Vietnam gilt als gute Alternative zum Produktionsstandort China. Seitdem die herrschende Kommunistische Partei gegen korrupte Funktionäre vorgeht, ist es mit der Stabilität vorbei.
Vietnams Staatspräsident Vo Van Thuong muss nach nur einem Jahr zurücktreten. Er soll gegen parteiinterne Regeln verstossen haben, heisst es von offizieller Seite. Dabei handele es sich um eine Chiffre für Korruption, sagt der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Hanoi, Florian Feyerabend.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Vietnams teilte mit, die Verstösse von Thuong hätten den Ruf der Partei sowie des Staates beeinträchtigt. Der 53-Jährige war im März vergangenen Jahres auf Nguyen Xuan Phuc gefolgt, der ebenfalls über Korruptionsfälle gestürzt war. Phuc hatte sich immerhin 21 Monate im Amt gehalten.
Zwei Millionen für einen Ahnenschrein?
Im Einparteistaat Vietnam haben vier Personen das politische Sagen: Neben dem Präsidenten, der vor allem repräsentative Aufgaben hat, gehören der Führungsriege der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Nguyen Phu Trong, der Regierungschef Pham Minh Chinh sowie der Vorsitzende der Nationalversammlung, Vuong Dinh Hue, an.
Ironischerweise galt Thuong als Verfechter eines harten Kurses im Kampf gegen Korruption und soll das Vertrauen von Trong genossen haben. Er war denn auch einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge an der Spitze der Kommunistischen Partei, die spätestens beim nächsten Kongress 2026 geregelt werden muss – wenn Trong so lange durchhält. Er ist gesundheitlich angeschlagen.
Thuong soll ein Korruptionsskandal eines lokalen Immobilienentwicklers zum Verhängnis geworden sein. Das Unternehmen habe einem Verwandten Thuongs umgerechnet rund 2,2 Millionen Franken gezahlt, so lauten die Gerüchte. Mit dem Geld hätte sich Thuong einen Ahnenschrein bauen lassen sollen. Der Vorfall hat sich mutmasslich ereignet, während Thuong Parteichef der Provinz Quang Ngai war. Er hatte den Posten zwischen 2011 und 2014 inne.
Seit drei Jahren bekämpft die Kommunistische Partei Vietnams korrupte Funktionäre in den eigenen Lagern. In dieser Zeit mussten wegen Bestechung zwei stellvertretende Regierungschefs, zwei Minister und mehr als ein Dutzend Parteichefs in den Provinzen zurücktreten.
Das mächtige Politbüro hat statt ursprünglich 18 nur noch 14 Mitglieder. «Diese innerparteiliche Dynamik ist präzedenzlos», sagt Feyerabend. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es um mehr gehe als nur um den Kampf gegen Korruption, fügt er an: «Es geht auch um Weichenstellungen für die Nachfolge an der Parteispitze und die Aufstellung der Partei nach dem nächsten regulären Parteitag 2026.»
Rasche Lösung als Zeichen für Stabilität
Für die Nachfolge Thuongs gilt To Lam als wahrscheinlicher Kandidat. Der 66-Jährige steht an der Spitze des Ministeriums für öffentliche Sicherheit und ist eine der Schlüsselfiguren in der Antikorruptionskampagne. Feyerabend rechnet damit, dass ein Nachfolger rasch gefunden wird, um nach innen und aussen Stabilität zu signalisieren.
Vietnams Machthaber wollen damit vor allem ausländische Investoren beruhigen, die im Rahmen ihrer Strategie «China Plus One» eine Alternative zum chinesischen Standort suchen. In China werden wegen des demografischen Wandels die Arbeitskräfte knapper und teurer. Zudem steigen wegen des amerikanisch-chinesischen Konflikts und einer möglichen militärischen Auseinandersetzung um Taiwan die Risiken für Unternehmen. Vietnam gilt als attraktiv für Unternehmen, weil sein politisches Umfeld im Vergleich zu anderen südostasiatischen Ländern stabil ist – oder es zumindest bisher war.