Viele Schweizer Firmen haben ihre interne Korruptionsbekämpfung ausgebaut, doch zahlt sich das bisher nicht aus. Dabei geht es um viel. Wer Schmiergeld zahlt, macht sich möglicherweise strafbar.
Der Schweizer Industriekonzern ABB hatte zwischen 2014 und 2017 in Südafrika einen hochrangigen Vertreter eines Energieunternehmens bestochen. Mindestens 1,3 Millionen Franken an Schmiergeldzahlungen flossen, um sich Aufträge im Wert von über 200 Millionen Franken beim Bau eines Kohlekraftwerks zu sichern.
Das war bei weitem kein Einzelfall. Dies zeigen die Ergebnisse einer Studie von Transparency International Schweiz und der Fachhochschule Graubünden. Die Autoren befragten 539 Schweizer Unternehmen, die einen Teil ihres Umsatzes in Ländern erzielen, in denen das Korruptionsniveau höher als in westlichen Staaten ist.
Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, sagt: «Die Ergebnisse sind erschreckend.»
Laut der Studie ist jedes zweite Schweizer Exportunternehmen mit Forderungen von Schmiergeldzahlungen oder Geschenken konfrontiert, 63 Prozent dieser Firmen kommen diesen Forderungen nach. Das heisst, dass jedes dritte Schweizer Unternehmen im Ausland mit Bestechungsmitteln arbeitet.
Solche Firmen machen sich möglicherweise strafbar. Denn seit dem Jahr 2000 ist nach Schweizer Recht das Bestechen von Amtsträgern im Ausland ebenso strafbar wie im Inland. Die Bundesanwaltschaft büsste ABB für den Fall in Südafrika mit vier Millionen Franken.
Transparency International fordert Kronzeugen-Gesetz
Allerdings hapert es am Strafvollzug. In 20 Jahren wurden nur in elf Fällen Firmen rechtskräftig verurteilt. Unter Berücksichtigung der Studienergebnisse seien dies klar zu wenig Fälle, sagt Hilti. Er fordert Verbesserungsmassnahmen.
Zum einen soll der Gesetzgeber Instrumente schaffen, die es ermöglichen, straffrei davonzukommen. Sprich, wenn das Unternehmen sich selber anzeigt, wird allenfalls auf die Busse verzichtet. Länder wie Frankreich, Grossbritannien und die USA wenden solche Vereinbarungen bereits an.
Zum anderen fordert Hilti, dass die Staatsanwaltschaften verbindliche Wegleitungen ausarbeiten und veröffentlichen, wie sie das Unternehmensstrafrecht anwenden. Unternehmen müssen zumindest wissen, was auf sie zukommt, für den Fall, dass sie bereit sind, mit den Behörden zu kooperieren.
Die Schweizer Wettbewerbskommission (Weko) kennt solche Wegleitungen für Kronzeugen von illegalen Wettbewerbsabreden. Die Weko kann auch Unternehmen die Strafe erlassen, die als Erstes ihre Beteiligung an einem Kartell anzeigen. Dieses Instrument ist wirksam und wird rege genutzt.
In Sachen Korruption hätten die Firmen hingegen weniger Rechtssicherheit, sagt Hilti. Deshalb sei es im Interesse der Firmen, dass solche Wegleitungen aufgegleist würden. Auch würden die Zahlungen ins Geld gehen: Im Schnitt kosten die Schmiergeld-Zahlungen und Geschenke die Firmen 5,6 Prozent des Umsatzes im jeweiligen Land.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco sieht das anders. Es schreibt in einem kürzlich publizierten Beitrag, dass der Bund die Schweizer Unternehmen bereits tatkräftig bei der Korruptionsprävention unterstütze. Die Bundesverwaltung unterhält selbst eine Whistleblower-Plattform, auf der Verdachtsfälle und Missstände gemeldet werden können.
Zudem seien Schweizer Unternehmen, die in der Rohstoffgewinnung tätig sind, verpflichtet, alle Zahlungen an Regierungen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zu melden. Und im Rahmen der laufenden Korruptionsstrategie werde geprüft, ob die Sanktionen wirksam genug seien. Die Ergebnisse würden Ende Jahr veröffentlicht.
Weniger als Hälfte der Firmen führt eine Meldestelle
Ein anderes Mittel, das helfen könnte, wären firmeninterne Whistleblower-Anlaufstellen, sagt Hilti. Doch die Studie kommt zum Schluss, dass weniger als die Hälfte der untersuchten Firmen eine solche Stelle überhaupt führen.
Neben grossen Firmen wurden allerdings auch kleine KMU befragt. Für Firmen unter 50 Mitarbeitenden ist es schwierig, eine solche Stelle zu betreiben.
Transparency International beanstandet ausserdem, dass ein Viertel der Unternehmen gar keine Verhaltensregeln bezüglich Korruption kennen und bei 30 Prozent die Geschäftsleitung nicht klar kommuniziert, dass Korruption nicht toleriert wird.
Zumindest ABB scheint seine Lehren aus dem Vorfall in Südafrika gezogen zu haben. Mitarbeitende würden zum Thema geschult und ein neuer Verhaltenskodex sei eingesetzt worden, heisst es von der Medienstelle. Als interne Meldestelle diene eine Ethik-Helpline.
Vonseiten des Branchenverbands Swissmem heisst es auf Anfrage, dass die Verbandsmitglieder Spezialtrainings für Angestellte in exponierten Ländern anbieten würden.
Auslandsbestechung nimmt tendenziell zu
Tatsächlich ist die Prävention im Vergleich zu vor zwölf Jahren, als die Studie zum letzten Mal von der Fachhochschule Graubünden durchgeführt wurde, heute besser. Doch dies scheint der Korruption keinen Abbruch zu tun. In der Studie von 2012 hatte nur ein Viertel der Unternehmen erklärt, Schmiergelder im Ausland zu zahlen.
Allerdings können die beiden Studien nicht eins zu eins miteinander verglichen werden, weil die Autoren dieses Mal eine andere Befragungstechnik angewandt haben. Um dem Problem zu begegnen, dass die teilnehmenden Firmen kaum Interesse an einer Offenlegung haben, wurde eine von der Weltbank entwickelte Methode zur Messung von Korruption auf betrieblicher Ebene verwendet. Die Firmen werden in der Studie nicht namentlich genannt.
Die Autoren ziehen trotzdem den Schluss, dass die Korruptionszahlungen in den letzten zehn Jahren nicht ab-, sondern tendenziell zugenommen haben.