Der Kanton muss sofort sparen – im Gegensatz etwa zu Genf, Luzern und dem Aargau, die kürzlich hohe Überschüsse meldeten. Und das, obwohl die Waadt eine bürgerliche Mehrheit in der Regierung hat.
Seit Wochen war klar, dass auf die Waadt finanziell harte Zeiten zukommen würden, nun kennt die Öffentlichkeit die genauen Zahlen: Um gut 369 Millionen Franken waren die Konten des Kantons zum Jahresende im Minus. Das hat die Regierung am Donnerstag mitgeteilt. Es ist das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten.
Deshalb greift erstmals seit 2003 wieder die Schuldenbremse der Waadtländer Verfassung. Die Regierung muss nun umgehend 94 Millionen Franken einsparen. Das ist der Fehlbetrag, der über dem Schuldenlimit liegt. Das Limit besagt, dass die Einnahmen die Ausgaben decken müssen, allerdings vor bestimmten Abschreibungen.
Möbel, Autos und Museumsobjekte sind betroffen
Die Regierung will den Grossteil im Budget für 2025 einsparen, die restlichen 15 Millionen Franken kommendes Jahr. «Alle Aktivitäten des Staates» seien betroffen, heisst es in der Mitteilung, aber vor allem der Kauf von Gütern, Dienstleistungen und Waren. Zum Beispiel werde der Kanton den Kauf von Möbeln, Fahrzeugen, Unterrichtsmaterial und Museumskollektionen überprüfen.
Weiter betroffen seien etwa Beratungsmandate, die Instandhaltung von Strassen, Gewässern und Informatik. Dienstleistungsverträge und Subventionen etwa für das Universitätsspital und die Universität Lausanne sollen überarbeitet werden.
Ukrainer und Krankenkassenprämien treiben Kosten
Der wichtigste Grund für das Defizit sind unvorhergesehene Mehrkosten für Flüchtlinge, Asylbewerber und Menschen in Nothilfe. Spezifisch für Ukrainer zahlte die Waadt zusätzlich 90 Millionen Franken, etwa für den Ausbau der Migrationsbehörde und die Einschulung von Kindern. Weitere 60 Millionen Franken gab die Waadt für Bürger anderer Nationalitäten aus.
Auch im Bereich Gesundheit und Soziales zahlte die Waadt 86 Millionen Franken mehr als geplant. Das erklärte die Regierung unter anderem mit höheren Subventionen infolge der gestiegenen Krankenkassenprämien. Ähnlich stiegen die Ausgaben für jene Kantonsangestellten, deren Gehälter an die Inflation gebunden sind.
Das Finanzproblem der Waadt ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Ausgerechnet eine Regierung mit bürgerlicher Mehrheit verantwortet nun erstmals seit 2003 ein so grosses Defizit. Seit 2022, nach dem sensationellen Wahlsieg von Valérie Dittli, die Finanzministerin wurde, regiert die Mitte-Partei mit drei FDP-Regierungsräten sowie drei weiteren von SP und Grünen.
Bereits ein Jahr später, 2023, tat sich ein Loch im Waadtländer Jahresabschluss auf, von vergleichsweise geringen 39 Millionen Franken. Innerhalb von nur einem Jahr hat sich das Defizit nun also fast verzehnfacht. Und das, obwohl die Steuereinnahmen ebenfalls stiegen – um knapp 9 Prozent gegenüber den budgetierten Zuflüssen.
Genf machte eine halbe Milliarde Franken Gewinn
Weiter ist bemerkenswert, dass eine Reihe anderer Kantone trotz Ukraine-Krieg und Inflation jüngst schwarze Zahlen vermeldet haben. Dazu gehören der Aargau, Luzern und Zug. Allein der westliche Nachbar der Waadt, Genf, meldete einen Überschuss von mehr als einer halben Milliarde Franken.
Heikel ist auch der politische Kontext: Der vormaligen Finanzvorsteherin Valérie Dittli wurde ihr Hauptdossier im März von der restlichen Regierung entzogen, nachdem ein Untersuchungsbericht ihr unter anderem die illegale Annullierung von Steuerveranlagungen vorgeworfen hatte. Übergangsweise führt ein FDP-Regierungsrat das Departement, bis im Juni die FDP-Regierungschefin Christelle Luisier definitiv übernimmt.
Zudem sollen die Waadtländer bald über eine Volksinitiative für eine generelle Senkung der Einkommens- und Vermögenssteuern um 12 Prozent abstimmen. Bei einer Annahme müsste der Kanton folglich weitere Ausgaben streichen. Die Regierung bekräftigte deshalb am Donnerstag, die Initiative «geeint» bekämpfen zu wollen.