Firmen wie die UBS, Novartis und die Swisscom leisten sich umfangreiche Kommunikations- und verwandte Stabsabteilungen. Doch der Druck auf die Konzerne steigt.
Für Tausende von Staatsbeamten in den USA brachte der diesjährige Valentinstag ein böses Erwachen. Rund um den 14. Februar wurden so viele Kündigungsschreiben verschickt, dass Betroffene inzwischen vom «Valentinstag-Massaker» sprechen.
Die neue Regierung unter Donald Trump versucht, durch Massenentlassungen Milliarden von Dollars an Staatsausgaben einzusparen. Dabei verschont sie auch erfahrene Fachspezialisten und Führungskräfte nicht. Hauptsache, Kosten runter.
Je grösser, desto bürokratischer
Das unzimperliche Vorgehen der US-Regierung wirft die Frage auf, ob in der Privatwirtschaft ähnliche Kürzungen vorgenommen werden könnten. Firmen gelten in der Regel als schlanker aufgestellt, weil sie anders als staatliche Organisationen Gewinne für ihre Eigentümer erwirtschaften müssen.
Doch auch manche Unternehmen verfügen über einen aufgeblähten Verwaltungsapparat. Der Schweizer Strategieberater und Ökonom Thierry Kneissler vertritt auf Linkedin die Ansicht, dass grosse Organisationen 30 Prozent ihres Personals abbauen könnten. Sie müssten dabei keine spürbaren Auswirkungen auf ihre Marktleistung in Kauf nehmen. Er habe für seine Einschätzung auch ausserhalb der Social-Media-Plattform viel Zuspruch erhalten, sagt er.
Ob ein Abbau in diesem Ausmass tatsächlich folgenlos bliebe, ist unklar. Klar ist aber: Wo Geld ist, ist auch viel Personal. Exemplarisch zeigt sich dies in der Unternehmenskommunikation beziehungsweise im Bereich Corporate Affairs.
Die Trennlinien zwischen diesen Bereichen verlaufen unscharf. Während die Unternehmenskommunikation die Medienarbeit und die Kommunikation gegenüber den eigenen Mitarbeitenden umfasst, fallen unter den Begriff Corporate Affairs oft auch das Lobbying mit Behörden (Public beziehungsweise Governmental Affairs) sowie alles, was irgendwie mit «Nachhaltigkeit» zu tun hat.
Novartis strafft zum zweiten Mal
Im Bemühen, ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft und der Politik zu steuern, haben in der Schweiz vor allem finanzstarke Pharma- und Finanzkonzerne solche Stabsabteilungen in den letzten Jahrzehnten massiv ausgebaut. So beschäftigte der Medikamentenhersteller Novartis dem Vernehmen nach bis vor wenigen Jahren allein in der Kommunikation 700 Mitarbeitende. Eine verrückte Zahl sei das gewesen, sagt ein Insider, der mitverantwortlich dafür war, sie auf 500 zu begrenzen.
Novartis selbst will sich zur damaligen Grösse dieser Abteilung ebenso wie zum heutigen Personalbestand nicht äussern. Man kommentiere keine Zahlen zu einzelnen Teams. Eine Sprecherin räumt indes ein, dass man die Kommunikationsabteilung im Zuge der Schaffung einer übergreifenden Corporate-Affairs-Organisation weiter gestrafft habe. Der Konkurrent Roche lässt ausrichten, dass die Zahl der Mitarbeiter in zentralen Funktionen in den vergangenen Jahren «weitgehend stabil» gewesen sei.
Moloch UBS?
Auch viele Finanzunternehmen haben inzwischen einen Wasserkopf an der Spitze ihrer Organisation, der Branchenbeobachter ins Grübeln bringt. Als Paradebeispiel gilt die UBS. Anders als bis vor einigen Jahren führt die Grossbank die Mediensprecher auf ihrer Website zwar nicht mehr einzeln auf. Doch allein in der Schweiz erteilen weiterhin rund zwanzig Kommunikationsspezialisten den Journalisten Auskünfte. Dazu gesellen sich weitere Sprecher in den diversen Märkten Asiens, in denen die UBS tätig ist, sowie in den USA.
Ein ehemaliger führender Mitarbeiter bezeichnet die Kommunikationsabteilung der Bank als Moloch. Er bezieht sich dabei auch auf die Schar von Beschäftigten, die sich um die interne Kommunikation kümmern. In solchen Rollen sind bei der UBS ähnlich wie bei Novartis Dutzende von Mitarbeitern aktiv.
Swiss Re hält sich bedeckt
Manche Grossunternehmen wollen über die Grösse ihrer PR-Stäbe keinerlei Auskunft geben. «Zu diesen Fragen machen wir keine Angaben», erklärt die Pressestelle des Rückversicherers Swiss Re.
