Mittwoch, Oktober 9

Er war ein weitherum geachteter Ökonom und Freund der Schweiz, der es wie nur wenige verstand, theoretische Erkenntnisse mit viel Verständnis für geschichtliche und politische Zusammenhänge zu verbinden.

Ökonomische Theoretiker gibt es viele. Geldtheoretiker schon weniger. Dünn gesät sind solche, die die Diskussion über die Politik der Zentralbanken jahrzehntelang mitprägen. Peter Bernholz war ein solcher und darüber hinaus noch einiges mehr.

Sein Verständnis von theoretischer Nationalökonomie verband sich bei dem 1929 im nordrhein-westfälischen Bad Salzuflen Geborenen mit einem regen Interesse an den tatsächlichen Gegebenheiten, wie sie aus statistischen Analysen herausgelesen werden können. Charakteristisch war auch sein vertieftes Verständnis von geschichtlichen Zusammenhängen und von Politik – und ein Blick, der sich stets über das rein Nationale hinaus richtete.

Von der Inflation zur Politik

Bernholz warnte immer wieder vor der Verharmlosung von Inflation. Seine Arbeiten zur Entstehung von Hyperinflationen rund um den Globus sind zum «Goldstandard» in der Disziplin geworden. Sie zeigen, dass es nie Zufall ist, wenn die Inflation an Fahrt gewinnt und schliesslich in zwei, drei- und mehrstellige Teuerungsraten mündet. Als Gegenmittel trat Bernholz für bindende Regeln oder gar eine Goldbindung ein.

Schon in seiner Dissertation setzte sich der junge Ökonom, der an den Universitäten Marburg und München Volkswirtschaftslehre studiert hatte, mit der Kapitaltheorie auseinander. Bernholz zeigte Sympathie für die sogenannte österreichische Schule, die das handelnde Individuum und den Zins als Preis des Zuwartens in den Mittelpunkt der Analyse stellt. Er verteidigte aber auch den Monetarismus, der Inflation als ein rein geldpolitisch bedingtes Phänomen begreift und steuern will.

Bernholz war nicht nur ein Doyen der Geldpolitik, sondern immer auch ein politisch denkender Mensch. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die ursprünglich aus den USA stammende «Public Choice Theory» – die ökonomische Analyse der Politik und ihre den eigenen Nutzen maximierenden Akteure – im deutschsprachigen Raum verbreitet hat. Bernholz war Mitgründer der European Public Choice Society und hat diese von 1974 bis 1981 als Präsident geleitet. Seine dreibändigen «Grundlagen der politischen Ökonomie» sind zu einem Standardlehrbuch geworden.

Für direkte Demokratie – gegen Totalitarismus

Er, der noch die Schrecken des Naziregimes erlebt hatte, war ein überzeugter Liberaler und engagierter Verfechter der direkten Demokratie schweizerischer Prägung. Bernholz glaubte an die Fähigkeit des einzelnen Bürgers, informierte Entscheidungen zu fällen und dabei Partikularinteressen auszutarieren. Er war Mitglied der internationalen Mont-Pèlerin-Gesellschaft und wurde 2017 von der Hayek-Gesellschaft für sein Lebenswerk mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet. Seine 2017 als Buch publizierte Analyse des Totalitarismus, Terrorismus und übergeordneter Werte ist zu einem Spätwerk von bedrückender Aktualität geworden.

Bernholz hat sich auch in der NZZ regelmässig zu konkreten Fragen der Geld- und Wirtschaftspolitik geäussert. Er warnte vor den falschen Anreizen, die sich ergeben, wenn Schulden in der Europäischen Währungsunion vergemeinschaftet würden. Er mahnte, dass die tiefe Inflation zusammen mit den flexiblen Wechselkursen dazu führen werde, dass der Franken zu übermässiger Stärke neigen werde, wogegen sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) werde stemmen müssen. Die SNB forderte er dazu auf, einen grösseren Anteil ihrer Devisenreserven in Aktien anzulegen.

Verschiedene Gastprofessuren und internationale Engagements führten Bernholz an renommierte Universitäten in den USA, darunter an das MIT, nach Stanford und immer wieder an die George Mason University. Doch in seiner ordentlichen Lehrtätigkeit ist er trotz zahlreichen Berufungen und Ehrendoktoraten der Universität Basel über ein Vierteljahrhundert lang treu geblieben. Dort hatte er von 1971 bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik, Geld und Aussenwirtschaft, inne. Seine stattliche Statur, seine klare Ausdrucksweise, sein scharfer Verstand und seine vielen einprägsamen Beispiele haben Generationen von Studenten beeindruckt. Am vergangenen Samstag ist Peter Bernholz im Alter von 95 Jahren in Basel verstorben.

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