Donnerstag, November 28

Als die GLP-Politikerin Sanija Ameti auf ein Bild von Maria und Jesus schoss, wurde sie von der Partei und ihrem Arbeitgeber fallengelassen. Nur von der Operation Libero wurde Ameti gestützt. Dreht jetzt der Wind?

Knapp zwei Monate nach dem Wirbel um Sanija Ameti gibt der fünfköpfige Vorstand der Ostschweizer Operation-Libero-Sektion geschlossen seinen Rücktritt bekannt. Er hatte der Zentrale in Zürich schon vor Wochen ein Ultimatum gestellt, in dem er Ametis Ausschluss aus dem Präsidium forderte. Die Befürchtung: Die Operation Libero nimmt politischen Schaden, wenn Ameti Co-Präsidentin bleibt.

Am Samstagabend nun haben die fünf Ostschweizer Vorstände Ernst gemacht und ihre rund hundert Mitglieder über ihren Rücktritt informiert. In der Mail, die der NZZ vorliegt, äussern sie zunächst Verständnis für Ameti und den nationalen Vorstand. Es stehe ausser Frage, sich «schützend vor Sanija als Person zu stellen». Zu schützen seien jedoch auch die statutarischen Ziele und die Organisation. Und in diesem Zielkonflikt stehe die Organisation immer an erster Stelle. «Für den gesamten Ostschweizer Vorstand lässt sich ein Verbleib Sanijas im Amt als unsere Co-Präsidentin nicht mit unseren persönlichen Werten sowie unserem Verständnis der Rechenschaftspflicht vereinbaren, die wir auch euch gegenüber als Vereinsmitglieder haben.»

Hunderte Medienberichte

Ameti hatte am 7. September auf Instagram ein Bild von sich gepostet, wie sie mit einer Sportpistole auf ein Bild von Maria mit dem Jesuskind im Arm schoss. Zwar entschuldigte sich Ameti wenige Stunden später mit einem weiteren Instagram-Post. Sie habe fürs Schiessen eine Vorlage gebraucht, den Katalog mit dem Bild von Maria und Jesus habe sie gerade zur Hand gehabt.

In der Woche nach dem Instagram-Post erschienen Hunderte Artikel über Ameti. Sie ist in jenen Tagen bedroht worden und stand unter Polizeischutz. Ihre Partei, die GLP, startete ein Ausschlussverfahren. Ihr Arbeitgeber, die PR-Agentur Farner, beendete das Arbeitsverhältnis.

Nur die Operation Libero hielt zu Ameti. Sie schrieb damals: «Wir schätzen Sanija Ameti als Politikerin, als Co-Präsidentin und als Freundin.»

Dreht jetzt der Wind?

«Durchaus eine gute Besetzung»

Zu hören ist, dass Ameti innerhalb der Operation Libero nicht erst seit dem Instagram-Post umstritten ist. Einige störten sich etwa an Ametis Auftritt am Literaturfestival «Die Rahmenhandlung», als sie sich vor Publikum in eine gefüllte Badewanne setzte und aus der Bundesverfassung vorlas. So funktionierte das «Phänomen Ameti»: über Aufmerksamkeit und Aufruhr. In der SRF-Sendung «Club» sagte Ameti über Hans-Ueli Vogt und Albert Rösti, die damaligen Bundesratskandidaten der SVP, sie könne sich «politisch betrachtet keinen von ihnen schöntrinken».

Dabei war Ametis Medienpräsenz immer grösser als ihr politischer Einfluss. Sie verhehlte nie, auf nationaler Ebene politisieren zu wollen. Bei den nationalen Wahlen im vergangenen Jahr wurde sie von der Zürcher GLP aber auf Listenplatz 18 gesetzt. Ameti sitzt lediglich im Zürcher Gemeinderat.

Bruno Zanvit, Präsident der zurücktretenden Ostschweizer Sektion, sagt: «Sanija war aus meiner Sicht lange eine sehr gute Besetzung als Co-Präsidentin.» Sie habe mit ihren exzentrischen Inszenierungen und Provokationen der Operation Libero grosse Aufmerksamkeit beschert. «Die Aktion mit der Schusswaffe hat dann für mich eine Grenze überschritten.» Zanvit hätte sich im Austausch mit dem nationalen Vorstand «mehr Gehör für die eingebrachten Vorschläge und Rückmeldungen gewünscht».

