Donnerstag, März 13

Zwei Männer betreiben eine Firma, mit der sie Privatparkplätze kontrollieren. Der Richter in Bülach spricht von «privatem Raubrittertum».

Der vorsitzende Richter wählt am Montagabend im Bezirksgericht Bülach bei der Urteilseröffnung deutliche Worte: «Wir haben hier ein faules Geschäftsmodell, das man nicht schönreden kann», sagt er und spricht von «privatem Raubrittertum», mit dem sich zwei Schweizer Geschäftsführer bereichert hätten. Das Verhalten der Beschuldigten zerstöre letztlich auch das Vertrauen des Normalbürgers in den Staat.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Zuvor hatten die beiden Männer und vor allem ihre Verteidiger mehrere Stunden lang versucht darzulegen, dass die Art und Weise, wie die zwei Schweizer ihr Einkommen bestritten, das Normalste der Welt sei und sicher auch keine strafrechtliche Relevanz habe. Zumindest erstinstanzlich vor Bezirksgericht Bülach sind sie mit diesem Unterfangen aber kläglich gescheitert.

700 Rechnungen verschickt – 361 bezahlten

Im Dezember 2021 gründeten die beiden Beschuldigten in Bülach eine Firma. Gemäss Anklage soll bereits deren Name, der eine Assoziation zum Polizeibegriff hat, missbräuchlich gewesen sein. Dies, weil die Beschuldigten dadurch den Eindruck erweckt hätten, im Auftrag der Polizei hoheitliche Kontroll- und Inkassotätigkeiten auszuüben.

Gemäss Anklage «kupferten» die Beschuldigten ihr Geschäftsmodell einfach von anderen, bereits aktiven Firmen «ab»: Ab Januar 2022 begannen sie, audienzrichterlich geschützte Privatparkplätze zu kontrollieren, hielten Parkverstösse fotografisch fest und sandten den Fahrzeughaltern Rechnungen für «Umtriebsentschädigungen» zu.

Innerhalb von rund vier Monaten, bis im Mai 2022, verschickten sie rund 700 Rechnungen. Sie verlangten darin laut den Ausführungen des Staatsanwaltes einen Betrag von jeweils 70 bis 130 Franken als «Umtriebsentschädigung». In den meisten Fällen waren es 90 Franken, zum Teil kam eine «Halterermittlungsgebühr» von weiteren 20 Franken hinzu.

Gemäss Anklage waren diese Briefe sowohl in der Aufmachung als auch den Formulierungen amtlichen polizeilichen Übertretungsanzeigen täuschend ähnlich. Auf ihrer Homepage verwendeten die Beschuldigten zudem eine Zeitlang einen Button für die Online-Bezahlung, der mit «Bussen begleichen» beschriftet war.

361 Fahrzeughalter, die gemäss Anklage teilweise gar nicht identisch mit den fehlbaren Autolenkern waren, bezahlten die Rechnungen. Die Beschuldigten erwirtschafteten in rund vier Monaten einen Umsatz von etwa 36 000 Franken. Nach eigenen Angaben zahlten sie sich Monatslöhne von je 1800 Franken aus. Die Privat-Parkplatz-Eigentümer erhielten eine Gewinnbeteiligung von 5 bis 15 Franken pro erfasstem Parkverstoss.

Ein Staatsanwalt wurde durch einen Medienartikel auf die Machenschaften aufmerksam und eröffnete eine Strafuntersuchung. Er sieht die Straftatbestände der gewerbsmässigen Erpressung und mehrfachen Amtsanmassung als erfüllt an.

Er verlangt bedingte Freiheitsstrafen von 15 und 16 Monaten für die beiden Schweizer Geschäftsführer im Alter von 56 und 28 Jahren. Beim älteren klagt er zusätzlich eine angebliche Urkundenfälschung eines Covid-Impfzertifikats ein, deshalb ist der Strafantrag um einen Monat höher. Die Firma der beiden Beschuldigten ist nach wie vor aktiv, geschäftet inzwischen aber unter einem anderen Namen.

Streit um Beweismittel

Die Geschäftszahlen der Firma stammen von einer DVD, die bei einer Hausdurchsuchung in die Hände der Staatsanwaltschaft gelangte. Die Verteidigung stellt sich auf den Standpunkt, dass alle damit zusammenhängenden Beweise aufgrund des Siegelungsrechts nicht verwertbar seien. Diese Frage ist höchst umstritten und wurde schon mit Beschwerden bis ans Bundesgericht gezogen. Das Bezirksgericht Bülach stellt im Urteil schliesslich fest, dass kein Siegelungsantrag nachweisbar sei und die Daten verwertbar seien.

