Wieder kommt es im Krankenhaus offenbar zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas – obwohl die israelische Armee das Gebiet eigentlich kontrolliert.
Das israelische Militär hat in der Nacht auf Montag eine Offensive auf das grösste Krankenhaus des Gazastreifens gestartet. Es beruft sich dabei auf Geheimdienstinformationen, wonach das Shifa-Spital von hochrangigen Hamas-Kämpfern genutzt werde. Ein Sprecher der israelischen Armee teilte am Montagmorgen mit, die israelische Armee führe eine «präzise Operation» in Teilen des Gebäudekomplexes des Shifa-Spitals durch.
Die Soldaten seien für solche Operationen vorbereitet und eine Evakuation der Ärzte und Zivilisten aus dem Spital sei nicht nötig. Später am Montag berichteten lokale Reporter, das israelische Militär habe Frauen und Kinder im Krankenhaus und in seiner Umgebung aufgefordert, die Region zu verlassen und sofort in den Süden zu gehen. Die IDF teilte mit, sie habe 80 Männer festgenommen und 20 Terroristen getötet. Dutzende Verdächtige würden von der israelischen Armee verhört.
Offenbar Waffen und Bargeld gefunden
Am Nachmittag veröffentlichten die israelischen Streitkräfte Videos auf denen in einem Raum neben dem Büro des Spitaldirektors kleinere Mengen Mörsergranaten sowie Munition zu sehen sind. Der Raum soll als Versteck von der Hamas genutzt worden sein. Zudem habe die Armee grosse Mengen Bargeld in einem Gebäude auf dem Gelände des Spital-Komplexes entdeckt, die die Hamas sowie der Islamische Jihad dort versteckt haben soll. Luftaufnahmen der Armee sollen zeigen, wie bewaffnete Männer aus dem Spital-Komplex auf Soldaten gefeuert haben sollen.
Das Gesundheitsministerium in Gaza berichtete von Toten und Verletzten im Spital. Die Hamas beschuldigte Israel, Krankenhäuser ohne Rücksicht auf die Patienten direkt anzugreifen. Die Darstellungen beider Seiten können derzeit nicht unabhängig überprüft werden. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zeigte sich am Montag besorgt: «Krankenhäuser sollten niemals Kriegsschauplätze sein». Die Situation im Shifa-Krankenhaus gefährde das Gesundheitspersonal, die Patienten und die Zivilbevölkerung, die dort Schutz sucht.
Israel operiert wieder im Norden von Gaza
Bei den Kämpfen in der Nähe des Shifa-Spitals wurde am Montag laut der IDF ein israelischer Soldat getötet. Es ist der 250. gefallene Soldat seit Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen. Es gab Berichte, wonach israelische Soldaten einen al-Jazeera Journalisten beim Shifa-Spital geschlagen und festgenommen hätten. Ein vertriebener Palästinenser sagte gegenüber dem Nachrichtensender CNN, dass israelische Militärfahrzeuge und Bulldozer am Montag in den frühen Morgenstunden begonnen hätten, am äusseren Rand des Krankenhausgeländes die Infrastruktur zu zerstören. Auch diese Berichte lassen sich zurzeit nicht unabhängig überprüfen.
Das Shifa-Spital befindet sich in der Stadt Gaza im Norden der Küstenenklave. Es ist bemerkenswert, dass die israelische Armee dort kämpft, da sie vor einigen Wochen mitteilte, die militärische Infrastruktur der Hamas im Norden Gazas zerstört zu haben. Bereits im vergangenen November führte das israelische Militär eine Operation im Shifa-Spital durch. Damals behauptete die IDF, dass sich ein Kommandozentrum unter dem Spital befinde. Die Armee veröffentlichte Videos eines Tunnels, den sie unter dem Spital entdeckte. Beweise für die Existenz eines Kommandozentrums blieb sie aber schuldig. Laut der WHO konnte das Krankenhaus erst vor kurzem «minimale Gesundheitsdienste» wieder aufnehmen.
Operationen ohne Narkose
Seit Beginn des Krieges sorgen die israelischen Angriffe auf Spitälern international für Kritik. Die Armee wirft der Hamas vor, sich in Spitälern zu verstecken. Gemäss dem Völkerrecht stehen medizinische Einrichtungen unter besonders hohem Schutz. Nur wenige der 36 Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen können weiterhin Patienten pflegen. Die meisten mussten ihre Dienste einstellen, nachdem sie durch israelischen Beschuss zerstört oder von der Armee zur Räumung gezwungen worden waren.
In den verbleibenden Kliniken herrschen laut Hilfsorganisationen chaotische Zustände. Die Ärzte müssen oft ohne Strom arbeiten, zudem fehlen Medikamente. Amputationen ohne Narkose sind laut Hilfsorganisationen an der Tagesordnung.