Nationaler Vorstand hält zu Ameti

Der nationale Vorstand weilte an diesem Wochenende gerade an einer Vorstandsretraite im Tessin. Auch die Ereignisse rund um Ameti waren ein Thema.

Stefan Manser-Egli, Co-Präsident der Operation Libero, schreibt auf Anfrage: «Wir bedauern den Rücktritt des Vorstandes des Regio-Teams Ostschweiz sehr.» Dass er eine andere Meinung vertrete, sei zu respektieren. Man habe den Fall selbst mehrfach und intensiv diskutiert. Mit dem Schluss: Der Instagram-Post von Ameti sei zwar «falsch und unangebracht» gewesen, man nehme Ametis Entschuldigung aber an und stehe hinter ihr. Das täten im Übrigen auch die anderen regionalen Sektionen. Laut Manser-Egli hat sich keine andere Sektion gegen die Haltung des nationalen Vorstandes ausgesprochen.

Manser-Egli hält den politischen Schaden offenbar für überschaubar. Er sagt: «Wir haben Zuspruch dafür erhalten, dass wir auch in dieser schwierigen Situation zu Sanija stehen und Rückgrat zeigen.»

Ameti selbst pausiert nach wie vor. Auf eine Anfrage der NZZ hat sie nicht reagiert. Manser-Egli ist mit ihr im Austausch. Er schreibt: «Die heftigen Reaktionen haben Sanija gesundheitlich zugesetzt. Sie braucht Zeit, um die Geschehnisse zu verarbeiten.»

Es ist ruhiger geworden

Als Ameti 2021 Co-Präsidentin wurde, hatte die Operation Libero ihren vorläufigen Höhepunkt schon hinter sich. Die selbsternannte politische Bewegung, die weder Partei noch Kampagne sein will, lebt von den grossen nationalen Abstimmungen und Kontroversen – vorzugsweise lanciert von der SVP, die mit ihrer Masseneinwanderungsinitiative im Jahr 2014 der Grund für die Entstehung der Operation Libero war. 2016 bekämpften die Liberos die Durchsetzungsinitiative, später die No-Billag-Initiative und die Begrenzungsinitiative. Jedes Mal mit Erfolg.

Es war damals ein starkes Narrativ: 25- bis 35-Jährige, die ausserhalb von Bundesbern und Parteienspektrum die Schweizer Politlandschaft aufmischten. Doch die Bewegung funktionierte nur, solange sie gegen die SVP kämpfte – und entsprechend Spenden kassieren konnte. 2020, am Ende des ersten Corona-Jahres, fehlten 500 000 Franken. Die Operation Libero wurde erdrückt von Fixkosten in der Höhe von 47 000 Franken. Zwar überlebte die Bewegung, sie spielte in den folgenden Jahren aber zunehmend eine untergeordnete Rolle.

Deshalb will sich die Operation Libero jetzt neu erfinden und selbst Themen setzen, statt auf Themen zu reagieren. Sie sammelt derzeit Unterschriften für ihre Europa-Initiative. Auch an der Demokratie-Initiative ist sie beteiligt. Das Volksbegehren wird – das ist seit wenigen Tagen klar – vor das Volk kommen. Gleichzeitig kämpft die Organisation entschlossen gegen die Halbierungsinitiative oder die Nachhaltigkeitsinitiative gegen die Zehn-Millionen-Schweiz: zwei Vorlagen aus der SVP-Feder, die wie geschaffen sind für die Operation Libero.

Ob Sanija Ameti diese Kämpfe wirklich ausfechten wird, steht noch nicht fest. Bisher hat sie sich nicht öffentlich geäussert.

Bruno Zanvit macht sich derweil auf die Suche nach geeigneten Nachfolgern für den Vorstand der Ostschweizer Sektion. «Ist eine Fortführung des Vereins nicht sichergestellt, werden wir den Selbstauflösungsantrag vorbereiten», heisst es in der Mail an die Mitglieder.

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