Samstag, März 15

Frankreichs Regierung will die öffentlichrechtlichen Radios und Fernsehstationen zusammenlegen. Ihre Begründung: die Sender stärken. Die Journalisten aber fürchten um ihre journalistische Freiheit.

Wer in Frankreich am Donnerstagmittag die Nachrichten hören wollte und den Radiosender Franceinfo einschaltete, wurde überrascht: Statt der Stimme des Moderators erklang die der Sängerin Sia, die das Lied «Cheap Thrills» trällerte. Es folgte Harry Styles mit «Watermelon Sugar». So ging es weiter, unterbrochen wurde das musikalische Programm nur von kurzen Einspielungen – in denen erklärt wurde, am Donnerstag und Freitag gebe es keine der gewohnten Sendungen zu hören, weil die Angestellten des Senders streikten.

Auch bei TV-Sendern wie France 2 oder France 3 kam es an den beiden Tagen zu erheblichen Ausfällen und Programmänderungen. Auslöser der erzwungenen Nachrichtenpause war ein Gesetz, mit dem sich die französische Nationalversammlung vergangene Woche hätte befassen sollen. Es sieht eine Fusion der öffentlichrechtlichen Sendeanstalten vor. Konkret sollen nach dem Willen der Kulturministerin Rachida Dati die Hörfunkgesellschaft Radio France, die Fernsehanstalt France Télévisions, die Gesellschaft der internationalen Sender France Médias Monde und das Medienarchiv INA unter einem Dach vereint werden.

Eine Fusion wie in der Schweiz

Der öffentlichrechtliche Rundfunk in Frankreich besteht derzeit aus sechs verschiedenen Unternehmen, zu denen neben den genannten vier noch der internationale Fernsehsender TV5 Monde und der deutsch-französische Sender Arte gehören. Die beiden letzteren sind jedoch von den Fusionsplänen nicht betroffen. Auch das Schicksal von France Médias Monde ist derzeit noch unklar, da grosse Teile des Parlaments sich dagegen ausgesprochen haben, das Unternehmen in die Pläne mit einzubeziehen.

Sollten aber tatsächlich alle vier Unternehmen zusammengelegt werden, gäbe es in Frankreich künftig im Wesentlichen eine zentrale öffentliche Rundfunkanstalt – ähnlich wie bei der Fusion des Schweizer Radios und des Fernsehens, durch die im Jahr 2011 das SRF geschaffen wurde. Das neue Unternehmen hätte ein Budget von 4 Milliarden Euro und mehr als 16 000 Mitarbeiter (zum Vergleich: Dem SRF stehen bei 3200 Mitarbeitern 1,57 Milliarden Franken zur Verfügung).

Laut der Regierung soll der Schritt den öffentlichrechtlichen Rundfunk stärken und schlagkräftiger gegenüber der privaten Konkurrenz machen – auch gegenüber Streaminganbietern wie Netflix. Den betroffenen Mitarbeitern versprach Dati im Vorfeld der geplanten Debatte, die Fusion sichere ihren «Fortbestand» in einer Welt des «verschärften Wettbewerbs».

Gewerkschaften fürchten um Arbeitsplätze

Worte, denen diese anscheinend wenig Glauben schenkten. Am Donnerstag zogen mehrere hundert Angestellte des öffentlichen Rundfunks mit Bannern und Plakaten vor das Kulturministerium in Paris, um gegen das Vorhaben zu demonstrieren. Die Gewerkschaften sehen in der Fusion ein langwieriges und komplexes Projekt ohne klare redaktionelle Ziele, das den unabhängigen Journalismus sowie Arbeitsplätze gefährde.

Die Regierung bemüht sich, Befürchtungen über Einsparungen zu zerstreuen. Es gehe lediglich darum, den öffentlichen Rundfunk zu stärken, betont der zuständige Ausschuss immer wieder. Dieser funktioniere sehr gut, sei aber zunehmend durch private Konkurrenz bedroht.

Das sehen in der Politik nicht alle so. Bruno Retailleau, Vorsitzender der Senatsfraktion der Republikaner und Mitglied des Kulturausschusses, brachte auch finanzielle Überlegungen ins Gespräch: «Wenn man sparen muss, um effizienter zu sein, dann ist das doch kein Schimpfwort.» Tatsächlich ist das Budget der Sendeanstalten in den vergangenen Jahren wiederholt gekürzt worden. Genau wie Retailleau sehen viele konservative Politiker bei den Ausgaben für den öffentlichen Rundfunk eine Möglichkeit, die Schuldenlast des Staates zu senken.

Rundfunkgebühren abgeschafft

Auch Macron treibt das Thema seit einigen Jahren um. Schon bei seiner ersten Wahl 2017 kündigte er eine «Revolution» bei den Öffentlichrechtlichen an. 2022 schaffte er die Rundfunkgebühr in Höhe von 138 Euro pro Jahr und Haushalt ab, seitdem erhalten die Sendeanstalten ihr Geld direkt aus dem Finanzministerium – was bei vielen Journalisten die Sorge auslöste, der Staat könnte künftig mehr Einfluss nehmen.

Über ein Gesetz, das die drei Sendeanstalten unter einer Holding zusammenfassen sollte, debattierte das Parlament zum ersten Mal bereits vor dem Ausbruch der Pandemie, doch wie manch anderes Vorhaben fiel auch dieses zunächst unter den Tisch. Nun wird es wieder aufgegriffen, auch weil die Anfang des Jahres zur Kulturministerin ernannte Rachida Dati darauf drängt, das Projekt bald umzusetzen. Schon zum 1. Januar 2025 sollen die Unternehmen in eine gemeinsame Holding übergeführt werden, 2026 soll dann die endgültige Fusion erfolgen.

Vergangene Woche scheiterten Datis Bemühungen aber vorerst: Weil die Diskussion über ein neues Agrargesetz mehr Zeit in Anspruch nahm, musste die Besprechung der Fusionspläne im Parlament verschoben werden. Die streikenden Journalisten feierten das als einen Etappensieg: Die Verschiebung sei nicht etwa auf ein «Burnout der Abgeordneten» zurückzuführen, sagte die Generalsekretärin der Gewerkschaft CGT bei der Demonstration am Donnerstag, sondern auf eine immer unsicherer werdende Mehrheit.

Ob diese Interpretation reines Wunschdenken ist, wird sich zeigen. Im Juni soll, wenn alles nach Plan läuft, die Debatte im Parlament wieder aufgenommen werden.

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