Transparent zeigt sich die Swisscom. Der Telekommunikationskonzern schreibt, dass er in der Unternehmenskommunikation auf Vollzeitbasis dreissig Personen beschäftige. Weitere fünf Mitarbeiter entfielen auf den Bereich Public Affairs. Rund zehn Angestellte beschäftigten sich bei der Swisscom zudem mit Themen der Nachhaltigkeit.
Mit 45 Vollzeitangestellten im Corporate-Affairs-Bereich leistet sich das halbstaatliche Unternehmen eine Mannschaft, die ungefähr gleich gross ist wie jene in der Zentrale von Nestlé. Der Nahrungsmittelkonzern zählt weltweit allerdings fast 280 000 Beschäftigte. Die Belegschaft der Swisscom beschränkt sich auf knapp 20 000 Mitarbeitende.
Nestlé bleibt lieber schlank
Nestlé gehört zu den Firmen, die seit Jahren zeigen, dass es auch mit einem deutlich kleineren Verwaltungsapparat geht. «Wir sind zentral stabil und schlank», sagt Christoph Meier, der Leiter der Medienstelle. Für die Medienarbeit am Hauptsitz in Vevey zeichnen neben ihm lediglich vier weitere Mitarbeiter verantwortlich.
Obwohl Nestlé im Austausch mit vielen Regierungen und übernationalen Organisationen wie der WHO und der Welternährungsorganisation steht, gibt es keine Spezialisten, die sich ausschliesslich um die Lobbyarbeit mit Behörden kümmern. Aufgaben im Bereich der Governmental Affairs übernähmen fallweise Mitarbeitende, die weitere Aufgaben im Bereich Corporate Affairs erfüllten, sagt Meier.
Der Kommunikationsspezialist, der als ehemaliger Mediensprecher bei Credit Suisse, Lombard Odier und der UBS auch die Bankenwelt kennt, fügt hinzu, dass das Kostenbewusstsein bei Nestlé traditionell stark ausgeprägt sei. «Man lernt in der Industrie, den Franken zweimal umzudrehen.»
Börsenkotierung bedeutet Mehraufwand
Auch der Agrochemiekonzern Syngenta legt Wert auf eine schlanke Organisation. Das Unternehmen, das 60 000 Angestellte zählt, beschäftigt laut eigenen Angaben am Basler Hauptsitz nur drei, vier Mitarbeitende im Corporate-Affairs-Bereich. Allerdings profitiert es davon, seit Anfang 2018 nicht mehr kotiert zu sein. Syngenta war zuvor an den chinesischen Staatskonzern Chem China verkauft worden.
Firmen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, sind generell anfälliger für einen Wasserkopf. Solche Unternehmen benötigten rasch fünf bis zehn Mitarbeitende allein für die Kommunikation mit den Finanzmärkten, sagt Ansgar Zerfass von der Universität Leipzig.
Chefs müssen sich in der Öffentlichkeit zeigen
Der Professor für strategische Kommunikation weist darauf hin, dass vor allem grosse Firmen wegen der gesellschaftlichen Fragmentierung und Polarisierung einen wachsenden Erklärungsbedarf hätten. Hinzu komme die deutlich gestiegene Regulierung. Sie zwinge Unternehmen, vermehrt das Gespräch mit Behörden zu suchen sowie aufwendige Berichte zum Thema Nachhaltigkeit zu publizieren.
Zerfass stellt auch fest, dass von Unternehmensführern deutlich stärker als früher erwartet wird, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. «Die Leute wollen die Chefs sehen und Geschichten hören.» Dies verursache insbesondere in den sozialen Netzwerken einen steigenden Aufwand. So gelte es beispielsweise, die Linkedin-Profile von Geschäftsleitungsmitgliedern zu bespielen.
Allerdings stellt auch der Kommunikationsforscher nicht in Abrede, dass angesichts des derzeit erschwerten konjunkturellen Umfelds manche Unternehmen die Grösse ihrer Corporate-Affairs-Abteilungen auf den Prüfstand stellen könnten. «Solche Sparprogramme kommen immer wieder», sagt Zerfass.
Bei Medienmitteilungen übernimmt KI
Zusätzliches Einsparungspotenzial eröffnet das Aufkommen der künstlichen Intelligenz. So kommt es laut Zerfass zunehmend vor, dass Firmen Medienmitteilungen mittels KI verfassen.
Ohne einen gewissen Stab von Spezialisten dürften indes auch künftig die wenigsten Unternehmen auskommen. Der Logistikkonzern Kühne + Nagel, der angesichts seiner ausschliesslich auf Geschäftskunden ausgerichteten Dienstleistungen kaum in der Öffentlichkeit steht, wird wohl eine Ausnahmeerscheinung bleiben. Auf die Frage, wie viele Mitarbeitende das Unternehmen im Bereich Corporate Affairs zähle, antwortet der Mediensprecher lapidar: «Kühne + Nagel hat keine Corporate-Affairs-Abteilung.»
Ein Artikel aus der «»