf 20,6 Milliarden Euro; der Reingewinn betrug 2,4 Milliarden Euro.

Solange Cartier gut geführt wird, dürfte sich daran nichts ändern. Die Marke gilt als äusserst profitabel. Das liegt auch daran, dass ein Grossteil des Umsatzes, vor allem im Schmuckbereich, in eigenen Boutiquen erzielt wird.

Warum tritt Cyrille Vigneron bei Cartier zurück?

Auch Luxusmarken sind allerdings keine Selbstläufer. Vor acht Jahren, als Vigneron als CEO anfing, hatte Cartier im Uhrenbereich beträchtliche Probleme. Man hatte sich mit ambitionierten Projekten für komplizierte Uhren verzettelt. Zudem brach wegen der Antikorruptionskampagne und der Abschaffung der Geschenk-Kultur im chinesischen Geschäftsleben der Markt in China ein. Das führte zu einem starken Überangebot. Die Händler sassen auf unverkauften Modellen, und es bestand die Gefahr, dass diese zu reduzierten Preisen auf dem Graumarkt landen – ein Albtraum für eine Luxusmarke.

Etwas vom Ersten, was Vigneron nach seiner Ernennung tat, war deshalb der grossangelegte Rückkauf von Uhren bei den Detailhändlern. Dies kostete viel Geld und erforderte das in der Uhrenbranche seltene Eingeständnis eines Fehlers. Danach konzentrierte sich Vigneron statt auf komplizierte Neuentwicklungen wieder auf die bekannten Klassiker von Cartier – Tank, Santos, Ballon Bleu, Pasha. Das ermöglichte Cartier laut Luxeconsult und Morgan Stanley, Omega als zweitgrösste Schweizer Uhrenmarke abzulösen. Der Umsatz wird nur noch von Rolex übertroffen.

Vigneron hat in seinen acht Jahren an der Spitze von Cartier anerkanntermassen sehr gute Arbeit geleistet. Auch im Schmuckbereich hat er durch geschicktes Marketing und den Fokus auf Designklassiker vor allem bei der jungen Generation neue Begehrlichkeiten geschaffen.

Warum Vigneron jetzt, mit 63 Jahren, zurücktritt, wird nicht erläutert. Möglicherweise hängt es mit der Ernennung von Nicolas Bos zum neuen CEO zusammen. Lange wurde spekuliert, dass Vigneron der neue Chef von Richemont werden könnte. Aber Rupert bevorzugte nach eigenen Angaben einen jüngeren Kandidaten und entschied sich für den 53-jährigen Bos.

Da mit der Ernennung von Bos auch das Organigramm von Richemont geändert wurde, müsste Vigneron künftig an seinen Ex-Kollegen rapportieren. Bisher hatte Cartier eine Sonderstellung im Konzern gehabt, und Vigneron war direkt Rupert unterstellt.

Vielleicht handelt es sich aber auch um eine erfolgreiche Art von Bogenkarriere, bei der Führungskräfte schon ein paar Jahre vor dem Pensionsalter einen Gang zurückschalten. Darauf deutet die Tatsache hin, dass Vigneron Cartier nicht ganz verlässt, sondern zum 1. September 2024 die Position des Chairman of Cartier Culture & Philanthropy übernimmt. Diese Initiative liegt dem Feingeist Vigneron sehr am Herzen.

Vacheron Constantin hat sich unter Ferla stark entwickelt

Vigneron werde mit Ferla zusammenarbeiten, heisst es im Communiqué, «um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten». Nicht dass dieser allzu viel Einführung brauchte, denn Ferla hat langjährige Richemont- und Cartier-Erfahrung: Seine Karriere startete er 2001 beim Lederwarenspezialisten Alfred Dunhill als Verkaufschef in Hongkong, später wurde er Leiter des Geschäfts in Taipeh.

2006 kam der Wechsel zu Cartier, wo Ferla unter anderem die Region Naher Osten, Indien und Afrika leitete. Dann wurde er China-Chef und später Mitglied der Cartier-Geschäftsleitung.

2017 wechselte Ferla schliesslich konzernintern zur Uhrenmarke Vacheron Constantin und übernahm dort die Führung. Bei Vacheron lieferte er sein «Gesellenstück» als CEO. Johann Rupert wird mit den Worten zitiert, Ferla habe sich in der Gruppe und in der Branche viel Anerkennung verdient und Vacheron Constantin «brillant» in der Welt der Haute Horlogerie positioniert.

Tatsächlich hat sich Vacheron Constantin in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Die Marke, die mit Geburtsjahr 1755 als eine der ältesten gilt, war immer hoch respektiert, aber lange Zeit auch etwas verstaubt. Mit der Lancierung neuer, etwas sportlicherer Kollektionen begann sich das Image zu ändern. Heute ist Vacheron «in» und wird teilweise in einem Atemzug mit Audemars Piguet und sogar Patek Philippe genannt.

Das ist nicht nur Ferlas Verdienst. Einige der heutigen Bestseller wurden schon vor seinem Antritt als CEO lanciert. Aber Ferla hat wichtige Entscheidungen getroffen: So senkte er zum Beispiel mit der Lancierung eines neuen Modells den Einstiegspreis für Vacheron-Uhren um rund einen Drittel auf zirka 11 000 Franken. Damit wollte er vermehrt jüngere Kunden anziehen.

Catherine Rénier folgt auf Bos bei Van Cleef & Arpels

Die Politik von Richemont, Führungskräfte aus den eigenen Reihen zu rekrutieren, führt dazu, dass jede Neubesetzung eine Vakanz an anderer Stelle schafft. Wer Ferla bei Vacheron nachfolgen wird, ist noch nicht bekannt. Hingegen ist seit Dienstag klar, wer in die Fussstapfen von Nicolas Bos bei Van Cleef & Arpels treten wird. Es ist Catherine Rénier, die jetzige Chefin der Luxusuhrenmarke Jaeger-Le Coultre, die ebenfalls zu Richemont gehört.

Die Französin ist wie Bos, Vigneron und Ferla eine Richemont-Veteranin, und auch sie wird einen Job bei einer Marke antreten, die sie bereits von früher kennt. Ihren Einstieg gab Rénier 1999 bei Cartier, aber den Grossteil ihrer Karriere verbrachte sie bei Van Cleef & Arpels, wo sie bis zur Präsidentin für den asiatisch-pazifischen Raum aufstieg.

Bei Jaeger-Le Coultre ist noch kein neuer CEO ernannt. Philippe Hermann, Chief Financial Officer, werde bis zur Bekanntgabe eines neuen CEO die Rolle des Interims-CEO übernehmen, heisst es im Communiqué von Richemont.

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