Automobilisten weichen immer wieder auf die Kantonsstrasse aus, wenn die Gotthard-Autobahn überlastet ist. Nun erhöht die Verkehrskommission des Nationalrats den Druck auf den Bund.
Um die Ostertage war es trotz ergiebigen Regenfällen im Süden wieder so weit. Am Karfreitag staute sich der Verkehr auf der A 2 zwischen Altdorf und Göschenen auf einer Länge von 15 Kilometern. Für die Tage um Auffahrt und Pfingsten rechnet der Touringclub (TCS) auf der Gotthard-Autobahn erneut mit langen Staus.
Auch politisch bleibt der Strassenverkehr auf der Nord-Süd-Achse ein Dauerbrenner. Im vergangenen Jahr verabschiedete der Bundesrat einen Bericht zum Ausweichverkehr, in Antwort auf ein Postulat von Nationalrat Simon Stadler (Mitte, Uri). Doch der Berg gebar eine Maus: Der Bund gab bekannt, dass er von 88 überprüften Massnahmen 4 weiterverfolge – und davon eine erst, wenn die zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels voraussichtlich nach 2030 in Betrieb geht.
Navigationssysteme im Visier
Im Parlament sorgt das für Kritik. «Der Unmut darüber ist gross, dass wenig bis nichts passiert», sagt Stadler. Der Bundesrat anerkenne zwar zum ersten Mal die Problematik des Ausweichverkehrs in den Berggebieten, sehe jedoch keinen Handlungsbedarf. Aus diesem Grund mache nun die Verkehrskommission (KVF) des Nationalrats selber Vorschläge. Sie hat zwei Vorstösse verabschiedet, die den Verkehr besser steuern wollen. Der Nationalrat entscheidet an der Sondersession Anfang Mai darüber, wie auch über eine Standesinitiative des Kantons Uri.
Die eine Motion verlangt, dass Navigationssysteme einen Beitrag zur Verminderung des Ausweichverkehrs leisten müssen. Sie leiteten den Verkehr bei Stau auf Hauptstrassen und teilweise sogar durch Nebenstrassen sowie auf für den Durchgangsverkehr temporär gesperrte Strassen.
Gerade in Dörfern entlang der Nord-Süd-Achse komme es zu prekären Situationen, weil keine Alternativrouten für Rettungsdienste, Polizei und Feuerwehr vorhanden seien. Deshalb fordert die Verkehrskommission Massnahmen, um die Sicherheit zu garantieren. Um alle Regionen gleich zu behandeln, sei eine gesamtschweizerisch anwendbare Lösung nötig. Die Betreiber von Navigationsgeräten müssten gezwungen werden, Automobilisten nicht auf Strassen zu lenken, die die Behörden vorübergehend für den Transitverkehr gesperrt hätten. Beim Verzicht auf Radarmeldungen funktioniere dies ebenfalls.
Mit der zweiten Kommissionsmotion verlangt die KVF, dass die Kantone Uri, Graubünden und Tessin auch auf Abschnitten von Kantonsstrassen, die gemäss einer Verordnung als Durchgangsstrassen gelten, selber temporäre Fahrverbote für den Ausweichverkehr erlassen können. Dies soll die lokale Bevölkerung bei starker Verkehrsüberlastung auf der A 2 und der A 13 vor dem Ausweichverkehr schützen. Anwohner und Zubringer sollen von der Massnahme ausgenommen werden. Dank moderner Technologie könnten die Fahrverbote effizient umgesetzt und Verstösse geahndet werden.
Maut und Slot-Systeme
In eine ähnliche Richtung zielt die Standesinitiative des Kantons Uri. Mittelfristig fordert sie weitergehende Schritte wie ein Slot-System für die Gotthard-Autobahn. Dazu kommen weitere Vorstösse von Parlamentariern, die für die wichtigsten Alpenübergänge eine Gebühr fordern. Eine dynamische Maut soll ein azyklisches Fahrverhalten provozieren.
Der Bundesrat empfiehlt die Vorstösse der KVF zur Ablehnung und bezweifelt, dass die Vorschläge umsetzbar wären. Eine Vorschrift für Navigationssysteme wäre nur wirksam, wenn gleichzeitig die Pflicht bestünde, diese regelmässig zu aktualisieren. Es sei nicht möglich, Betreiber im Ausland mittels einer Schweizer Rechtsnorm direkt zu verpflichten.
Auch weitergehende Sperrungen von Durchgangsstrassen sieht die Regierung kritisch. Die Kantone könnten auf diesen schon Verkehrsregelungen treffen, sofern dies in Absprache mit dem Bund erfolge und nicht nur lokale, sondern auch überregionale Interessen gewahrt würden. Dies sei gerechtfertigt, weil alle Verkehrsteilnehmer über die Mineralölsteuer Beiträge an die Hauptstrassen leisteten. Zudem verweist der Bundesrat darauf, dass die beantragte Regelung nicht auf Kantonsstrassen in den Bergkantonen beschränkt werden könnte. Im Mittelland seien viele Gemeinden und Agglomerationen täglich vom Ausweichverkehr betroffen.
Eine Gebühr für die wichtigsten Alpenübergänge hätte zwar einen positiven Einfluss auf die Verkehrssituation, schreibt die Regierung. Eine Maut würde jedoch faktisch dazu führen, dass der Kanton Tessin nur noch über eine ganzjährig gebührenpflichtige Strassenverbindung mit den restlichen Landesteilen verbunden wäre. Das erachtet der Bundesrat aus staatspolitischen Gründen als inopportun.
Wie die erste Runde des Ringens zwischen dem Parlament und dem Bundesrat ausgeht, zeigt sich am Dienstag.