Nach vierjähriger Verzögerung setzt die Hindu-nationalistische Regierung ein umstrittenes Gesetz um, das es bestimmten religiösen Gruppen vereinfacht, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Der Zeitpunkt ist wohl nicht zufällig gewählt.
Das Gesetz ist ein heisses Eisen. So heiss, dass die indische Regierung mehr als vier Jahre lang gezögert hat, es umzusetzen. Anfang dieser Woche aber hat die Regierung verkündet, dass die Citizenship Amendment Act (CAA) nun doch in Kraft treten werde. Die Opposition warf ihr daraufhin vor, das Gesetz für den anstehenden Wahlkampf nutzen zu wollen. Auch wurde der Verdacht laut, Premierminister Narendra Modi wolle damit von einem brisanten Urteil des Obersten Gerichts zur Parteienfinanzierung ablenken.
Doch worum geht es in der CAA? Das im Dezember 2019 verabschiedete Gesetz sieht vor, dass Angehörige religiöser Minderheiten aus Afghanistan, Pakistan und Bangladesh, die vor Ende 2014 illegal ins Land gekommen sind, erleichterten Zugang zur indischen Staatsbürgerschaft erhalten. Eine individuelle Verfolgung muss nicht nachgewiesen werden. Brisant ist, dass das Gesetz nur für Hindus, Jains, Parsen, Buddhisten und Christen gilt – nicht aber für Muslime.
Die Kritiker werfen der Hindu-nationalistischen Regierung vor, damit die Religion zum Kriterium der Staatsangehörigkeit zu machen. Sie sehen darin einen Verstoss gegen die säkularen Grundwerte Indiens und eine gezielte Diskriminierung der Muslime. Die Regierung argumentiert, die Muslime aus den drei Nachbarländern benötigten keinen Schutz. Dabei leiden auch die schiitischen Hazara in Afghanistan oder die Rohingya in Bangladesh unter Diskriminierung.
Die Diskussion war von massiver Gewalt begleitet
Als das Gesetz Ende 2019 im Parlament diskutiert wurde, stiess es in der Opposition und der breiteren Öffentlichkeit auf scharfe Kritik. Besonders in Assam und Kaschmir kam es zu heftigen Protesten, die teilweise zu gewaltsamen Ausschreitungen führten. Der blutige Tiefpunkt der Auseinandersetzung war, als radikale Hindu-Nationalisten im Dezember 2019 ein muslimisches Viertel im Norden Delhis stürmten und bei einem Pogrom 53 Menschen ermordeten.
Die Ursachen der Proteste waren unterschiedlich: In Assam fürchteten viele Einwohner, dass das Gesetz zur verstärkten Zuwanderung von Hindus aus dem nahe gelegenen Bangladesh führen würde. Unter Muslimen bestand wiederum die Sorge, dass die Regierung versuchen würde, die vielen Muslime ohne gültige Aufenthaltspapiere ausser Landes zu drängen, nachdem sie die illegal eingewanderten Hindus, Buddhisten und Christen eingebürgert hat.
Insbesondere wurde spekuliert, dass die Regierung die CAA mit einem geplanten National Register of Citizens (NRC) verbinden wolle. Viele der 200 Millionen Muslime in Indien fürchteten, dass sie dadurch ihre Staatsbürgerschaft verlieren könnten. Denn viele arme Bürger haben keine Papiere, die ihre Nationalität belegen. Eine Klage von mehreren muslimischen Verbänden gegen die CAA vor dem Obersten Gericht ist seit Jahren anhängig, doch steht ein Urteil weiter aus.
Kritiker vermuten ein Ablenkungsmanöver
Nach den heftigen Protesten Ende 2019 schob die Regierung die Umsetzung des Gesetzes zunächst hinaus. Sie begründete dies mit der Corona-Pandemie, doch spielte wohl auch die Sorge vor weiterer Gewalt eine Rolle. Dass Modi das Gesetz nun ausgerechnet kurz vor der Parlamentswahl im April in Kraft setzt, dürfte kein Zufall sein. Die Zeitung «The Hindu» schrieb in einem Leitartikel, es sei zu vermuten, dass die Regierung die CAA aus wahltaktischen Gründen reanimiere.
Insbesondere bestehe der begründete Verdacht, dass die Regierung damit von der Kontroverse um die Parteienfinanzierung ablenken wolle, schrieb die Zeitung. Das Oberste Gericht hatte Mitte Februar sogenannte «electoral bonds» für illegal erklärt. Diese anonymen Parteispenden kommen vor allem Modis Hindu-nationalistischer Bharatiya Janata Party (BJP) zugute. Am Montag wies das Gericht die Zentralbank an, die Namen der Spender und die Summe der Spenden offenzulegen. Als Frist setzten die Richter der Bank diesen Freitag.







