Donnerstag, Oktober 31

Die Sanktionen Washingtons gegen eine Zürcher Kanzlei kommen in einem heiklen Moment für die Anwaltsbranche.

Die beiden Zürcher Wirtschaftsanwälte Andres Baumgartner und Fabio Delcò haben lange geschwiegen. Als 2016 internationale Medien berichteten, sie hätten dem russischen Cellisten Sergei Roldugin beim Verschleiern der Geldflüsse von Russlands Präsident Wladimir Putin geholfen, mieden sie die Öffentlichkeit. Und auch nach Ausbruch des Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine im Jahr 2022 sagten sie kein Wort.

All das änderte sich am Mittwoch, als das amerikanische Finanzministerium die beiden Schweizer Juristen auf seine Sanktionsliste setzte. In einer Mitteilung schrieb die unter Beschuss geratene Kanzlei: «Wir verurteilen aufs Schärfste, dass frei praktizierende Rechtsanwälte in der Schweiz zu politischen Zwecken der USA missbraucht und dazu in ihrer Existenz bedroht werden.» In einem ausführlichen Interview mit der NZZ bekräftigten sie, sie hätten im Fall Roldugin lediglich eine Briefträgerrolle innegehabt und zu keinem Zeitpunkt beim Aufbau von Offshore-Strukturen geholfen.

Der Bund nahm die US-Sanktionen gegen die beiden Anwälte am Donnerstag «zur Kenntnis». Man könne keine Einzelfälle kommentieren. In einer Mitteilung betonte die Verwaltung jedoch, die beiden Rechtsanwälte seien in der EU und in der Schweiz nicht mit Sanktionen belegt. «Grundsätzlich haben US-Sanktionen in der Schweiz keine direkte rechtliche Wirkung.»

Droht die graue Liste?

Der Schlag der amerikanischen Regierung gegen das Anwaltsduo Baumgartner und Delcò ist dennoch ein klares Zeichen dafür, unter welchem Druck sich die Schweizer Anwaltsbranche derzeit befindet.

Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch vonseiten des Schweizer Finanzplatzes wächst die Ungeduld mit dem Berufsstand. Die Banken und Washington drängen darauf, dass sich die Anwälte der vom Bundesrat geplanten Revision des Geldwäschereigesetzes beugen. Die Advokaten sollen sich künftig auch bei rein beratenden Tätigkeiten an die Sorgfaltspflichten zur Geldwäschereibekämpfung halten, nicht nur dann, wenn sie als Finanzintermediäre tätig sind.

Andernfalls besteht laut der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) das Risiko eines Reputationsschadens für den Finanzplatz. Die Schweiz könnte demnach 2027 auf der grauen Liste der internationalen Financial Action Task Force (FATF) landen, des wichtigsten Gremiums zur Geldwäschereibekämpfung. «Das gilt es unter allen Umständen zu vermeiden», sagt Felix Muff, Leiter Legal & Compliance der Bankiervereinigung. Die Revision müsse bis spätestens Ende 2026 im Gesetz verankert sein.

Muff zeigt sich überzeugt, dass seriöse Anwaltskanzleien die vom Geldwäschereigesetz vorgesehenen Abklärungen schon heute treffen. Der damit verbundene Zusatzaufwand sei vertretbar.

Die Geldwäscherei-Vorlage wird aufgespalten

Doch die Anwälte sträuben sich. Die Politik kommt ihnen bislang immer wieder entgegen. Die Rechtskommission des Ständerats hat am Mittwoch beschlossen, die Geldwäschereivorlage aufzuspalten. Unbestritten ist die geplante Einführung eines Transparenzregisters, das die wirtschaftlichen Berechtigten an Unternehmen offenlegt. Sie kommt in der Wintersession im Dezember ins Parlament.

Die umstrittene Ausweitung der Sorgfaltspflichten gegen Geldwäscherei dagegen will die ständerätliche Rechtskommission später behandeln. Zuerst soll die Bundesverwaltung klarer eingrenzen, welche Anwaltstätigkeiten künftig zusätzlich von den Vorschriften betroffen wären.

Der Generalsekretär des Schweizerischen Anwaltsverbandes, René Rall, hält auf Anfrage der NZZ fest, der Verband unterstütze die Stärkung des Abwehrdispositivs zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung «unter Wahrung des bewährten Prinzips der Selbstregulierung». Vermeintlicher Zeitdruck dürfe jedoch nicht schlechter Gesetzesarbeit Vorschub leisten. Zu den beiden mit Sanktionen belegten Anwälten betont Rall, es gelte die Unschuldsvermutung: «Sollte der Anwurf unberechtigt sein, müsste daraus abgeleitet werden, dass der US-Botschafter wohl andere Ziele verfolgt als die effiziente Bekämpfung der Geldwäscherei. Dann wird es ihm wohl eher darum gehen, den Finanzplatz Schweiz zu schwächen.»

Der amerikanische Botschafter Scott Miller wies am Donnerstag bei einem runden Tisch mit ausgewählten Medien den Vorwurf jedoch von sich, die USA würden mit der Durchsetzung der Russland-Sanktionen dem eigenen Finanzplatz Vorteile verschaffen wollen. Er betonte, es gehe den Vereinigten Staaten bei den Sanktionen darum, illegale Geldflüsse aufzudecken, die den ungerechtfertigten Krieg in der Ukraine mitfinanzierten. Der Anwaltsverband spreche von Mechanismen der Selbstregulierung. «Doch wo ist die Selbstregulierung?», fragte Miller rhetorisch.

Millers Kritik an der Eidgenossenschaft war ziemlich direkt. Das könnte in Teilen der Schweizer Politik auch als undiplomatische Einmischung in innenpolitische Prozesse interpretiert werden. Miller zeigte sich erstaunt über diesen «hypothetischen Gedanken», wie er es nennt: «Der Schweizer Finanzplatz ist trotz dem Fall des Bankgeheimnisses immer noch die Nummer eins für Offshore-Vermögen.»

Das Argument, die USA mischten sich ein, habe man schon in der Vergangenheit gehört, wenn die USA und die Schweiz «zusammengearbeitet» hätten. Als Beispiele nennt er das Bankgeheimnis, mithilfe dessen amerikanische Bürger Steuern vermieden hätten. Oder den Skandal um nachrichtenlose Vermögen aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Geschichte zeige, dass sich die Gespräche zwischen den USA und der Schweiz als produktiv erwiesen hätten. Er hoffe, die Schweiz sehe die Sanktionen nicht als Angriff auf die Souveränität und die Demokratie.

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