Die Jungpartei der FDP nutzt den Besuch von Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter in den USA, um über ein politisches Tabu zu reden.
Die Jungfreisinnigen wagen sich an ein Tabu der Schweizer Politik: die Agrarzölle. Zeitlich perfekt abgestimmt auf den Besuch von Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin in den USA, fordert die Jungpartei der FDP, dass die Schweiz ihre hohen Landwirtschaftszölle schrittweise abbaut.
Sie seien, sagt Jonas Lüthy, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz, überholt und schädlich für die Wirtschaft. Dass auf ein Kilogramm amerikanische Cherrytomaten ein Aussenkontingentzoll von 731 Franken erhoben werde, sei absurd. Das Beispiel stehe symptomatisch für die Überregulierung und den Protektionismus in der Schweizer Landwirtschaftspolitik.
Diese Agrarabschottung schade sowohl der Wettbewerbsfähigkeit als auch der Nachhaltigkeit im Lebensmittelbereich, schreibt die Jungpartei am Mittwoch in einem Communiqué. Weiter verhindere diese Politik wichtige internationale Freihandelsabkommen, etwa mit den USA oder im Rahmen des transpazifischen Partnerschaftsabkommens (CPTPP). Angesichts der jüngsten Zolldiskussionen mit den USA müsse die Debatte über Agrarzölle dringend neu geführt werden. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Folgekosten. Laut Avenir Suisse: jährlich über 3 Milliarden Franken.
Entschlossene Marktöffnung nötig
Auch sozialpolitisch stehe das Zollregime zunehmend in der Kritik, da es vor allem einkommensschwache Familien treffe, sagt Lüthy. Er erinnert daran, dass die Preise für Lebensmittel in der Schweiz deutlich über dem europäischen Niveau liegen. Hiesige Konsumenten zahlen jährlich mehrere hundert Franken für landwirtschaftlichen Heimatschutz.
Die Jungfreisinnigen schlagen deshalb eine Lockerung vor. «Statt mit unverhältnismässigen Agrarzöllen die Bevölkerung mit überteuerten Lebensmittelpreisen zu belasten und die eminent wichtige Verhandlung von Freihandelsabkommen zu schwächen, brauchen wir eine entschlossene Marktöffnung», sagt Lüthy.
Die Schweizer Agrarzölle seien schrittweise über einen Zeitraum von zehn Jahren abzuschaffen. Dies sei im Übrigen auch im Sinne der Ernährungssicherheit. Statt eines hohen Selbstversorgungsgrads, solle vielmehr eine hohe Versorgungssicherheit angestrebt werden.
Mit ihrem Vorstoss leuchtet die Jungpartei eine dunkle Nische aus. Wirtschaftlich spielt der Export von Agrarprodukten zwar nur eine unbedeutende Rolle. Doch auf symbolischer Ebene dürfen die Agrarzölle nicht unterschätzt werden. Sie gehören zu den von der US-Regierung am stärksten kritisierten Importhürden in der Schweiz.
Trumps Magistraten stufen sie in ihren Berichten regelmässig als ärgerliches Handelshemmnis ein. Vor allem, weil die Schweiz mit durchschnittlich 28,5 Prozent überdurchschnittlich hohe Importzölle für Agrarprodukte hat. Dennoch sind politische Pläne zur Senkung der Zölle bisher immer gescheitert. Niemand will es sich mit der mächtigen Bauernlobby verscherzen.
Doch ganz allein ist der Jungfreisinn mit seiner Forderung nicht. Kürzlich sprach sich auch Peter Bodenmann, ehemaliger Präsident der SP, für die Abschaffung der Agrarimportzölle aus. Die Schweiz solle die «absurd hohen Landwirtschaftszölle endlich abschaffen», schrieb er in seiner Kolumne in der «Weltwoche». Das sei im Interesse des Landes und eine «symbolische Opfergabe für Trump, der die Stimmen des ländlichen Raumes braucht».
Zölle auf US-Rindfleisch reduzieren?
In dieselbe Richtung, wenn auch weniger weit, ging der FDP-Chef Thierry Burkart: Er sieht zumindest einen gewissen Verhandlungsspielraum bei den Agrarzöllen. «Wir könnten Zölle für amerikanisches Rindfleisch reduzieren oder für Orangen aufheben», sagte er kürzlich zur «NZZ am Sonntag».
Ob es den Jungfreisinnigen gelingt, das Tabu zu beseitigen, ist offen. Auch wenn Keller-Sutter und Parmelin den Amerikanern gewisse Zoll-Lockerungen in Aussicht stellen sollten, wäre der Effekt gering. Denn Trumps Politik zielt vor allem auf die Handelsbilanz. Auch wenn tiefere Zollansätze für Importfleisch oder -früchte aus den USA gälten, würde das das Bilanzdefizit und die darauf abgestimmten Zölle nur wenig verringern. Den Schweizer Export in die USA dominierten 2023 mit 57 Prozent pharmazeutische Produkte, Vitamine und Diagnostika. Auf Platz zwei folgen mit 20 Prozent Uhren und Schmuck.