Dienstag, November 26

Ein Abkommen mit der EU ohne Schutzmassnahmen gegen eine zu starke Zuwanderung hat es innenpolitisch schwer. Der Bundesrat setzt deshalb auf eine entsprechende Klausel. Doch zu welchem Preis?

Justizminister Beat Jans sagt wieder einmal das, was eigentlich Aussenminister Ignazio Cassis sagen müsste: «Ohne Schutzklausel wird es innenpolitisch schwierig.»

Im Gegensatz zu Cassis redet Jans noch mit den privaten Medien und damit indirekt mit der Bevölkerung. Der für die Verhandlungen mit der EU zuständige Vorsteher des Aussendepartements (EDA) hingegen ist offensichtlich der Meinung, es reiche, wenn er vor Zürcher Rotariern auftrete oder die Reden, die er im Uno-Sicherheitsrat hält, auf die Website seines Departements stelle.

Es ist nicht das erste Mal, dass Beat Jans das europapolitische Sprachrohr des Bundesrats gibt. Im Sommer hat er sich in einem Beitrag für die NZZ fast schon euphorisch über das geplante Verhandlungspaket geäussert. Offenbar in Absprache mit Cassis. Die anderen Bundesräte wussten von nichts und reagierten – je nach Temperament – baff oder verärgert.

Dieses Mal dürfte Jans für die Mehrheit der Landesregierung gesprochen haben. Denn er spricht nur eine innenpolitische Tatsache aus: Ohne Schutzklausel gegen eine übermässige Zuwanderung wird es nichts mit dem geplanten Abkommen mit der EU. Die Schweiz müsste der EU mit der dynamischen Rechtsübernahme und dem geplanten Streitschlichtungsverfahren schon genug Zugeständnisse machen. Die Grundstimmung im Land ist skeptisch bis ablehnend.

Die EU weiss das, und deshalb liess sie der Schweiz im Oktober eine klare Botschaft zukommen: Es gebe keine Unterstützung für eine unilaterale Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit, sagte Maros Sefcovic, der Vizepräsident der Europäischen Kommission, gegenüber Schweizer Journalisten. Und weil gerade ein Ministertreffen stattfand, liess man die versammelten Magistraten die Botschaft vielstimmig wiederholen.

Dass die EU der Schweiz keine einseitige Klausel zum Schutz vor Zuwanderung zugestehen möchte, bedeutet nicht, dass gar keine Schutzmassnahmen möglich sind. Deshalb will man verhandeln: Ursprünglich hatten die EU-Unterhändler gehofft, die Personenfreizügigkeit auch auf Studierende ausdehnen zu können – im Gegenzug für eine Schutzklausel. Die Schweiz hätte dafür die höheren Gebühren für ausländische Studentinnen und Studenten abschaffen müssen. Nach einem robusten Nein aus der Schweiz steht nun offenbar noch der Verzicht auf eine weitere Gebührenerhöhung im Raum.

Eine Zulassung nur für ausländische Studierende mit sehr hohem Notendurchschnitt könnte das Problem der Überlastung und des drohenden Abstiegs in das universitäre europäische Mittelmass lösen. Doch wie sähe eigentlich die Schutzklausel, die sich die Schweiz als Zugeständnis für diese Öffnung aushandeln will, aus?

Da sich die EU bereits klar gegen unilaterale Schutzmassnahmen ausgesprochen hat, muss man davon ausgehen, dass ein solches Instrument nicht viel bringen würde. Die EU müsste jeden Einsatz erst genehmigen, und auch wenn sie ihre Erlaubnis für eine begrenzte Zeit geben würde, wäre es für einen wirksamen Schutz schon zu spät. Die Schutzklausel kann (ausser die Schweiz provoziert einen Schiedsgerichtsfall) erst dann in Kraft gesetzt werden, wenn schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Probleme geltend gemacht werden können.

Da die Schweizer Wirtschaft von der Zuwanderung der ausländischen Fachkräfte profitiert, taugt eine Alibiklausel im Gegenzug für mehr studentische Personenfreizügigkeit wenig. Wenn schon, braucht es ein Instrument, das den Namen Schutzklausel tatsächlich verdient und von dem im Idealfall auch die EU profitieren kann. Der Ex-Staatssekretär Michael Ambühl hat kürzlich ein entsprechendes Modell vorgestellt.

Denn Jans hat recht. Ohne die Möglichkeit, das Land vor zu starker Zuwanderung zu schützen, sinken die Chancen für das geplante Abkommen gegen null. Eine Klausel jedoch, die vor allem das gefährdete Vertragswerk schützen will, schadet mehr, als sie nützt.

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