Die Fotografen Evan Vucci und Doug Mills standen unmittelbar vor der Bühne in Pennsylvania. Sie machten geschichtsträchtige Bilder. Eine Betrachtung.
Die Szene ist unfassbar und unwirklich. Die Sicherheitskräfte zerren Trump von der Bühne, sie wollen ihn beschützen. Doch Trump scheint zu spüren, wie viel Potenzial für Inszenierung diesem Moment innewohnt. Er stoppt die Agenten des Secret Service, sagt: «Wait, Wait, Wait.» Sein Gesicht verhärtet sich, er richtet sich auf, ballt die Faust und hebt sie in den Himmel von Pennsylvania. Und Trump ruft, Sekunden nachdem jemand auf ihn geschossen hat: «Fight, Fight, Fight!» Die Menge jubelt.
Es gibt Tausende Fotos, Videos, Tonaufnahmen, die diesen Moment zeigen. Seit Samstagabend fluten diese Schnipsel die sozialen Netzwerke. Doch es gibt das eine Bild, das alle anderen überstrahlt.
Es zeigt Trump, erhobene Faust, Blutspuren im Gesicht, offener Mund. Das Bild wurde von unten aufgenommen, direkt vor der Bühne. Aus diesem Winkel wirkt Trump grösser, stärker, höher als die Sicherheitskräfte, die ihn umgeben. Und hinter Trump, vor tiefblauem Himmel, weht die amerikanische Flagge.
Es ist ein preisgekrönter Journalist, der Trump in diesem Moment fotografiert hat: Evan Vucci, Fotograf der Associated Press. Er stand in der Medienzone unmittelbar vor der Bühne, als der Attentäter auf Trump schoss. Statt zu flüchten, blieb er stehen und fotografierte. Vucci sagte später: «Ich habe einfach meinen Job gemacht.»
Ein Bild mit grosser Symbolkraft
Das Attentat auf Trump am Samstag in Pennsylvania ist das erste dieser Art in den Zeiten von Social Media, in denen Videos in Sekundenschnelle Millionen erreichen. Und doch sind es zwei Bilder, die nach dem Attentat am stärksten wirken. Und wohl noch in Jahrzehnten sinnbildhaft für dieses Juliwochenende stehen werden.
Während die Videos der Veranstaltung chaotisch, verschwommen und undeutlich sind, ist dieses Bild ruhig, stark, eindeutig. Es hat eine klare Botschaft: Trump, der Überlebende, der kämpfen will. Der «New York Times»-Fotograf Mills stand ebenfalls in der Medienzone und schoss ähnliche Bilder. Er sagte, er habe nach dem Attentat durch die Linse seiner Kamera in Trumps Gesicht geblickt und gedacht: «God, he’s mad as well.» – «Er ist verdammt wütend.»
Seit dem Attentat wird das Bild von Trump mit Faust und Flagge in den Medien analysiert. Die «New York Times» bezeichnet das Bild als Krönung des Fotojournalismus, als perfekt komponiertes Bild einer historischen Nachricht. Und die «Süddeutsche Zeitung» schreibt, Trump habe sich durch das Bild in Sekunden vom Täter zum Opfer und vom Opfer zum Volkshelden gewandelt.
Man sei versucht, historische Vergleiche zu ziehen. Etwa zum Gemälde des französischen Malers Eugène Delacroix: «Die Freiheit führt das Volk». Es zeigt den Aufstand der Pariser Bevölkerung während der Julirevolution 1830.
Und dann diese Faust, das universelle Zeichen gegen Unterdrückung. Es wurde von Kommunisten, Gewerkschaften und, ja, auch von Faschisten verwendet. In den USA steht es für den Kampf gegen systemischen Rassismus.
An den Olympischen Spielen 1968 stellten die afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos Weltrekorde auf. An der Preisverleihung hoben sie, als die Nationalhymne ertönte, ihre Fäuste. Es war ein Statement gegen die systematische Unterdrückung der Schwarzen und markierte einen entscheidenden Moment in der Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.
Das zweite ikonische Bild des Trump-Attentats schoss Doug Mills von der «New York Times». Es zeigt Trump – und hinter ihm die Rauchschwade eines Schusses, Spuren eines Projektils.
Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei der Kugel um eine, die an Trump vorbeiflog. Dass der Fotograf Mills die Kugel fotografieren konnte, war pures Glück. Der «New York Times» sagte er: «Ich liess meinen Finger einfach auf dem Auslöser.» Seine Kamera machte 30 Bilder pro Sekunde.
Die Bilder von Mills und Vucci gehen nun um die Welt. Und sie werden Teil der Geschichte. Doch wer sich die Fernsehbilder oder Videos auf Social Media anschaut, sieht auch ganz andere Szenen. Kurz nachdem Trump die Faust gen Himmel gestreckt hat, sackt er zusammen. Plötzlich wirkte er benommen. Und schwer verängstigt.

