Freitag, März 21

Das Buch war ein Bestseller: «Ein Leben zählt nichts» erzählt von den Machenschaften eines Clans der organisierten Kriminalität. Aus der Perspektive einer Insiderin. Doch die Zweifel mehren sich: Ist die Autorin die, die sie zu sein behauptet?

Sie erzählt von Menschenhandel, Schutzgelderpressung und Drogengeschäften. Von Geldwäscherei, Raub und Mord. Und sie erzählt von ihrer Familie, in der das alles an der Tagesordnung sei. Latife Arabs Buch «Ein Leben zählt nichts – als Frau im arabischen Clan» erregte Aufsehen, als es vor rund einem Jahr auf den Markt kam. Es wurde zum Bestseller. Rund 27 000 Exemplare wurden verkauft. Wochenlang stand das Buch auf der Bestenliste des «Spiegels».

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Nun hat es der Heyne-Verlag aus dem Verkauf gezogen. Wegen Zweifeln an der Identität der Autorin, wie er bekanntgibt. Der Titel wird nicht mehr ausgeliefert, auf der Webpage des Verlags ist er nicht mehr zu finden, und auch das E-Book ist nicht mehr verfügbar. Die Autorin habe keine Dokumente vorlegen können, die sie als Mitglied einer der bekannten arabischen Grossfamilien auswiesen, die die organisierte Kriminalität in Deutschland beherrschten.

Überfallen und geschlagen

Latife Arab ist ein Pseudonym. Ihre Identität hielt die Autorin geheim. Ihre Familie, sagte sie, könnte sie jederzeit ausfindig machen. Dann wäre sie tot. Im Herbst vergangenen Jahres schilderte sie der Presse, sie sei überfallen worden. Beim Einkaufen habe eine Gruppe von Männern sie festgehalten, geschlagen und in ein Auto gedrängt. Sie habe damit gerechnet, von einer Brücke geworfen oder mit Säure übergossen und verbrannt zu werden. Im Wald sei sie wieder zu sich gekommen.

Der Überfall blieb unaufgeklärt. In verschiedenen Medien machte Latife Arab der Polizei und der Staatsanwaltschaft Vorwürfe: Ihre Sicherheit und die ihrer Kinder seien nicht mehr gewährleistet. Sie sei ganz auf sich allein gestellt. Ob sich der Überfall tatsächlich ereignet und ob er sich so abgespielt hat, wie Arab ihn schildert, ist nach wie vor offen.

Das Gleiche gilt für das, was in ihrem Buch steht. «Eine Insiderin erzählt» lautet der Untertitel. Latife Arab beschreibt ihr Leben in einer kriminellen Grossfamilie. Sie gibt Einblick in die Machenschaften der Clans, die in verschiedenen deutschen Städten eine Art Parallelstruktur zum Staat aufgebaut haben und sich hemmungslos bereichern. Durch Raub, Erpressung, Drogenhandel.

Kein Respekt vor der Polizei

Vor der Polizei habe keiner ihrer Verwandten Respekt, schreibt Arab. Über allem stehe die «Ehre» der Familie, Frauen und Mädchen würden unterdrückt. «Manches klingt fast stereotyp», hielt die NZZ zu Arabs Schilderungen fest. Tatsächlich liest sich «Ein Leben zählt nichts» wie die Vorlage zu einem Krimi über organisierte Gewalt: der Fernsehserie «4 Blocks» zum Beispiel, die vom Clan der Hamady erzählt, der den Berliner Stadtteil Neukölln fest in seiner Gewalt hat.

Solche Clans sind in Deutschland traurige Realität. Zweifel an Latife Arabs Herkunft aus einer Clan-Familie kamen aber schon bald auf. Der Verlag verbürgte sich für die Authentizität der Geschichte. Einzelne Medien überprüften Teile des Buchs und bestätigten ihre Zuverlässigkeit. Im Dezember veröffentlichte der «Spiegel» eine Recherche, die auf Unstimmigkeiten in Arabs Schilderungen hinwies. Arab zog die Autorin des Artikels vor Gericht und erwirkte, dass einzelne Passagen nicht weiter verbreitet werden dürfen.

Ob Latife Arab die ist, die sie zu sein behauptet, ist offen. Wie viel von dem, was in ihrem Buch steht, den Tatsachen entspricht, auch. Um ihre Identität zu beweisen, habe Arab Dokumente vorgelegt, die wahrscheinlich gefälscht gewesen seien, sagt der Verlag. Daraufhin habe man der Autorin eine Frist gesetzt, um ihre Identität zu belegen. Die Frist sei ungenutzt verstrichen. Arabs Anwalt sagte der «Süddeutschen Zeitung», seine Mandantin sehe sich nicht in der Pflicht, Angaben zu ihrer Identität zu verifizieren. Für das Zustandekommen des Buches hätten diese «keine nachhaltige Relevanz».

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