Das Zürcher Spielzeugmuseum ermöglichte einen Blick in die Kinderzimmer vergangener Jahre. Nun muss es dem Grosshandel weichen.
Das Zürcher Spielzeugmuseum, sozusagen das Spielzeug-Archiv der Familie Franz Carl Weber, muss schliessen. Fast siebzig Jahre hat es Tausende Antiquitäten aufbewahrt.
Darunter sind Trouvaillen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die Spielwaren spiegeln das Leben früherer Epochen im Kleinformat: Eisenbahnen und Dampfmaschinen zeugen von den Anfängen der industriellen Revolution, Puppen tragen die Mode, die einst Trend war, und sitzen in Stuben, die das häusliche Leben früherer Zeiten zeigen. Daneben gibt es: Zinnfiguren, Holzspielzeug, Kinderbücher, die vollständige Kollektion an Titelblättern der «Franzki»-Kataloge.
Im Herbst 2022 erst war das Spielzeugmuseum ins Untergeschoss der Verwaltung von Franz Carl Weber in Altstetten gezügelt. Dem Umzug gingen grössere finanzielle Aufwände voraus. Die Wände waren feucht, mussten isoliert und gestrichen werden. Der Ausbau habe insgesamt 80 000 Franken gekostet, sagte Fredi Heymann, Präsident der Stiftung Spielzeugmuseum, damals zur NZZ. Budgetiert hatte man 30 000 Franken.
Bereits nach einem Jahr kündigen die neuen Besitzer von Franz Carl Weber (FCW) den Mietvertrag wieder. Seit Juli 2023 gehört FCW zur deutschen Drogeriemarktkette Müller.
Ein neuer Spielzeugsammler wird gesucht
Das Traditionshaus hat mehrere Besitzerwechsel hinter sich: Vor Müller gehörte FCW dem Schweizer Unternehmer und Digitec-Gründer Marcel Dobler, davor dem französischen Spielwarenkonzern Ludendo und davor Denner-Gründer Karl Schweri. Durch die vielen Verkäufe des Spielwarenhändlers in den letzten Jahren sei auch die emotionale Bindung zwischen Museum und Firma verlorengegangen, sagt Heymann.
Als das Unternehmen Franz Carl Weber seinen Hauptsitz nach Altstetten verlegte, war der damalige CEO des Spielwarengeschäfts, Roger Bühler, dem Museum noch wohlgesinnt. Er liess die Stiftung das Untergeschoss der Verwaltung mietfrei nutzen.
Drei Monate später wurde die Firma von Müller übernommen. Eine der ersten Amtshandlungen sei es gewesen, das Museum aufzuheben, sagt Heymann. Die Müller-Verwaltung sei aus dem Gebäude in Altstetten aus- und nach Oberentfelden in die Zentrale gezogen. Die gesamte Fläche soll für eine Müller-Filiale genutzt werden. Der Keller, in dem das Museum beheimatet war, wird laut Heymann als Lager gebraucht.
Die neuen Besitzer sähen in den alten Spielwaren keinen Wert, sagt Heymann. Müller stand am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung
So wurden die Türen des Spielzeugmuseums vor wenigen Tagen geschlossen. Das Museum habe noch Schulden vom letzten Umzug und von Instandstellungen auszugleichen, sagt Heymann weiter. Ein erneuter Standortwechsel sei finanziell nicht stemmbar. «Wir haben uns entschieden, das Tafelsilber zu verkaufen.» Damit meint Heymann die 3000 Spielzeuge. Wertvoll seien davon vielleicht noch hundert. Denn: «Alte Spielzeuge sind wie Briefmarken, sie hatten einst viel Wert, aber heute will sie niemand mehr.»
Ein Stück Franz-Carl-Weber-Geschichte
Gegründet wurde das Zürcher Spielzeugmuseum 1956 von Margrit Weber-Beck, der Schwiegertochter des Spielzeughändlers Franz Carl Weber. Anlass war das 75-jährige Bestehen des Unternehmens. Weber-Beck hatte über Jahre diverses Spielzeug von Flohmärkten und Antiquitätenmessen zusammengekauft.
Vier Jahrzehnte lang leitete ihre Tochter Ruth Holzer Weber das Museum. In ihrer Kindheit verbrachte die Enkelin von Franz Carl Weber fast jeden Samstag bei ihrem Grossvater, der damals oberhalb von seinem Spielzeuggeschäft wohnte.
1981 zog das Museum an die Fortunagasse unweit der Bahnhofstrasse und stand als öffentliche Sammlung für Besucher zur Verfügung. 2022 hätte es wegen Covid-Pandemie und fehlender Geldgeber fast schliessen müssen. Weil es nicht mehr in der Zürcher Altstadt bleiben konnte, zügelte man es nach Altstetten.
Eine Nachfolge unter den Nachkommen von Franz Carl Weber habe sich nicht finden lassen, sagt Stiftungspräsident Fredi Heymann. Heymann selbst hat früher für Franz Carl Weber gearbeitet. Ein Teil seiner Arbeit war die Verwaltung des Spielzeugmuseums. Mit den ersten Verkäufen von Franz Carl Weber wurde es ausgelagert, und Heymann hat es über viele Jahre als Selbständiger weitergeführt. «Nicht unbedingt mit Begeisterung», wie er sagt, «aber das war die beste Lösung.»
Früher habe man jährlich noch zwei, drei Artikel von Franz Carl Weber eingelagert, das meistverkaufte Spielzeug, das liebste Produkt der Verkaufsdirektion. Ursprünglich habe das Spielzeugmuseum also Franz-Carl-Weber-Geschichte erzählt. In neuerer Zeit sei nicht mehr viel hinzugekommen, sagt Heymann. Aktiv gesammelt wurde nicht mehr.
Es sei ein Stück Zürcher Kulturgut, das nun verlorengeht, sagt Heymann, der bald 70 Jahre alt ist. Das Spielzeugmuseum gehöre zu einer älteren Generation. Zu Zeiten, als die Spielwaren noch in der Zürcher Altstadt zu bestaunen gewesen seien, seien 10 000 Besucher pro Jahr gekommen, seit sie in Altstetten residierten, seien es noch 1500 Besucher. Vor allem Erwachsene, manchmal Grosseltern mit ihren Enkelkindern.
Nun ist die Stiftung in Kontakt mit grösseren Händlern und Sammlern. Die Spielzeuge sollen möglichst alle zusammen verkauft werden können, sagt Heymann. Vielleicht lebt dann ihre Geschichte weiter.