In Zürich eröffnen derzeit auffallend viele Bistros. Inspiriert vom Konzept der Bistronomie, das man von Städten wie Paris oder London kennt, servieren sie gehobene Küche – nur einfach und überraschend zugänglich.
Viele moderne, zwanglose Lokale folgen heute dem Prinzip der Bistronomie. Die Grenzen dazwischen sind fliessend, und kein Lokal gleicht dem anderen. Doch die Schlüsselkomponenten bleiben gleich: eine Küche, die handwerklich auf hohem Niveau arbeitet – die aber im Gegensatz zur klassischen Spitzengastronomie in ungezwungener, freundlicher Atmosphäre aufgetischt und zu erschwinglicheren Preisen berechnet wird. Wie in einem Pariser Bistro eben.
Mal zeigt sich das Konzept in Form einer modernen Brasserie, mal als Weinbar mit ambitionierter Küche. Und in Zürich derzeit besonders mit Bistros. Jüngstes Beispiel: das «Neo-Bistro Capot», das zweite Lokal des «Silex»-Teams. Hier gibt es «zugängliche, produktefokussierte Gerichte im Bistronomie-Stil» – und in der gewohnten «Silex»-Qualität, nur etwas einfacher.
Mit Spannung wird die Eröffnung vom «Capri Bistro» im Seefeld erwartet, dessen Gerichte Charles Aggett, Souschef aus dem «Rosi», verantworten wird – unter der Mentorschaft des Spitzenkochs Markus Stöckle, dem das «Rosi» gehört. Eröffnet wird Mitte Mai.
Dass gerade jetzt in Zürich ein Bistro nach dem anderen eröffnet, ist kein Zufall. Die Menschen wollen wieder spontaner essen gehen, ohne wochenlange Reservation. Sie suchen Qualität, aber in entspannter Atmosphäre. Und sie wollen gut essen gehen – ohne dafür gleich so viel zu bezahlen wie die Miete des Parkplatzes.
Dabei ist das «Capet» ist nicht das einzige spannende Konzept – fünf neuere Zürcher Lokale, die zeigen, wie vielfältig moderne Bistronomie sein kann.
«Latino Bistro»: Solides Bistro-Essen, neu interpretiert
Das «Latino» ist zurück – mit einem unübersehbaren Facelift: Im ehemaligen hauseigenen Restaurant des Hotels Seegarten hat das «Latino Bistro» eröffnet. Das Neo-Bistro mit seinen waldgrünen Wänden, klassischen Holzbistrostühlen an schlicht gedeckten Tischen und Deckenleuchten, die wie Vintage-Fundstücke wirken, ist kein weiteres durchgestyltes Konzeptrestaurant, sondern ein unkompliziertes Lokal für lange Abende zu Wein und Essen – das, was im Seefeld manchen gefehlt hat.
Auch die Küche von Chef Ken Roja bleibt auf dem Boden – überrascht sie doch mit feinsinnig interpretierten italienischen Klassikern mit philippinischem Twist. Auf dem Teller zeigt sich das in Gerichten wie Safranrisotto mit Krustentierbisque und Cocoa Nibs oder Regenbogenforellen-Tatar mit Gochujang-Mirin-Dressing. Ganz im Sinne der Bistronomie wird dabei mit saisonalen Zutaten gearbeitet.
Der Andrang dürfte grösser ausfallen – nicht zuletzt wegen Rojas Ube-Softeis, das sich spätestens seit dem Pop-up im Kunsthaus 2023 über die Stadtgrenzen hinaus herumgesprochen hat.
«Latino Bistro», Seegartenstrasse 14, Zürich.
«Freddy»: Bistro mit Comfort Food und Low-Intervention-Wein
Rico Jauch hat sein Erfolgsrestaurant Kin Ende 2024 geschlossen, um es unter neuem Namen und mit flexiblerem Konzept wiederzueröffnen. Ursprünglich hatte er das Lokal gemeinsam mit seiner Schwester mit der Idee eines unkomplizierten Gastronomiebetriebs gestartet. Im Lauf der Jahre entwickelte sich das Kin jedoch zunehmend in Richtung Fine Dining – eine Entwicklung, die nicht mehr zu seiner Vorstellung passte. «Ich hab gemerkt: Weniger und besser ist mehr mein Ding. Einfacher und klarer, mit Preisen, die viele abholen», so Jauch. «Ich mag Institutionen. Orte mit Seele. Alte Bars, Restis, die bleiben. Genau so was will ich auch».
Die naturbelassenen Weine sind vom Weinladen Studio Wino, dessen Inhaber Jauch ist, die chinesischen Nudelgerichte stammen vom Kochduo Dian Dian Mian.
