Ein Konsortium, das von der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate kontrolliert wird, wollte das konservative Leitmedium übernehmen.
Als Leibblatt der konservativen Partei nimmt der «Daily Telegraph» in der britischen Medienlandschaft eine wichtige Stellung ein. Seit die verschuldete bisherige Besitzerfamilie Barclay die Mediengruppe, zu der auch das konservative Wochenmagazin «The Spectator» gehört, im letzten Sommer zum Verkauf ausschrieb, sorgten Spekulationen über die künftigen Eigentümer im Politbetrieb für Aufregung.
Die Aufregung kippte in Alarmstimmung, als Anfang Winter nach einem Bieterprozess ein amerikanisches Konsortium mit dem Namen Redbird IMI zum Zug kam. Denn hinter dem Konsortium verbirgt sich Scheich Mansur bin Zayed Al Nahyan, Vizepräsident und führendes Mitglied der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate. Dies löste Befürchtungen aus, die Golfmonarchie könnte Einfluss auf die britische Politik nehmen. Zum Portfolio von Redbird IMI gehört auch der in Abu Dhabi beheimatete Titel «The National», bei dem laut Medienberichten regierungskritische Inhalte unterbunden werden.
Kein staatlicher Einfluss erlaubt
Nach regulatorischen Abklärungen hat sich die Regierung von Rishi Sunak nun entschieden, den für einen Preis von 600 Millionen Pfund (675 Millionen Franken) vereinbarten Verkauf des «Daily Telegraph» zu unterbinden. Im Oberhaus kündigte der Kulturminister Stephen Parkinson an, die Regierung werde kurzfristig einen Passus in eine im Parlament hängige Gesetzesrevision integrieren, um so den «Besitz, die Beeinflussung oder die Kontrolle» von britischen Medientiteln durch einen ausländischen Staat explizit zu verbieten.
Konkret soll künftig die Wettbewerbsbehörde Competition and Markets Authority (CMA) eine Übernahme untersagen, falls eine Mediengruppe unter den Einfluss eines ausländischen Staates gerate. Noch liegt der genaue Wortlaut nicht vor. Doch nach Parkinson soll die «breite Definition» von staatlichem Einfluss im Gesetz auch Vertreter von ausländischen Regierungen umfassen, die (wie Scheich Mansur bin Zayed Al Nahyan) als Privatleute auftreten und ihr persönliches Geld investieren.
Die CMA und der Medien-Regulator Ofcom hatten die Übernahme des «Daily Telegraph» bereits laut geltendem Recht geprüft und jüngst einen vertraulichen Bericht zuhanden des Medien- und Kulturministeriums verfasst. Nun will die Regierung die weiteren Abklärungen hinauszögern, bis der neue Gesetzesartikel in wenigen Wochen vom Parlament verabschiedet wird.
Heikles Vorgehen
Der neue Artikel dürfte dann erstmals mit Bezug auf den Verkauf des «Daily Telegraph» zur Anwendung kommen. Diese rückwirkende Anwendung eines Gesetzes mutet rechtlich heikel an. Doch da viele konservative Hinterbänkler ihr Leibblatt auch mit Blick auf die anstehenden Unterhauswahlen vor dem Verkauf ins Ausland retten wollen und da auch Labour am gleichen Strick zieht, muss die Regierung kaum politischen Widerstand befürchten.
Unklar ist, welchen Anteil ein mit einem ausländischen Staat in Verbindung gebrachter Investor an britischen Medientiteln künftig halten darf. In London heisst es, denkbar seien kleinere Beteiligungen, wie sie etwa der norwegische Staatsfonds als Aktien an Medienunternehmen besitze. Innerhalb des Konsortiums Redbird IMI stammen drei Viertel der finanziellen Mittel aus Abu Dhabi.
Damit dürften dem Konsortium nur zwei Optionen offen bleiben. Entweder es verwässert den Einfluss des Scheichs, indem es weitere Investoren an Bord holt. Oder es sieht vom Kauf des «Daily Telegraph» ab. Ein Sprecher von Redbird IMI liess verlauten, man sei «extrem enttäuscht» über das Vorgehen der britischen Regierung und prüfe die nächsten Schritte.
«Schutz der Pressefreiheit»
Als Folge der unorthodoxen Gesetzesänderung erhalten nun Medientitel als schützenswerte Pfeiler der Demokratie faktisch eine rechtliche Sonderstellung. In anderen Bereichen zeigt sich Grossbritannien durchaus offen für regierungsnahe Investoren aus dem Ausland. Auch Scheich Mansur bin Zayed Al Nahyan ist auf der Insel kein Unbekannter. Seit 2008 besitzt er den Fussballklub Manchester City. Allerdings war der sportliche Erfolg von Anfang an von Anschuldigungen zu finanziellen Unregelmässigkeiten begleitet.
Der «Daily Telegraph» bezeichnete die Intervention in einem Leitartikel als «willkommener Schritt zum Schutz der Pressefreiheit». Wird das Bieterverfahren neu aufgerollt, könnten frühere Interessenten wie der konservative Hedge-Fund-Millionär und Medienunternehmer Paul Marshall eine zweite Chance wittern. Vorderhand aber liegt die Zukunft der Traditionszeitung, die erheblichen Einfluss auf die personelle und inhaltliche Ausrichtung der Konservativen Partei nimmt, noch immer in der Schwebe.







