Montag, Dezember 23

Der japanische Baukünstler ist hauptsächlich mit Museums-Bauten berühmt geworden. Am 16. Dezember ist Yoshio Taniguchi im Alter von 87 Jahren gestorben.

Spätestens seit seiner Erweiterung des Museums of Modern Art (MoMA) in New York 2004 wurde der japanische Architekt Yoshio Taniguchi weltweit als Meister der subtilen Museumsarchitektur bekannt. Die dramatische, mit schwarzem Schiefer verkleidete Fassade des MoMA-Eingangs, der von ihm an die 54th Street verlegt wurde, verankert das berühmteste Museum moderner Kunst im Stadtbild von Manhattan.

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Taniguchis «Baukunst der Subtraktion», in der jedes Element wesentlich ist und die dennoch bescheiden bleibt, prägt auch einige der elegantesten zeitgenössischen Bauten, die Japan zu bieten hat. Das MoMA war Taniguchis erstes Werk ausserhalb von Japan, es folgten der Sitz der Asia Society in Houston/Texas und der Novartis-Campus in Basel von 2010, seinem einzigen Werk in Europa.

Bei der Auftragsvergabe für das MoMA in New York galt Taniguchi zugleich als Aussenseiter und Pionier: Er war der älteste und dennoch im Wettstreit unerfahrenste Wettbewerbsteilnehmer. Taniguchi zählte nicht zur hippen Avantgarde, aber er hatte eine Reihe hervorragender Kunstmuseen in Japan als Referenz vorzuweisen, die von Ernst, Kompetenz und Erfahrung zeugen.

Architektur der Stille

Der 1937 in Tokio geborene Architekt arbeitete nach seinem Studium an der Keio-Universität in Tokyo und in Harvard zunächst im Büro von Kenzo Tange. Taniguchi war einer der ersten japanischen Architekten der Nachkriegsgeneration, der seine Ausbildung ausserhalb Nippons erhielt und der erste im Ausland ausgebildete Architekt, der in Japan eine Zulassung als Architekt erhalten hat.

Im Jahr 1979 gründete er sein eigenes Büro in Tokyo. Als Sohn des berühmten Museums-Architekten Yoshiro Taniguchi (1904–1979) war sein Familienname in Japan bereits mit dem Bautypus Museum verknüpft. Sie blieb auch für den Junior das zentrale Sujet seines Lebenswerks. Seine Bauten sind ausserhalb Japans kaum bekannt. Taniguchi suchte nie die Öffentlichkeit. Er war der Meinung, dass seine Entwürfe alles sagen, was er zu sagen hat, und dass «Architektur von höchster Qualität die Stille ist».

Auch sein Architekturbüro war ungewöhnlich strukturiert. Um die volle gestalterische Kontrolle über alle Aspekte seiner Werke zu behalten, hat Taniguchi maximal 15 Mitarbeiter beschäftigt. Diese Mannschaft bearbeitete stets nur jeweils ein Projekt nach dem anderen. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, bis Taniguchi im Westen durch Dana Buntrocks Buch «Master of Minimalism» und die Verleihung des Praemium Imperiale bekannt wurde und er in den beiden bekanntesten Städten Japans, Tokyo und Kyoto, grosse staatliche Museen bauen durfte.

Der neue Eingangsbereich beim Museum Of Modern Art in New York (Bild links) hat dem Museum eine ikonische Gestalt verliehen.
Rechtes Bild: Innenräume des Museum Of Modern Art in New York

Zu den feinsten Werken von Taniguchi gehört das Heisei-Nationalmuseum in Kyoto für vormoderne asiatische Kunst, vor dessen Kalkstein-Fassade eine grosse Loggia aus Stahl liegt. Dieser Portikus schafft eine wichtige Zwischenzone zwischen Innen- und Aussenraum, die sich in einem Bassin zusätzlich effektvoll spiegelt. Die asymmetrische Komposition und die Verwendung von Milchglas, das wie japanische Shoji-Wände das Tageslicht gleichmässig streut, sind typisch japanische Elemente von Taniguchis Museum.

