In Washington haben sich der amerikanische Finanzminister Scott Bessent und die ukrainische Wirtschaftsministerin Julia Swiridenko auf die Gründung eines Wiederaufbaufonds zwischen den beiden Staaten verständigt. Kiew scheint es dabei gelungen zu sein, ein vorteilhaftes Abkommen auszuhandeln.
Die USA und die Ukraine haben am Mittwoch, mit zwei Monaten Verspätung, ein Rohstoffabkommen unterzeichnet. Dies gab der amerikanische Finanzminister Scott Bessent am späten Nachmittag bekannt — nachdem sich den ganzen Tag lang in Washington die Gerüchte gejagt hatten, dass die Gründung des gemeinsamen Wiederaufbau-Investitionsfonds, wie das Abkommen offiziell heisst, im letzten Moment noch platzen könnte.
In einer vage formulierten Stellungnahme bezeichnete Bessent den Pakt als einen Schritt auf dem Weg zu einem Ende des Krieges in der Ukraine. Das Abkommen signalisiere, dass sich die Regierung von Präsident Donald Trump zu einem Friedensprozess bekenne, in dessen Zentrum längerfristig eine «freie, souveräne und wohlhabende Ukraine» stehe, sagte der Finanzminister.
On April 30, the United States and Ukraine signed an agreement to establish the United States-Ukraine Reconstruction Investment Fund.
This historic economic partnership clearly signals the Trump Administration’s commitment to a free, sovereign, and prosperous Ukraine. pic.twitter.com/cKUACUhet9
— Treasury Department (@USTreasury) April 30, 2025
Über den eigentlichen Inhalt des Deals schwieg Bessent sich aus. Auch erwähnte der Finanzminister seine Verhandlungspartnerin, die ukrainische Wirtschaftsministerin Julia Swiridenko, in der Stellungnahme mit keinem Wort. Dabei war die Ministerin eigens in die amerikanische Hauptstadt geflogen, um das Abkommen zu unterzeichnen.
Durchbruch nach Treffen von Trump mit Selenski
Die Regierung in Kiew hatte es nach dem Treffen von Trump und Präsident Wolodimir Selenski am Samstag in Rom plötzlich eilig, den Pakt zu besiegeln, der eigentlich bereits Ende Februar im Weissen Haus hätte unterzeichnet werden sollen. Damals waren sich Trump, sein Stellvertreter J. D. Vance und Selenski aber vor laufender Fernsehkamera in die Haare geraten. Und die geplante Zeremonie platzte.
Auch am Mittwoch stand die Unterzeichnung des wichtigen Abkommens auf der Kippe. Bessent verlor angeblich die Geduld mit Swiridenko, die wider Erwarten noch Nachverhandlungen gefordert habe. «Unsere Seite ist bereit zur Unterschrift», sagte Bessent dazu während einer Kabinettssitzung zu Trump.
Die Ukrainer hingegen machten formaljuristische Gründe für die Verzögerung geltend. Die Wirtschaftsministerin habe allein die Befugnis, ein Rahmenabkommen zu unterzeichnen, hiess es aus der Delegation. Die Detailfragen über die Ausbeutung von Bodenschätzen auf ukrainischem Gebiet hingegen fielen in die Zuständigkeit des ukrainischen Parlaments, soll Swiridenko gesagt haben. Bessent habe ihr daraufhin beschieden, wenn sie nicht das gesamte Paket unterzeichnen wolle, solle sie wieder nach Hause gehen, schrieb die «Financial Times».
«Für beide Länder vorteilhafte Bedingungen»
Aus den Stellungnahmen von Bessent und Swiridenko ging vorerst nicht hervor, wie es den beiden Seiten gelungen war, diesen Graben doch noch zu überwinden. Gestützt auf Quellen aus der Ukraine bezeichnete die «Washington Post» das Abkommen, das seit Februar nachverhandelt worden war, aber als vorteilhaft für Kiew.
So liess Bessent die Forderung von Präsident Trump fallen, die USA müssten aus dem neu zu schaffenden Fonds für die bereits geleistete Militärhilfe entschädigt werden. Nun sollen nur künftige amerikanische Waffenlieferungen als Zustupf zum Fonds betrachtet werden. Swiridenko erwähnte in diesem Zusammenhang Luftverteidigungssysteme aus amerikanischer Produktion.
Zwar enthält das Abkommen weiterhin keine direkten Sicherheitsgarantien der Amerikaner. Es soll aber auch kein Hindernis für einen allfälligen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union darstellen, obwohl amerikanische Investoren bevorzugt behandelt werden.
Auf dem Kurznachrichtendienst X strich Wirtschaftsministerin Swiridenko zudem heraus, dass die Ukraine volle Kontrolle über die Bodenschätze auf dem Staatsgebiet ihres Landes behalte. In Kiew werde entschieden, welche Rohstoffe ausgebeutet würden.
In den Fonds sollen 50 Prozent der Gewinne aus der Erschliessung neuer Vorkommen von Aluminium, Grafit oder Erdgas fliessen. Sämtliche Profite des gemeinsam von der Ukraine und den USA verwalteten Fonds würden in den ersten zehn Jahren in den Wiederaufbau der Ukraine investiert. Auch betonte die Wirtschaftsministerin, dass staatliche Unternehmen wie Energoatom, unter anderem Betreiber des AKW Saporischja, nicht im Fonds aufgehen würden.
Swiridenko zeigte sich deshalb zufrieden mit dem erzielten Kompromiss. «Wir haben ein Abkommen ausgearbeitet, das für beide Länder vorteilhafte Bedingungen schafft», schrieb sie auf X.