Donnerstag, Mai 23

Chinas Regierung unterstützt Russlands Krieg gegen die Ukraine wohl stärker als bisher angenommen.

Repariert China gerade ein Schiff, das Russland mit Waffen und Munition aus Nordkorea versorgt? Ein von der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstagabend veröffentlichtes Satellitenbild legt das nahe.

Seit Februar liegt das Frachtschiff «Angara», das unter russischer Flagge fährt, im Hafen von Zhoushan in der Provinz Zhejiang südlich von Schanghai. Das hat das britische Forschungsinstitut Royal United Services Institut (Rusi) herausgefunden. Daten der Website Marine-Traffic bestätigen die derzeitige Position des Schiffs in Zhoushan.

Dort ist die Zhoushan Xinya Shipyard Company tätig, laut eigenen Angaben die grösste private Reparaturwerft Chinas – und der Welt. Die «Angara» könnte folglich wegen Reparatur- oder Unterhaltsarbeiten dort angelegt haben.

Im Hafen von Zhoushan liegt Chinas grösste private Reparaturwerft

Das russische Frachtschiff «Angara» ist seit Wochen in Zhoushan

Das Rusi konnte die «Angara» identifizieren, weil das Schiff seinen Positionssender in der Koreastrasse auf dem Weg nach China aktiviert hatte. Dieses Signal weist das Schiff eindeutig aus. Die Koreastrasse ist eine dicht befahrene Seeroute. Der Sender wurde wahrscheinlich vorübergehend aktiviert, um einen Zusammenstoss mit einem anderen Schiff zu verhindern.

Als die «Angara» im Januar in nordkoreanischen und russischen Häfen anlegte, war der Positionssender laut Recherchen des Rusi abgestellt. Eigentlich müsste er auf Frachtschiffen aus Gründen der Sicherheit und Überwachung ständig aktiviert sein. Doch immer wieder umgehen Schiffe diese Regel der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation, weil sie verschleiern möchten, dass sie illegal fischen, Waren schmuggeln oder Sanktionen umgehen.

Letztgenanntes trifft wahrscheinlich auf die «Angara» zu. Das Frachtschiff, das den Namen eines Flusses in Sibirien trägt, ist seit August letzten Jahres mindestens elf Mal zwischen dem nordkoreanischen Hafen Rajin und russischen Häfen verkehrt. So lange verfolgen die Rusi-Experten bereits die Bewegungen des Schiffs auf öffentlich zugänglichen Plattformen und via Satellitenbildern. Es wird angenommen, dass das Schiff Tausende Container mit Kriegsgütern transportiert hat, die Russlands Armee im Krieg gegen die Ukraine dringend benötigt. Auf der «Angara» haben über 600 Container von sechs Metern Länge Platz.

Russlands Waffennachschub aus Nordkorea

Im Juli letzten Jahres reiste der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu nach Nordkorea und liess sich vom Machthaber Kim Jong Un Raketen und Drohnen zeigen. Wenige Wochen später nahmen mindestens drei russische Frachtschiffe ihre geheime Route zwischen Nordkorea und russischen Häfen auf – darunter die «Angara».

Zeitgleich zeigten Satellitenbilder laut einer Analyse von Rusi, dass ganz im Süden Russlands bei Tichorezk unweit der ukrainischen Grenze ein neues Waffendepot im Aufbau war. Die Container, die auf Zügen dahin transportiert wurden, hatten dieselbe Grösse und Farbe wie die Container, mit denen die Frachtschiffe aus Nordkorea beladen waren. Im ukrainischen Kriegsgebiet wurden dann ab Dezember Kurzstreckenraketen, Mörser und Granaten aus Nordkorea entdeckt.

Russland verstösst damit gegen mehrere Resolutionen des Uno-Sicherheitsrats, dem Russland als ständiges Mitglied angehört. Diese verbieten den Handel mit Waffen, militärischer Ausrüstung und Technologien mit Nordkorea. Zudem sind finanzielle Transaktionen, die Nordkoreas Waffenprogramme unterstützen könnten, streng untersagt.

Chinas Regierungsvertreter geben sich unwissend

Auch China ist ein ständiges Mitglied des Uno-Sicherheitsrats. Gleichzeitig duldet Peking offenbar ein russisches Schiff, das mutmasslich am illegalen Waffenhandel mit Nordkorea beteiligt ist, vor seiner Küste – und liess es vermutlich für Unterhaltsarbeiten vor Anker gehen. Gegenüber Reuters sagte das chinesische Aussenministerium, dass es keinerlei Informationen über die «Angara» habe.

Chinas indirekte Unterstützung Russlands geht offenbar weiter als bisher angenommen. Die USA werfen China schon lange vor, nicht mehr neutral zu sein und die russische Verteidigungsindustrie zu beliefern. China hält Russland einerseits wirtschaftlich den Rücken frei und federt so die westlichen Sanktionen gegen Russland ab. Das Handelsvolumen der beiden Grossmächte ist im letzten Jahr um über einen Viertel angestiegen. China liefert zwar keine tödlichen Waffen an Russland, doch Güter wie Chips, zivile Drohnen und andere Komponenten, die in der russischen Armee zum Einsatz kommen.

China sei der bedeutendste Lieferant für wichtige Güter, die Moskau für seine Verteidigungsindustrie benötige, sagte der amerikanische Verteidigungsminister Antony Blinken. «Ohne Chinas Unterstützung hätte Russland Mühe, seinen Angriff auf die Ukraine fortzusetzen.» Am Freitag traf er den Partei- und Staatschef Xi Jinping und den höchsten Aussenpolitiker Chinas, Wang Yi, in Peking. Blinken soll seine chinesischen Gesprächspartner laut Agenturberichten gewarnt haben: «Wenn China dieses Problem nicht angeht, werden wir das tun.»

China wirft den USA ebenfalls vor, den Krieg in der Ukraine zu befeuern – mit ihren Waffenlieferungen an die Ukraine und «einseitigen Sanktionen» gegen Russland. Das Aussenministerium Chinas betont, mit Russland eine normale Handelsbeziehung zu pflegen und keine Kriegspartei zu sein, sondern sich im Gegenteil für Frieden einzusetzen.

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