Sonntag, September 29

Weil sie im Betrugsfall um die Kryptobörse FTX umfassend mit den Behörden kooperiert hat, erhält Ellison eine mildere Strafe als ihr einstiger Geschäfts- und Liebespartner.

Glück im Unglück für Caroline Ellison, die Mitverschwörerin im grössten Betrugsfall, den die Krypto-Welt je erlebt hat. Sie wird von einem New Yorker Gericht zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, wegen Betrug und Geldwäscherei. Ellison hatte mitgeholfen, 8 Milliarden Dollar zu veruntreuen. Weil sie als Kronzeugin wertvolle Hilfe leistete, fällt ihre Strafe vergleichsweise mild aus. Sie wird diese Strafe in einem Gefängnis nahe Boston verbüssen, wo ihre Familie lebt.

Andere Angeklagte traf es härter. Sam Bankman-Fried, der Chef der gescheiterten Kryptobörse FTX und Drahtzieher des Betrugsschemas, muss für 25 Jahre hinter Gitter. Er verbüsst bereits seine Strafe in einem Gefängnis in Brooklyn, New York, hat aber eine Beschwerde gegen das Urteil eingereicht: Er argumentiert, dass der Richter im Fall voreingenommen gewesen sei.

Zwei andere führende FTX-Mitarbeiter haben ebenfalls als Zeugen ausgesagt. Wie Ellison haben sie Bankman-Fried stark belastet, um mit einer milderen Strafe davonzukommen. Ein weiterer Mitverschwörer gab ein Schuldeingeständnis ab, verzichtete aber darauf, Bankman-Fried zu belasten. Er wurde im Mai zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Kronzeugin

Der Richter Lewis Kaplan, der schon Bankman-Fried verurteilt hatte, lobte Ellison beim Urteilsspruch am Dienstag. Sie zeige echte Reue und ihre Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden sei bedeutend gewesen. Er könne sich nicht daran erinnern, dass sie sich während des Prozesses auch nur einmal widersprochen habe.

Selbst die Ankläger hatten dem Richter mitgeteilt, dass Ellisons Verhalten im Prozess vorbildlich gewesen sei. Zudem musste sie zahlreiche Belästigungen über sich ergehen lassen, auch weil ihr Privatleben während des Prozesses gegen Bankman-Fried in aller Öffentlichkeit verhandelt wurde.

«Sie waren verletzlich, und Sie wurden ausgenutzt», sagte Kaplan an Ellison gerichtet. Dennoch könne er ihr keine «Du kommst aus dem Gefängnis frei»-Karte geben. Dafür wiege der Betrugsfall zu schwer.

Die Verteidigung hatte für Ellison einen Freispruch verlangt. Auch manche Rechtsexperten beklagten in amerikanischen Medien, dass die Bestrafung künftige Kronzeugen abschrecken könne. Die heute 29-Jährige hatte bereits kurz nach dem Zusammenbruch von FTX ihre Rolle im Betrugsfall umfassend gestanden. Sie erklärte in der Folge als Zeugin den Ermittlern in zahlreichen Sitzungen das chaotische Innenleben der Kryptobörse und half ihnen damit massgeblich eine Verurteilung von Bankman-Fried zu erreichen.

«Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die Opfer denke, die ich verletzt habe», sagte Ellison am Dienstag vor Gericht. «Ich schäme mich sehr für das, was ich getan habe».

Eine wichtige Helferin – und Geliebte

Ellison spielte eine zentrale Rolle in Bankman-Frieds Bitcoin-Reich. Sie hatte den Hedge-Fonds Alameda Research geleitet, das Schwesterunternehmen von FTX. Bankman-Fried verschob, zusammen mit seinen Helfern, hohe Bestände an Krypto-Vermögen von FTX-Kunden ohne deren Einwilligung zu Alameda Research. Bankman-Fried liess hierfür eigens die von FTX entwickelte Software umprogrammieren.

Die veruntreuten 8 Milliarden Dollar wurden dann für spekulative Krypto-Geschäfte, aber auch für politisches Lobbying, Hauskäufe und sonstige private Auslagen verwendet. Im November 2022 setzte Panik unter den FTX-Kunden ein, viele zogen ihr Vermögen von der Plattform ab. Wegen des vorangegangenen Betrugs konnte FTX viele nicht auszahlen. Es blieb ein Loch von 8 Milliarden Dollar zurück.

Sam Bankman-Fried und Caroline Ellison waren zeitweise auch privat ein Paar, hielten ihre Beziehung aber geheim. Sie jettete mit dem in manchen Kreisen als Krypto-Guru gefeierten FTX-Gründer dennoch quer durch die Welt und lebte mit ihm und anderen Mitarbeitern in einer luxuriösen Villa auf den Bahamas. Gemäss den Verteidigern von Ellison handelte es sich aber um eine «toxische» Beziehung: Bankman-Fried habe sie zeitweise mit Aufmerksamkeit überhäuft, ihr diese dann aber wieder entzogen.

Gemäss Gerichtsunterlagen, welche die Verteidigung vorlegte, hat Ellison auch ausserhalb des Gerichtssaals mit den Folgen ihrer Vergangenheit bei FTX zu kämpfen. Sie finde keinen Job. Eine Stelle, in welcher sie armen Familien bei der Steuererklärung geholfen hätte, erhielt sie nicht, als der potenzielle Arbeitgeber erfuhr, wer sie wirklich ist.

Ellison soll zudem mit ihren Eltern, die beide an der renommierten Bostoner Universität MIT unterrichten, an einem Mathematik-Lehrbuch gearbeitet haben. Darüber hinaus, berichten US-Medien übereinstimmend, habe ihre Mutter dem Gericht mitgeteilt, dass Ellison eine Novelle geschrieben habe. Diese spiele im England von Edward VII. und beruhe lose auf amourösen Liebesabenteuern, die sich ihre Schwester Kate ausgedacht habe.

Die Krypto-Karawane ist weitergezogen

Der Zusammenbruch von FTX hatte 2022 die Krypto-Welt schockiert und den Zerfall des Bitcoin-Preises beschleunigt. Doch wie viele Branchenbeobachter damals schon antizipierten, erholte sich der Bitcoin rasch wieder vom Betrugsfall.

Mit der Verurteilung von Caroline Ellison endet ein weiteres Kapitel aus der Wild-West-Ära der Krypto-Szene. Digitalwährungen wie der Bitcoin spalten die Anleger jedoch noch immer zutiefst. Die einen glauben, dass die Zeit der Glücksritter und Scharlatane mit dem Fall FTX ihr Ende gefunden hat. Die anderen sind überzeugt, dass viele Anbieter den Kunden noch immer überzogene Versprechungen machen – und die Sache erneut in einem Scherbenhaufen enden wird.

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