Die Finanzpolitik war von Anfang an eine Sollbruchstelle der deutschen Ampelkoalition. Doch noch nie waren die Haushaltsverhandlungen so brisant wie dieses Jahr.
Haushaltsverhandlungen sind nie einfach. Doch dieses Jahr könnte die Festlegung des deutschen Bundeshaushalts 2025 die deutsche Ampelregierung an den Rand des Koalitionsbruchs bringen. Schon der Auftakt verläuft nicht nach Plan: Hatte der liberale Finanzminister Christian Lindner seine Kabinettskollegen Anfang März aufgefordert, bis an diesem Freitag Sparvorschläge für ihre Ressorts vorzulegen, musste er die Frist inzwischen bis am 2. Mai verlängern.
Lindners Sparaufruf
Laut Lindners Schreiben vom März sollen sich die Ministerien an die Finanzplanung aus dem vergangenen Sommer halten. Diese sah für 2025 auf Bundesebene Gesamtausgaben von 452 Milliarden Euro vor. Das sind 25 Milliarden weniger, als für das laufende Jahr geplant sind. Zudem bestehe selbst bei Einhaltung des aktualisierten Finanzplans ein «weiterer struktureller Konsolidierungsbedarf», weshalb alle Ressorts weitere Einsparmöglichkeiten in ihrem Bereich entwickeln müssten, heisst es im Brief.
Tatsächlich ist die finanzpolitische Party aus mehreren Gründen vorbei. Erstens hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom November den Spielraum stark eingeschränkt, über haushaltspolitische Tricks und Nebenhaushalte die Schuldenbremse zu umgehen. Letztere setzt enge Grenzen für die Neuverschuldung. Zweitens hat Deutschland langjährige Versäumnisse in Bereichen wie Infrastruktur und Verteidigung nachzuholen, was viel Geld kostet.
Drittens sind die Zinsausgaben des Bundeshaushalts im Gefolge der Zinswende und des Anstiegs der Staatsverschuldung in den Krisenjahren in die Höhe geschossen. 2023 waren sie laut dem Bundesrechnungshof mit 38 Milliarden Euro fast zehnmal so hoch wie zwei Jahre zuvor. Viertens steckt das Land in einer Wachstumsschwäche, die sich auch auf die Steuereinnahmen auswirkt.
Prioritäten tun not
In einer solchen Lage gibt es aus ordnungspolitischer Sicht nur eine Antwort: Die Politik muss Prioritäten setzen. Der Staat müsste ein Konsolidierungsprogramm einleiten, das niemanden schont, alle Subventionen auf den Prüfstand stellt und auch vor Rentenreformen und einem gezielteren Einsatz der Sozialleistungen nicht zurückschreckt. Denn Steuererhöhungen sind im Hochsteuerland Deutschland keine Option, will es die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht weiter schwächen. Und höhere Schulden schaffen neue Probleme, unter anderem in Form noch höherer Zinslasten.
Eine solche Konsolidierung ist nicht in einem Jahr zu schaffen. Es müssen Gesetze geändert werden, Bürger und Unternehmen müssen sich auf Kürzungen einstellen können. Sie muss aber dringend gestartet werden, weil im Schlüsseljahr 2028 noch ganz andere Herausforderungen anstehen: Zum einen wird dann das «Sondervermögen Bundeswehr» aufgebraucht sein, und das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben muss vollständig aus dem laufenden Haushalt bestritten werden. Zum andern beginnt dann die Rückzahlung der für die Bundeswehr und die Corona-Pandemie aufgenommenen Sonderkredite.
Finanzielle Prioritäten setzen aber kann nur, wer sich über die politischen Prioritäten einig ist. An diesem Konsens fehlt es der heterogenen «Ampel» schmerzlich, seit sie das akute Krisenmanagement hinter sich lassen konnte.
Sattes Deutschland
Zudem haben die Bauernproteste zu Jahresbeginn illustriert, wie gering im satten Deutschland die Akzeptanz jeder Kürzung ist. Umso schwerer dürften sich Politiker jeder Couleur mit Konsolidierungsanstrengungen ausgerechnet im Wahljahr 2025 tun. Kein Wunder, hagelt es aus dem Kreis der Grünen und der Sozialdemokraten weiterhin Ideen zur Aussetzung oder Aufweichung der Schuldenbremse – was die FDP bis jetzt ablehnt.
Wie sich die «Ampel» in dieser Lage zu einem Haushalt durchringen soll, bleibt schleierhaft. Die Verhandlungen hätten durchaus das Potenzial, die Koalition zu sprengen – wären nicht die Umfragewerte aller drei Parteien so schlecht, dass sie zum gemeinsamen Sichdurchwursteln fast schon gezwungen sind.
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