Sri Lanka wird wegen seiner geopolitisch wichtigen Lage von Grossmächten umworben. Wie die Inselnation damit umgeht, erklärt der Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten, Tharaka Balasuriya.
Herr Balasuriya, Sri Lanka hat ein Kriegsschiff ins Rote Meer entsandt, um Schiffe gegen die Angriffe der Huthi zu schützen. Warum macht Ihr Land das?
Wir beteiligen uns an der internationalen Koalition gegen die Huthi-Attacken, weil für uns die freie Schifffahrt sehr wichtig ist. Die wichtigsten Schifffahrtsrouten von Europa und aus dem Nahen Osten nach Ostasien führen an Sri Lanka vorbei. Und Logistik ist ein Zukunftssektor für uns. Wenn Schiffe nicht mehr durchs Rote Meer fahren können und den Umweg um Afrika nehmen müssen, verteuert das viele Produkte. Das ist für kleine Länder wie uns schädlich.
Die Mission kostet Sie 1,5 Millionen Dollar pro Monat. Sri Lanka ist arm. Ist das nicht viel Geld?
Ja, aber wir wollen auch als kleines Land unseren Beitrag zur freien Schifffahrt leisten.
Zur Person
Tharaka Balasuriya, Staatsminister
Tharaka Balasuriya ist Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten von Sri Lanka. Nach 15 Jahren im Banken- und Versicherungswesen stieg Balasuriya 2012 in die Politik ein, zuerst auf regionaler, dann auf nationaler Ebene.
Eine der dominierenden Fragen der sri-lankischen Aussenpolitik ist das Verhältnis zum Nachbarn Indien. Sie haben die Beziehung einmal mit der zwischen einem grossen und einem kleinen Bruder verglichen. Wie gut ist das Verhältnis wirklich?
Die Beziehung ist sehr eng. Die Menschen auf Sri Lanka kommen ursprünglich aus Indien. Der Buddhismus, die vorherrschende Religion auf Sri Lanka, kommt aus Indien. Wir haben eine zivilisatorische Verbindung mit Indien . . .
Aber Geschwister streiten sich auch häufig . . .
Jede Beziehung hat ihre Tücken. Aber unsere Beziehungen zu Indien sind auf einem historischen Hoch. Der Tourismus aus Indien boomt und könnte noch stark wachsen, wenn es eine Brücke gäbe. Auch wollen wir unsere Stromnetze verbinden. Wir haben ein Potenzial an Wind- und Solarstrom, das unseren Verbrauch weit übersteigt. Das wollen wir nach Indien exportieren.
Indien macht sich Sorgen, dass sich Sri Lanka zu stark an China anlehnt . . .
Wir nehmen stark Rücksicht auf Indiens Sicherheitsbedürfnisse. Aber wir sind auch mit China befreundet, so wie wir mit vielen anderen Ländern in Europa oder Asien befreundet sind. Ich glaube nicht, dass wir zwischen Indien und China wählen müssen.
Indien reagiert aber nervös, wenn zum Beispiel chinesische Schiffe, welche den Meeresboden vermessen, in Sri Lanka anlegen. Delhi bezeichnet diese als Spionageschiffe.
Um die Lage zu beruhigen, haben wir ein einjähriges Moratorium verhängt, während dessen solche Forschungsschiffe aller Länder nicht in Sri Lanka anlegen dürfen. Wir arbeiten nun Regeln aus, welche künftig alle Schiffe dieser Art befolgen müssen.
Ganz im Süden Sri Lankas – und ideal an den wichtigsten Schifffahrtsrouten – liegt der Hafen Hambantota. Er wurde von China gebaut. Doch weil Sri Lanka die dafür aufgenommenen Schulden nicht bedienen konnte, mussten Sie den Hafen für 99 Jahre in Pacht an eine chinesische Firma abgeben. Ist Ihr Land in eine Schuldenfalle geraten?
Wenn Sie das Wort «Schuldenfalle» benutzen, insinuieren Sie, dass China das absichtlich gemacht hat. Das stimmt so nicht. Leider haben wir nach unserer Unabhängigkeit 1948 über unsere Verhältnisse gelebt – etwa wegen Subventionen für Nahrungsmittel und Energie. So haben wir grosse Schulden angehäuft. Wir können nicht einem anderen Land die Schuld für unsere eigenen Fehler geben.
Es gibt Leute, die argumentieren, dass Sri Lanka einen Teil seiner Souveränität eingebüsst habe . . .
Mir wäre es lieber, wenn wir den Hafen selbständig weiterentwickeln könnten. Aber wenn wir nicht das nötige Kapital haben, müssen wir Joint Ventures mit ausländischen Firmen eingehen. Wenn wir einen Hafen mit einer indischen Firma oder ein Kraftwerk mit einem amerikanischen Unternehmen betreiben, sagen Sie ja auch nicht, dass wir an Souveränität eingebüsst hätten.
Viele Länder in Asien fürchten sich davor, zwischen China und USA aufgerieben zu werden. Sie müssen gleich eine Balance mit drei Grossmächten finden, weil noch Indien im Spiel ist. Wie machen Sie das?
Ähnlich, wie die Schweiz ihre Balance zwischen rivalisierenden Mächten gefunden hat . . .
Aber die Schweiz ist von ihr wohlgesinnten Nachbarn umgeben . . .
Ich glaube nicht, dass die Grossmächte uns gegenüber feindlich eingestellt sind. Sie haben ihre Bedenken und ihre Interessen. Wir sind seit den 1950er Jahren neutral. Dies ist eine Konstante der sri-lankischen Aussenpolitik, unabhängig davon, wer an der Macht ist. Wir arbeiten in gewissen Bereichen mit gewissen Ländern zusammen – aber das heisst nicht, dass wir unsere Neutralität aufgeben.
Aber versuchen die grossen Länder nicht, Sri Lanka näher an sich zu binden, Einfluss zu nehmen?
Sri Lanka hat einen dreissigjährigen Krieg hinter sich. Wir wissen, was Krieg bedeutet, und wollen sicher nicht in einen neuen Konflikt hineingezogen werden. Wir wollen mit allen Ländern, die uns freundlich gesinnt sind, gute Beziehungen haben und keine militärischen Allianzen eingehen.