Indiens zweitreichster Mann soll in grossem Stil indische Beamte geschmiert haben, um sie zur Abnahme von überteuertem Solarstrom zu bewegen. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb nun Korruption und Finanzbetrug vor.
Mehr als 250 Millionen Dollar soll die Adani Group an Beamte in Indien gezahlt haben, damit diese zu überhöhten Preisen von dem Konzern Solarstrom kaufen. Anschliessend habe die Firma über ihre Anti-Korruptions-Massnahmen gelogen, als sie bei amerikanischen Investoren um Geld für die Finanzierung des Solarprojekts geworben habe. Dies geht aus einer Anklage der New Yorker Staatsanwaltschaft hervor, in der diese am Mittwoch dem Konzernchef Gautam Adani und sechs Mitarbeitern Finanzbetrug in grossem Stil vorwirft.
Adani gehört mit einem geschätzten Vermögen von 85 Milliarden Dollar zu den reichsten Männern der Welt. Seine Adani Group betreibt Häfen, Flughäfen und Kohleminen in Indien und ist in der Stromproduktion aktiv. Dem 62-Jährigen wird nachgesagt, enge Beziehungen zum indischen Premierminister Narendra Modi zu unterhalten. Beide Männer stammen aus Gujarat, zu seiner Amtseinführung 2014 war Modi in einem Privatflugzeug von Adani nach Delhi geflogen.
Im Juni 2020 erhielt Adanis Tochterfirma Adani Green Energy von der staatlichen Solar Energy Cooperation of India (SECI) einen Auftrag zur Entwicklung von neuen Solarkraftwerken mit einer Kapazität von acht Gigawatt. Der Auftrag hatte ein Volumen von sechs Milliarden Dollar und sollte dem Konzern über eine Laufzeit von 20 Jahren einen Gewinn von zwei Milliarden Dollar einbringen. Die Adani Group sprach damals von einem bedeutenden Schritt im Kampf gegen den Klimawandel.
Kaum jemand wollte den überteuerten Strom nehmen
Das Problem war nur, dass die Preise für den angebotenen Solarstrom so hoch waren, dass es der SECI schwer fiel, Abnehmer dafür zu finden. Laut der New Yorker Anklageschrift sollen Gautam Adani und seine Mitangeklagten daraufhin begonnen haben, Beamte von staatlichen Netzbetreibern zu bestechen, damit sie den Strom kaufen. Allein ein ungenannter Beamter im südindischen Teilstaat Andhra Pradesh soll 228 Millionen Dollar dafür erhalten haben, dass er sieben Gigawatt Solarstrom von Adani Green Energy abnahm.
Gautam Adani, sein Neffe Sagar Adani und weitere Mitarbeiter sollen laut der New Yorker Staatsanwaltschaft genau Buch geführt haben über die angebotenen und gezahlten Bestechungssummen sowie die Strommengen, welche die Teilstaaten dafür abnehmen wollten. Dabei sollen sie Codenamen für Adani und andere Beteiligte benutzt haben. Neben Andhra Pradesh sagten am Ende weitere Staaten wie Odisha und Jammu und Kaschmir zu, den überteuerten Strom zu kaufen.
Die New Yorker Ankläger werfen Adani und den anderen Beschuldigten nun insbesondere Verstösse gegen den Foreign Corrupt Practices Act vor. Das Gesetz von 1977 verbietet es Firmen, die in den USA aktiv sind, ausländische Beamte zu bestechen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Adani und seinen Neffen, Investoren belogen zu haben, als sie 2021 in den USA einen Kredit von 1,35 Milliarden Dollar und Anleihen von 750 Millionen Dollar zur Finanzierung ihres Projekts aufnahmen.
Die Adani Group stand schon öfter in der Kritik
Nach Bekanntwerden der Anklageschrift fiel der Aktienkurs von Adani Green Energy um gut 18 Prozent. Die Adani Group reagierte zunächst nicht auf die Vorwürfe. Es ist nicht das erste Mal, dass der Konzern wegen seiner Geschäftspraktiken in die Kritik gerät. Anfang 2023 warf die amerikanische Investmentfirma Hindenburg-Research der Adani Group Kursmanipulation und Bilanzfälschung in grossem Stil vor. Adani wies die Vorwürfe damals zurück, doch erlitt sein Konzern vorübergehend Wertverluste von 150 Milliarden Dollar.
Nach den jüngsten Vorwürfen bekräftigte die oppositionelle Kongress-Partei ihre Forderung nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Geschäftspraktiken der Adani Group und ihren Verbindungen zur Modi-Regierung. Der Kongress wirft Modi seit Jahren vor, Adani und andere ihm nahestehende Geschäftsleute zu bevorzugen. Dank der Protektion der Regierung hätten sie in wichtigen Bereichen der indischen Wirtschaft nahezu eine Monopolstellung erhalten.
Erst im Mai hatte die «Financial Times» eine Recherche veröffentlicht, wonach die Adani Group in den Jahren 2013 und 2014 Kohlelieferungen falsch deklariert habe. So habe sie beim Verkauf nach Indonesien mehrere Schiffsladungen minderwertiger Kohle als von hochwertiger Qualität ausgezeichnet, um einen höheren Preis zu erhalten. Wie schon nach den Hindenburg-Enthüllungen blieb das Echo in Indien auf die Vorwürfe begrenzt. Adani ist zu wichtig für die Modi-Regierung und ihr Versprechen, Indien bis 2047 zu einem entwickelten Land zu machen.