Den hat er nun mit dem «Freddy» realisiert, das Mitte Januar als Bistro mit Comfort Food und Low-Intervention-Wein eröffnete. Mit «viel Flavour – vom Wein bis zum Spiess –, aber ohne Overkill-Preisschild», so Jauch. Statt einer festen Küche kochen auch hier Gastköchinnen und -köche auf Zeit. Zurzeit sind das Dianer Ding und Jonathan Barnes – besser bekannt als Pop-up-Konzept Dian Dian Mian –, die ihre stadtbekannten handgezogenen Nudeln ein weiteres Mal zum Besten geben.
«Freddy», Meinrad-Lienert-Str. 1, Zürich, keine Reservierungen.
«Tavo»: Bistro trifft auf Bar-Kultur
Im Zürcher Kreis 4 hat mit dem «Tavo» ein Bistro eröffnet, das Kulinarikfans und Cocktail-Connaisseurs gleichermassen anzieht. Das Konzept steht für stetige Veränderung: Alle drei Monate übernimmt ein neuer Gastkoch oder eine neue Gastköchin das Ruder – und bringt jeweils ein neues kulinarisches Thema mit. Derzeit ist das Japan, serviert werden kleine Gerichte wie Kinoko Okonomiyaki, Sando Tamago oder eine vorzügliche Algen-Focaccia serviert mit Miso-Butter. Alles auf kleinen Tellern – gedacht zum Teilen, Snacken oder sich Durchkosten.
Die Speise- und die Cocktail-Karten sind im «Tavo» aufeinander abgestimmt.
Für das Konzept vom «Tavo» verantwortlich ist Armin, Mitgründer der Zürcher Bar Lupo. Wie im Szenenliebling an der Badenerstrasse werden auch in der kleinen Bistrobar spannende Weine ausgeschenkt – und garantiert keine 08/15-Dinks. Diese werden auf das jeweilige Thema abgestimmt: Momentan findet man da etwa den «Tokyo», einen japanisch inspirierten Cocktail mit Whisky, Sesam und Ingwer, verfeinert mit Sherry, Honig und Sojasauce. Nur der Negroni-Brunnen plätschert konstant.
«Tavo», Badenerstrasse 66, Zürich, keine Reservierungen.
«Venus Bistro»: Feines aus nächster Nähe und gerettetem Gemüse
Das gemütliche, mit Brocki-Möbeln eingerichtete «Venus Bistro» – «ein Ort von und für Oerlikon», wie es sich selbst nennt – setzt abends auf eine kleine, saisonal wechselnde Karte und ein Überraschungsmenu, das jeden Monat neu zusammengestellt wird. In der Küche steht ein Team um Chris Züger, bekannt aus dem ehemaligen «Mémoire» im Löwenbräu-Areal und diversen Pop-up-Projekten.
Gekocht wird mit frischen Zutaten aus der Umgebung – und mit viel Kreativität. Randen verfeinert Züger etwa mit Federkohl, Joghurt und Mandeln, Markbein mit Bonitoflocken und schwarzer Mayo. Das Gemüse stammt vom Start-up ACKR und wäre sonst im Abfall gelandet, das Fleisch von der benachbarten Metzgerei Ziegler. Ergänzt wird das Bistronomie-Konzept von der «Exkino Bar» – der Bar im Foyer des ehemaligen Sexkinos.
«Venus Bistro», Franklinstr. 9, Zürich.
Neo-Bistro «Capet»: Das wildere Lokal der Silex-Crew
Mit dem Capet, benannt nach einer französischen Königsdynastie, hat das «Silex»-Team beim Idaplatz am 25. März 2025 ein Neo-Bistro eröffnet. «Eigentlich ist schon das Silex eine Art Bistronomie-Küche», sagt Julia von Meiss, die Gastronomin, die mit Küchenchef George Tomlin und Weinexperte Jean-Denis Roger zum Gründungstrio gehört. «Aber wir haben gemerkt, dass sich das Angebot eher in eine elaboriertere Richtung entwickelt hat.»
Das «Capet» sei nun das perfekte «etwas wildere und experimentellere Pendant» dazu. «Und wir haben Lust auf etwas Unkompliziertes.» Vom Restaurant, das sich mit Fine-Dining schnell einen Namen gemacht hat, mitgekommen ist ein Teil des Teams – und dieselbe Handschrift: Fokus auf Produktqualität und vertraute lokale Produzentinnen und Produzenten. Die Karte listet rund 15 oft wechselnde, zugängliche Gerichte im Bistronomie-Stil, darunter etwa grillierte Hühnerherzen mit Kümmel und Shio Koji, frittierte Artischocken und konfierter Knoblauch oder Lamm-Tatar mit fermentiertem Chili und grilliertem Fladenbrot.
Die Tische sind aktuell heiss begehrt. Ein Tipp von Julia von Meiss: wer früh am Abend kommt, hat bessere Chancen – für spontane Walk-ins sind Plätze reserviert.
«Capet», Bertastrasse 36, Zürich.