Dienstag, Januar 21

Türkische Sondereinheiten haben zwei seit Jahren flüchtige Verbrecher aus Armenien in die Türkei überführt. Die Kooperation zwischen den beiden Ländern zeigt: Besonders Armenien hat ein Interesse an besseren Beziehungen zu Ankara.

Auf dem Territorium von Ankaras Erbfeind fühlten sie sich vor dem Zugriff der türkischen Behörden wohl in Sicherheit. Doch nun ist die Flucht zweier türkischer Mafiosi ausgerechnet in Armenien zu Ende gegangen.

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Am Sonntag veröffentlichte das türkische Innenministerium ein Video, das die Rückführung von Ercan Yilmaz und Ibrahim Kaymak durch Sondereinheiten der türkischen Polizei zeigt. Die beiden Verbrecher, die über die rote Liste von Interpol gesucht wurden, waren zuvor von der armenischen Polizei festgenommen worden.

Insbesondere Ercan Yilmaz ist ein grosser Fisch. Er wird seit fünfzehn Jahren mit insgesamt 43 Haftbefehlen gesucht. Yilmaz wird mit dem berüchtigten Mafia-Paten Baris Boyun in Verbindung gebracht, der vergangenes Jahr in Italien verhaftet wurde.

Boyuns «Daltons-Bande» ist unter anderem im Waffenschmuggel und Drogenhandel aktiv und liefert sich Machtkämpfe mit anderen Mafia-Clans, auch über die Türkei hinaus. Auf ihr Konto geht unter anderem die Exekution des montenegrinischen Drogenbosses Jovan Vukotic im Frühling 2022 in Istanbul. Im Herbst 2023 wurden sechs Mitglieder der Daltons-Bande in Griechenland erschossen.

Öffentlicher Dank

Die Bedeutung der Aktion geht über die Bekämpfung der organisierten Kriminalität hinaus. Armenien und die Türkei unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Die gemeinsame Grenze ist seit mehr als drei Jahrzehnten unpassierbar.

Die unmittelbare Ursache hierfür liegt im Konflikt um Nagorni Karabach. Die Türkei unterstützt den «aserbaidschanischen Bruderstaat» im Streit um die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende, bis 2020 aber armenisch kontrollierte Region bedingungslos. Ebenfalls belastet der in der Türkei nie ernsthaft aufgearbeitete Massenmord an der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich das bilaterale Verhältnis.

Die erfolgreiche Kooperation der Sicherheitsbehörden ist deshalb bemerkenswert. Das türkische Innenministerium bedankte sich auf X sogar namentlich beim stellvertretenden armenischen Justizminister Tigran Dadunz für die gute Zusammenarbeit.

Annäherung ist ins Stocken geraten

Ob dies neue Bewegung in die ins Stocken geratene Annäherung der beiden Staaten bringen kann, wird sich zeigen. Eigentlich haben sich Erewan und Ankara bereits vor drei Jahren für verbesserte Beziehungen ausgesprochen.

Dies war auch eine Folge des Krieges von 2020, in dem Aserbaidschan weite Teile Nagorni Karabachs zurückerobert hatte. Von der russischen Schutzmacht in Stich gelassen, blieb dem isolierten Armenien gar nichts anderes übrig, als sich auf den Erzfeind zuzubewegen.

Es folgten mehrere symbolische Schritte. Seit Februar 2022 existiert eine direkte Flugverbindung zwischen Erewan und Istanbul. Kurz darauf überquerten armenische Nothelfer mit einer Spezialbewilligung die gemeinsame Grenze, um im Erdbebengebiet im Südosten des Landes zu helfen. Und im Juli desselben Jahres einigten sich die Aussenminister, die Grenze für Bürger von Drittstaaten zu öffnen. Dies ist aber nie geschehen.

Baku strotzt vor Selbstbewusstsein

Ankara besteht für weitere Fortschritte auf einem Friedensabkommen zwischen Erewan und Baku. Obwohl seit September 2023 ganz Nagorni Karabach unter aserbaidschanischer Kontrolle steht und es in der Folge dort zu einer veritablen ethnischen Säuberung der armenischen Bevölkerung kam, stellt der Machthaber in Baku, Präsident Ilham Alijew, immer weitere Bedingungen, etwa bezüglich des Verbindungskorridors, der über armenisches Territorium zur Exklave Nachitschewan eingerichtet werden soll. Zudem fordert er nun auch Änderungen bei der armenischen Verfassung.

Alijew weiss um die gewachsene geopolitische Bedeutung seines rohstoffreichen Landes, das als Gaslieferant für Europa eine Alternative zu Russland darstellt. Entsprechend selbstbewusst tritt er auf, auch gegenüber Russland, wie seine Reaktion auf den russischen Abschuss einer aserbaidschanischen Passagiermaschine zeigte.

Gegenüber Erewan zeigt Alijew keinerlei Kompromissbereitschaft. In einer Wortwahl, die auffällig an Putins Äusserungen vor dem Überfall auf die Ukraine erinnerte, bezeichnete er kürzlich das unabhängige Armenien als einen faschistischen Staat, der eine Bedrohung für die gesamte Region darstelle. Aserbaidschan könnte gezwungen sein, diese Bedrohung auszuschalten.

In Armenien weiss man, dass kein Land stärkeren Einfluss auf Baku hat als die Türkei. Die Geste des guten Willens in Form polizeilicher Zusammenarbeit ist auch in diesem Zusammenhang zu sehen.

Istanbul ist ein Drehkreuz der organisierten Kriminalität

Für Ankara und insbesondere Innenminister Ali Yerlikaya ist die Verhaftung der beiden Kriminellen in Armenien in jedem Fall ein Erfolg. Istanbul ist in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Drehkreuz der organisierten Kriminalität geworden, in dem neben türkischen Gruppierungen auch Syndikate aus dem Balkan und dem Kaukasus tätig sind. Innenminister Yerlikaya hat die Bekämpfung dieser Strukturen zur Priorität ernannt. Sein Amtsvorgänger Süleyman Soylu stand im Ruf, die Verstrickungen zwischen Politik, Sicherheitsstrukturen und organisierter Kriminalität, die in der Türkei eine lange Tradition haben, zu tolerieren.

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