Verbindung von Ost und West

«Museen sind nur dann gut, wenn sie ohne die Kunstwerke darin noch nicht komplett sind», so Taniguchi. Schon sein Vater hatte beim Toyo-kan und dem Nationalmuseum für moderne Kunst (beide in Tokyo) Architekturelemente aus Ost und West miteinander synthetisiert. Yoshio Taniguchi setzte diese Familientradition fort. Die strikte, rechteckige Geometrie des Museums in Kyoto ist perfekt detailliert und verströmt eine elegante Atmosphäre.

Schon bei der Galerie für die Horyuji-Schätze des Tokyoter National Museums im Ueno Park hatte Taniguchi vorgemacht, wie effektvoll sein subtiles räumliches Spiel von Transparenz, Undurchsichtigkeit und Reflexion ist, wie intrikat Vertikale und Horizontale sowie Gewicht und Leichtigkeit das Erscheinungsbild organisieren. Besucher sehen auch hier die Eingangsfassade zuerst über ein flaches Wasserbecken hinweg, in dem sich die vertikalen Aluminiumlamellen und Stützen spiegeln. Der Eingang ist aussermittig und indirekt, und wie in Kyoto wird auch hier die Eingangsfassade von einer Metall-Loggia gerahmt, die sich vertikal hebt und in ein Dach verwandelt, das von vier schlanken Rundstützen getragen wird.

Die Grenze zwischen den Sphären ist die Loggia als überdachter Zwischenraum oder Grenze. Nicht alle Details werden von Anfang an offenbar und nur dem aufmerksamen Betrachter eröffnen sich die Feinheiten, die durch grosse Konsistenz von Idee bis ins kleinste Detail bestimmt ist.

Taniguchi interessierte sich stets auch für technische Aspekte der Architektur und schöpfte daraus Werke formaler Strenge und rhythmischer Klarheit und räumlichem Fluss. Die gekonnte Dramatisierung der Räume, der Reichtum der sequenziellen Erfahrung spricht alle Sinne an. Das Einrichten eines neuen Ortes wird im Japanischen «za» (auch Sitz und Spielstätte) genannt. Diese Methode setzt verschiedene Elemente in Beziehung zueinander, die vom «za» eingeschlossen, verbunden, unterstützt oder untergeordnet werden.

Das «za» kann die «latente Energie eines Ortes», der auf den ersten Blick verarmt und unattraktiv ist, aktivieren. Diese typisch japanische Sensibilität demonstrierte Taniguchi auch bei der Wahl seiner bevorzugten Baumaterialien wie Fliesen, Metall, Stein, Glas und Schiefer. Bei ihrer Verarbeitung zeigte der Architekt die Leidenschaft eines Handwerkers an der «kumulativen Wirkung von Arbeit, Detail und Konstruktion».

Räume für die Kunst

Derlei Sorgfalt allein erklärt die gelassene Kraft von Taniguchis Architektur jedoch nur zum Teil, die stets ohne formales Spektakel auskommt. Vielmehr schaffen Taniguchis Museen «Mikrokosmen in der Stadt», eine fast autarke Welt, oasen-ähnliche Zufluchtsorte vor dem städtischen Chaos. Denn das Understatement und die gestalterische Zurückhaltung sind Werte, die man im visuellen und physischen Dickicht der japanischen Metropolen besonders zu schätzen lernt.

Aber auch mitten in New York war es Taniguchi gelungen, statt mit einer eitlen Ego-Architektur, wie sie damals im Museumbau en vogue war, mit einer Abfolge kubischer Strukturen die Bestandsbauten des MoMAs geschickt miteinander neu zu verweben und den Fokus dabei auf der Darstellung der Kunst zu belassen. Mit der Mühelosigkeit eines wahren Künstlers hat Taniguchi so dem MoMA und vielen anderen Museen Kohärenz, Körperlichkeit und ruhige Aura geschenkt, die Barrieren zwischen der Baukunst und der bildenden Kunst beseitigt.

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