Nach Jahren rot-grüner Dominanz möchte der Freisinn in Basel-Stadt die bürgerliche Mehrheit zurückholen. Doch jetzt ist der Traum wohl ausgeträumt, nach dem ersten Wahlgang sieht es so aus, als würde der Sozialdemokrat Mustafa Atici gewählt.
Die Basler Bürgerlichen glauben immer noch an ein kleines Wunder. Zumindest vor den Kameras. «Das Rennen ist noch offen», wiederholte der freisinnige Regierungskandidat Luca Urgese am Sonntag immer und immer wieder. Er habe noch Chancen, im zweiten Wahlgang Regierungsrat zu werden. Und so nach fast zwei Jahrzehnten endlich die bürgerliche Regierungsmehrheit zurückzuholen.
Es geht um den frei gewordenen Sitz von Beat Jans. Der Sozialdemokrat sitzt jetzt im Bundesrat, die Basler Bevölkerung sollte am Sonntag einen Nachfolger ins Regierungspräsidium wählen. Neuer Präsident wird ziemlich sicher Conradin Cramer von der Liberal-Demokratischen Partei. Er war bisher Erziehungsdirektor und verpasste das absolute Mehr nur knapp.
Im zweiten Wahlgang am 7. April wird es daher vor allem ums Erziehungsdepartement gehen. Zur Wahl stellten sich der Freisinnige Luca Urgese, der für die bikantonale Handelskammer tätig ist, der Sozialdemokrat Mustafa Atici, Gastrounternehmer und ehemaliger Nationalrat, sowie der Grüne Jérôme Thiriet, Inhaber einer Velokurier-Zentrale.
Doch so optimistisch sich der bürgerliche Kandidat Luca Urgese nun gibt: Es wird schwierig für ihn. Zwar ist das Rennen noch nicht gelaufen, doch Mustafa Atici führt deutlich.
So hat er mit 24 526 Stimmen das beste Resultat erzielt. Laut Atici ein deutliches Zeichen, dass ihn seine Wähler in einer «exekutiven Rolle sehen wollten». Urgese erzielte 20 725 Stimmen. Auf dem dritten Platz, überraschend abgeschlagen, lag Thiriet von den Grünen mit 8396 Stimmen. Beim zweiten Wahlgang zieht er sich zurück und macht den Platz frei für Atici.
Geschwächte Linke
Urgese glaubt, dass er aufholen kann. Erstens bezweifelt er, dass alle Stimmen des Grünen zum Sozialdemokraten gehen, die Stimmung zwischen den beiden Parteien ist angespannt. Zweitens hofft er, dass im zweiten Wahlgang grundsätzlich weniger Linke wählen werden. So führt er das gute Resultat von Atici unter anderem darauf zurück, dass die 13. AHV besonders viele Linke an die Urne gelockt habe. Tatsächlich war die Basler Wahlbeteiligung mit 53,42 Prozent hoch.
Die Bürgerlichen haben grosse Hoffnungen, was diese Ersatzwahl angeht. 15 Jahre lang regierte in Basel-Stadt Rot-Grün. Doch die Linke ist geschwächt: Bei den letzten Wahlen ging der Sitz der Grünen an die Grünliberalen. Die Regierung setzt sich seither aus zwei Sozialdemokraten, zwei Liberal-Demokraten, einem Mitte-Politiker und einer Grünliberalen zusammen.
Und seither herrscht Streit im linken Bündnis. Ein Bündnis, das viel mit den beiden Sozialdemokraten zu tun hat, die auch jetzt wieder eine grosse Rolle spielen: Bundesrat Beat Jans und der Regierungskandidat Mustafa Atici. Ihre Karrieren laufen bis heute parallel – und überkreuzen sich auch manchmal.
Bis 2004 war die Basler Regierung bürgerlich dominiert. Dann kam Beat Jans. Damals Präsident der kantonalen SP, schmiedete er eine Wahlallianz zwischen der SP, den Grünen und der Linksaussenpartei Basta. Und er band dabei auch einen Teil der grossen kurdischen Gemeinschaft in Basel ein – in Zusammenarbeit mit Mustafa Atici, der in der Türkei geboren wurde und mit 23 Jahren in die Schweiz kam. Die beiden sind befreundet, bis heute.
Das zeigte sich auch bei den Bundesratswahlen. Als Alain Berset letztes Jahr seinen Rücktritt bekanntgab, war Mustafa Atici der Erste, der sein Interesse anmeldete. Als Beat Jans mehr als zwei Monate später ebenfalls seine Kandidatur ankündete, zog sich Atici zurück. Jans wurde bekanntlich gewählt.
Es ist fraglich, ob die Spitzkehre Mustafa Atici genützt oder geschadet hat. Seine Medienpräsenz stieg rasant an – doch bei den Nationalratswahlen im Herbst wurde er abgewählt, Basel-Stadt verlor einen Sitz an Zürich. In der Folge bewarb sich Atici für Jans’ frei werdenden Regierungssitz.
Seine Wahl wäre auch ein Sieg für die eingewanderte Bevölkerung. Der Anteil an Einwohnern mit Migrationshintergrund beträgt in Basel seit Jahren über 50 Prozent. Bildungspolitik ist ausserdem das Steckenpferd von Mustafa Atici.
Der Freisinnige Luca Urgese gilt als einer der dossiersichersten Politiker in Basel-Stadt. Sein Kerngeschäft ist die Standortpolitik. Er war massgeblich an der Steuersenkung beteiligt, welche die Bevölkerung letztes Jahr angenommen hat. Doch Kompetenz allein reicht nicht bei Wahlen, das zeigt die Erfahrung. Am Ende kommt es vor allem auf die politische Haltung an. Gerade SP-Wähler zeigten sich in den vergangenen Jahren sehr treu.