Zu mündlichen Interventionen der Verteidiger führt vor Gericht auch der Umstand, dass der vorsitzende Richter die Rechnungen der Beschuldigten während des Prozesses wiederholt als «Kopien» von Polizei-Ordnungsbussen bezeichnet. Der Richter sei voreingenommen, beschwert sich ein Verteidiger.

Die Beschuldigten beteuern, sie hätten keine Polizeibussen kopiert. Der Aufbau der Briefe entspreche «der Natur der Sache». Die Verstösse müsse man ja irgendwie darstellen. Der Richter erklärt hingegen, er habe 30 Jahre Erfahrung in der Justiz, er wisse, wie Rechnungen der Polizei aussehen.

Die Beschuldigten stellen sich auf den Standpunkt, mit ihrem Vorgehen hätten sie private Parkplatzeigentümer geschützt. Falschparkieren schade den lokalen Geschäften. Sie seien auch heute noch der Meinung, richtig gehandelt zu haben. In ihrer Befragung erzählen sie, die Firma habe vier Mitarbeiter gehabt und mit dem Arbeitsaufwand sei man auf Kosten von über 90 Franken pro Fall gekommen.

Der Staatsanwalt hält dagegen, dass in den Geschäftsunterlagen keinerlei Arbeitsverträge oder Hinweise auf die Tätigkeit weiterer Mitarbeiter gefunden worden seien.

Die Verteidiger beantragen vollumfängliche Freisprüche. Die Höhe der Gebühren sei branchenüblich und keineswegs überhöht, sondern gerechtfertigt. Der Service, den die Beschuldigten anböten, sei weder verwerflich noch strafrechtlich relevant. Zudem sei der Staatsanwalt persönlich befangen. Er gehe einzig gegen diese Firma vor, obwohl zahlreiche andere Konkurrenzfirmen ähnlich hohe Gebühren verlangten.

Der Staatsanwalt erklärt diesen Umstand damit, dass einzig die Firma der Beschuldigten ihre Rechnungen amtlichen Polizeiverzeigungen nachgebildet habe und nur diese Firma ihre Rechnungen mit der Drohung von Verzeigungen bei Nichtbezahlen verknüpft habe. Leidenschaftlich gestritten wird zwischen den Parteien auch über die Auslegung von Bundesgerichtsentscheiden, die je nach Sichtweise Gebührenobergrenzen festgelegt haben sollen oder nicht.

Beträge über 60 Franken rechtswidrig

Das Bezirksgericht Bülach verurteilt die beiden Männer wegen gewerbsmässiger Erpressung und mehrfacher Amtsanmassung zu bedingten Freiheitsstrafen von je 14 Monaten. Der 56-jährige Beschuldigte wird vom Vorwurf der Covid-Impfzertifikats-Urkundenfälschung mangels Beweisen freigesprochen.

In der Urteilsbegründung hält der vorsitzende Richter erneut fest, dass die Rechnungen der Beschuldigten von echten Polizeibussen nur schwer unterscheidbar seien. Sie entsprächen zu 90 Prozent den amtlichen Bussen des Staates. Es sei sogar ein Logo mit einem P und blauem Hintergrund angebracht worden.

Eine «08-15-Parkbusse» der Polizei koste 40 Franken. Dass man im privaten Bereich «noch gross darüber gehe», sei nicht nachvollziehbar. Der Richter zitiert Entscheide des Bundesgerichts und des Zürcher Obergerichts, in denen Beträge von 52 und 60 Franken als gerade «noch» angemessen beurteilt worden waren.

«Ich kann auch ein bisschen Deutsch», sagt der Richter, das Wörtchen «noch» bedeute, dass dies am obersten Rand sei und es mehr nicht vertrage. Alle Beträge über 60 Franken seien übersetzt und somit rechtswidrig. Die Parksünder hätten zu viel bezahlt, «sicher nicht freiwillig, sondern unter Druck». Eine Verzeigung sei jeweils ausdrücklich angedroht worden.

Die beiden Beschuldigten werden solidarisch verpflichtet, eine Ersatzforderung von 12 851 Franken 5 Rappen an den Staat abzuliefern. Dabei handelt es sich um den erzielten Mehrbetrag, der über eine Gebühr von 60 Franken pro Fall hinausgeht. Zudem müssen sie den grössten Teil der Gerichts- und Verfahrenskosten bezahlen. Die Schadenersatzforderungen der Privatkläger werden auf den Zivilweg verwiesen.

Urteile DG240051 und DG240052 vom 11. 3. 2025, noch nicht rechtskräftig.

Exit mobile version