Die Volksabstimmung über das Marina-Projekt des ägyptischen Investors lässt in Uri die Emotionen hochkochen. Filzvorwürfe und politische Störmanöver sorgen für Aufregung.
Für Martin Iten von der Christlichsozialen Partei und Patrick Steinle von den Alternativ-Grünen ist das Tourismusprojekt von Samih Sawiris am Urnersee eine Horrorvorstellung. In ihrem kürzlich eingereichten Postulat «zur Rettung der Perle Isleten» wehren sie sich gegen die «mondäne Marina, die weder zum Kanton Uri passt noch mit dem Schutzstatus des Gebiets (Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler, BLN) konform wäre».
Im Visier haben sie den ägyptischen Investor, weil dieser auf der kleinen Halbinsel Isleten ein Hotel mit 50 Zimmern und 30 Appartements, 70 Wohnungen und 7 Bungalows bauen will. Am 24. November stimmen die Urner über die Volksinitiative «Isleten für alle» ab, die faktisch ein Bauverbot bedeuten würde. Der Vorstoss ist eigentlich politisches Alltagsgeschäft. Alles andere als normal ist jedoch, dass Iten und Steinle nicht im Kanton Uri wohnen. Vielmehr handelt es sich bei ihnen um Zuger Lokalpolitiker. Ihren Vorstoss haben sie denn auch im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug eingereicht.
Verschwörungstheorie zu Politfilz
Die Legitimation, sich in fremde Angelegenheiten einzumischen, ziehen Iten und Steinle aus der Tatsache, dass die Stadt Zug seit über fünfzig Jahren eine Partnerschaft mit der Gemeinde Isenthal pflegt, auf deren Gebiet sich ein Teil der geplanten Marina befinden würde. Die Politiker schlagen vor, diese Beziehung aufzufrischen und auf dem umstrittenen Areal anstelle eines Ferienresorts ein «Haus der Stadt Zug» für die Stadtzuger Schulkinder zu errichten. Diese Idee soll unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung realisiert werden.
Im Kanton Uri kommt der Vorstoss aus der reichen Stadt gar nicht gut an. «Wir brauchen hier weder Ratschläge noch politische Interventionen aus dem Raum Zug», sagt Ständerat Josef Dittli. «Das anmassende Postulat, mit dem sich linke Parlamentarier auf unsere Kosten profilieren wollen, löst im Kanton Kopfschütteln aus.» Der FDP-Politiker ist überzeugt, dass das Postulat kontraproduktiv ist und den Initianten letztlich schaden wird. Der Justizdirektor Daniel Furrer gibt sich zurückhaltend und erklärt: «Die Urner Regierung kommentiert politische Vorstösse aus anderen Kantonen nicht.»
Eveline Lüönd ist Präsidentin der Grünen Uri und Miturheberin der Initiative «Isleten für alle». Für sie zeigt der politische Vorstoss aus der Stadt Zug, dass das Thema die Menschen über den Kanton Uri hinaus bewegt. Man dürfe nicht vergessen, dass sich die Stadt Zug in der Berggemeinde Isenthal in den vergangenen Jahrzehnten am Bau des Schulhauses und von Strassen beteiligt habe. «Damals hat niemand von einer Einmischung gesprochen, sondern man hat das Geld gerne genommen», sagt Lüönd.
Die Intervention bringt zusätzlichen Zündstoff in den Abstimmungskampf. So erschien in der Lokalzeitung «Urner Wochenblatt» ein Inserat, das sich gegen Politiker und Sawiris richtet. Eine anonym auftretende «IG Urnerinnen und Urner für Uri» wirft dem Investor vor, er habe in Andermatt nicht alles gehalten, was er mit den Behörden ausgehandelt habe. So sei eine Sporthalle nie gebaut worden. Weiter heisst es in dem Inserat, es brauche kein neues Projekt, «weil wir genügend Zimmer haben, die 2000 Franken pro Nacht kosten (zum Beispiel im ‹Chedi›!)».
In der Anzeige werden Verschwörungstheorien verbreitet. So behauptet die IG, das Ganze sei von Anfang an ein abgekartetes Spiel gewesen. Der Verkauf des Isleten-Areals sei von den involvierten Politikern von langer Hand verdeckt eingefädelt worden. Erst die Volksinitiative habe den «Urner Filz über die Kantonsgrenze hinaus offensichtlich gemacht».
Das Inserat stammt laut Lüönd nicht aus der Küche der Initianten. «Wir kämpfen über der Gürtellinie», sagt sie. «Der Abstimmungskampf bewegt die Gemüter und mobilisiert beide Seiten. Im Grossen und Ganzen verlaufen die Diskussionen aber zivilisiert.» Wie die Abstimmung ausgehen wird, ist laut der grünen Politikerin schwer vorherzusagen. «Wir können ein gutes Resultat erzielen», ist sie überzeugt.
Sawiris braucht langen Atem
Lüönd ist sich aber bewusst, dass es für die Initianten angesichts des Schulterschlusses im bürgerlichen Lager, wo alle Parteien die Initiative zur Ablehnung empfohlen haben, schwierig wird. Enttäuscht ist die Grünen-Präsidentin vor allem über die Stimmfreigabe der SP. «Von dieser Seite hätten wir uns mehr Unterstützung erhofft.» Ständerat Dittli geht aufgrund dieser Konstellation davon aus, dass die Initiative mit einem Nein-Stimmen-Anteil von rund 60 Prozent abgelehnt wird.
Furrer nimmt den Abstimmungskampf als sehr engagiert wahr. Er glaubt jedoch, dass die Meinungen aufgrund der langen und intensiven Diskussionen bereits gemacht sind. «Ich gehe eher von einem Nein zur Initiative aus», sagt der Regierungsrat. «Das wäre ein Signal des Urnervolkes zugunsten des Projekts, das nicht zu unterschätzen ist.»
Ein Erfolg am 24. November wäre für Sawiris allerdings nur ein erster Zwischensieg. Bis die Marina tatsächlich realisiert werden kann, sind noch einige Steine aus dem Weg zu räumen. So muss voraussichtlich ein Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Natur- und Heimatschutz (ENHK) eingeholt werden. Diese muss beurteilen, ob das Projekt in der schützenswerten Landschaft grundsätzlich bewilligungsfähig ist. Zudem müssen Richt- und Zonenpläne geändert werden. Wie auch immer der Entscheid an der Urne ausfällt: Sawiris wird die Urnerinnen und Urner noch eine Weile in Atem halten.