Freitag, Oktober 4

Das Einwanderungsland Schweiz kommt an seine Grenzen. Das
zeigt eine repräsentative Untersuchung des Chancenbarometers 2024.

Die Schweizerinnen und Schweizer sind grosszügig. Auch in Städten und Gemeinden mit einem Ausländeranteil von gegen 40 Prozent ist die Diskussion nicht von Ablehnung und Fremdenhass geprägt. Doch die Situation auf dem Wohnungsmarkt und die Überlastung der Infrastruktur haben zu einem Umdenken geführt. Wie eine Umfrage des Instituts Demoscope im Auftrag des Projekts Chancenbarometer zeigt, beunruhigt die Aussicht einer 10-Millionen-Schweiz 65 Prozent der über 6000 Befragten.

Wirtschaftswachstum «ja, aber»

Müssten sie sich zwischen weniger Zuwanderung und weniger Wirtschaftswachstum entscheiden, nähme die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer eine moderater wachsende Wirtschaft in Kauf. Was das konkret bedeutet, lässt die Umfrage offen. Denn gleichzeitig sind 56 Prozent der Befragten der Ansicht, «dass die Schweiz auch in Zukunft ein ähnliches Wirtschaftswachstum wie in den vergangenen Jahren haben sollte».

Für einen Zuwanderungsstopp sprechen sich nur SVP-Wähler klar aus. 61 Prozent der Befragten lehnen geschlossene Grenzen ebenso klar ab. Auf breite Zustimmung stossen hingegen Vorschläge zur Regulierung der Zuwanderung. Eingriffe in die Personenfreizügigkeit sowie Massnahmen zur Stärkung des inländischen Arbeitspotenzials sind breit akzeptiert. Die Idee eines Punktesystems für Zuwanderer wird von 65 Prozent der Befragten begrüsst, einer Zuwanderungsgebühr, wie sie der Ökonom Reiner Eichenberger formuliert hat, können 53 Prozent etwas abgewinnen. 63 Prozent sprechen sich für die Abschaffung der Heiratsstrafe aus, 70 Prozent plädieren für mehr Entlastungen bei der Kinderbetreuung, und 73 Prozent sehen in der Flexibilisierung des AHV-Alters einen Lösungsansatz.

Interessant ist die Antwort auf die Frage «Wirtschaftswachstum oder Zuwanderung?». Wie die Befragung zeigt, ist der Mehrheit der Bevölkerung durchaus bewusst, dass die gute wirtschaftliche Situation des Landes auch mit der Zuwanderung von Fachkräften zu tun hat. Müssten sich die Befragten allerdings zwischen «starkem jährlichem Wirtschaftswachstum» und «keiner weiteren Zuwanderung» entscheiden, würden sie über alle Sprachregionen, Geschlechter, Altersgruppen und Bildungsniveaus hinweg die Beschränkung der Zuwanderung höher gewichten als ein starkes Wirtschaftswachstum. Bei Wählerinnen und Wählern der SVP ist diese Tendenz am stärksten ausgeprägt, danach folgen Anhängerinnen und Anhänger der Mitte und Parteilose.

Die Mehrheit der Befragten ist zwar der Ansicht, dass die Wirtschaft weiterwachsen soll wie bisher. Dennoch fühlen sich viele durch die starke Bevölkerungsentwicklung benachteiligt. Zwei Drittel haben den Eindruck, persönlich nicht vom Wirtschaftswachstum der letzten Jahre profitiert zu haben.

Kaum Bedenken wegen der inneren Sicherheit

Anders als in den Nachbarländern spielen Ängste in Bezug auf innere Sicherheit und Integration in der Schweiz allerdings keine zentrale Rolle. Die Schweiz sei eine offene Gesellschaft, die jedoch ihren Siedlungs- und Naturraum vom raschen Bevölkerungswachstum belastet sehe, sagt Politgeograf Michael Hermann, der das Projekt begleitet hat.

Die Schweizer Bevölkerung sehe zwar in der Zuwanderung ein wachsendes Problem. Der Handlungsbedarf beim Gesundheitssystem, bei der Altersvorsorge sowie bei der Energieversorgung sei in ihren Augen aber immer noch deutlich grösser. Dies zeige, dass es dem Zuwanderungsland Schweiz ganz gut gehe – gerade auch im Vergleich zu den Nachbarländern mit weniger Zuwanderung und grösseren Integrationsproblemen.

Das fünfte Schweizer Chancenbarometer der LARIX Foundation wird heute Dienstag im Rahmen des Chancentages 2024 an der Universität Luzern vorgestellt.

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